Bargeldverbot in Deutschland?
Was sich für Otto-Normalverbraucher eher skurril anhört, wird in wissenschaftlichen Zirkeln durchaus diskutiert

So könnte die Zukunft aussehen: Kleinere Beträge lassen sich schnell mit dem Handy bezahlen. Foto: dpa
Von Bernhard Funck
Frankfurt. Für die meisten Deutschen ist es vollkommen selbstverständlich, kleinere und mitunter größere Einkäufe bar zu bezahlen. Knapp 80 Prozent aller Transaktionen werden laut Bundesbank in Geldscheinen und Münzen abgewickelt. Jetzt aber scheint eine Debatte nach Deutschland zu schwappen, die auf den ersten Blick absurd erscheint: Das Bezahlen mit Bargeld solle eingeschränkt, im Extremfall sogar verboten werden, wird gefordert. Dabei ist die Debatte ebenso wenig neu wie die vorgetragenen Argumente.
Hintergrund
Bargeld: Der Wert aller im Umlauf befindlichen Euro-Scheine hat zum Jahreswechsel laut Deutscher Bundesbank die Grenze von einer Billion Euro durchbrochen. Kurz nach der Einführung der Währung 2002 waren 221 Milliarden Euro als Banknoten im Umlauf. Bei den
Bargeld: Der Wert aller im Umlauf befindlichen Euro-Scheine hat zum Jahreswechsel laut Deutscher Bundesbank die Grenze von einer Billion Euro durchbrochen. Kurz nach der Einführung der Währung 2002 waren 221 Milliarden Euro als Banknoten im Umlauf. Bei den Deutschen gilt immer noch: Nur Bares ist Wahres. 2014 wurden 79 Prozent aller Transaktionen mit Bargeld getätigt. Das geht aus der Studie "Zahlungsverhalten in Deutschland 2014" der Deutschen Bundesbank hervor. Die Girocard ist mit rund 15 Prozent das wichtigste "unbare" Zahlungsmittel. Mit Kreditkarte wurden 2014 nur 1,3 Prozent der Transaktionen bezahlt, per Internetbezahlverfahren 0,9 Prozent.
Laut Studie zahlen 33 Prozent der Befragten immer bar, 17 Prozent versuchen, immer "unbar" zu zahlen. Der Bargeldbestand der Deutschen im Portemonnaie liegt laut Bundesbank bei durchschnittlich 103 Euro, 5,73 Euro davon in Münzen.
Wer will das Bargeld abschaffen?
Für ein Ende des Bargelds hat sich am Wochenende der Wirtschaftsweise Peter Bofinger ausgesprochen. "Bei den heutigen technischen Möglichkeiten sind Münzen und Geldscheine tatsächlich ein Anachronismus", sagte er dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Mit anderen Worten: Bargeld ist veraltet und letztlich überflüssig. Bofingers Vorstoß ist nicht neu. Ähnliche Vorschläge haben amerikanische Ökonomen wie der ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kenneth Rogoff, oder Ex-Finanzminister Larry Summers gemacht. Sie sprechen sich ebenfalls für eine Welt ohne Bares aus.
Warum soll es kein Bargeld mehr geben?
Befürworter einer bargeldlosen Wirtschaft nennen im Wesentlichen zwei Gründe für ihre Position. Das erste Argument ist vergleichsweise einleuchtend: Bargeld werde für illegale Aktivitäten bevorzugt verwendet, beispielsweise für das Reinwaschen von Drogengeld, bei der Steuerhinterziehung oder in der Schwarzarbeit. Ein Bargeld-Stopp würde dem einen Riegel vorschieben. Das zweite Argument ist komplizierter, es geht um die Geldpolitik der Zentralbanken.
Was hat Bargeld mit Geldpolitik zu tun?
Geldpolitik funktioniert im Wesentlichen nicht über Bargeld, sondern über "Buchgeld". Dazu gehören Spareinlagen und Bankkredite. Eine Zentralbank - also die Bank der Banken - kann die Spar- und Kreditzinsen in gewissem Umfang steuern, indem sie ihre Leitzinsen verändert. Im Euroraum sind die Zinsen nicht nur extrem tief, sie liegen teils sogar schon im Minus. Rutschen die Zinsen zu tief ins Minus, steigt für Verbraucher und Unternehmen der Anreiz, Geld nicht mehr auf ihr Konto zu stellen, sondern in Münzen und Geldscheinen zu horten. Das bedeutet: Bargeld begrenzt die Möglichkeiten einer Notenbank, in Krisenzeiten die Wirtschaft durch Negativzinsen - also superbilliges Geld - anzuschieben.
Ist das Ganze nicht eine rein wissenschaftliche Debatte?
Ja und Nein. In der deutschen Politik gibt es bisher keine große Diskussion über die Abschaffung von Bargeld. Auf der anderen Seite gibt es in Ländern, in denen Bargeld eine geringere Rolle als in Deutschland spielt, Entwicklungen, die in diese Richtung gehen. Beispielsweise will die dänische Regierung den gesetzlichen Zwang zur Annahme von Bargeld - den es auch in Deutschland gibt - lockern. Einzelhändler, Tankstellen und Restaurants sollen vom nächsten Jahr an keine Geldscheine oder Münzen mehr annehmen müssen. In der Schweiz scheinen Großanleger wie Rentenkassen wegen des dort stark negativen Leitzinses zu überlegen, größere Beträge in bar zu horten.
Was sagen Kritiker zur Bargeldabschaffung?
Ein wichtiges Argument der Gegner lautet, dass nicht nur Bargeld für illegale Aktivitäten verwendet wird. Als Beispiel werden häufig die "Bitcoins" genannt - das ist eine virtuelle Internetwährung, die nicht von Zentralbanken ausgegeben wird und sich ihrer Kontrolle entzieht. Mit Blick auf die Geldpolitik wird argumentiert, eine Abschaffung des Bargelds diene in erster Linie dazu, den Notenbanken ihren extrem lockeren und - so die Kritiker - verfehlten Krisenkurs zu erleichtern.
Eine Folge von sehr niedrigen Zinsen oder gar negativen Zinsen ist nämlich, dass Sparer belastet und Kreditnehmer entlastet werden. Mit der Abschaffung des Bargelds würde den Sparern die Möglichkeit genommen, einer Entwertung ihrer Guthaben auszuweichen.