Bausparkassen

Das Hoffen auf den Zinsanstieg

Kaum ein Kunde nutzt sein Darlehen

31.03.2017 UPDATE: 04.04.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 40 Sekunden

Die Zinsen für Immobilienkredite sind derzeit so niedrig, dass kaum ein Bausparer seinen zuteilungsreifen Vertrag abruft. Foto: dpa

Von Wolf von Dewitz

Stuttgart. Die dunklen Wolken über der Bausparbranche wollen einfach nicht abziehen. Erst kürzlich feierte die Branche einen enorm wichtigen Erfolg vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der sie vor weiteren Verlustgeschäften bewahrt hat - dem BGH zufolge dürfen sie Altverträge mit relativ hohen Guthabenzinsen weiter kündigen. Doch trotz dieses Rückenwindes für die Institute bleibt die ganze Branche unter massivem Druck. Nach Einbußen im Vertragsvolumen und Gewinnrückgängen in der Branche ist keine Besserung in Sicht.

So musste der Chef vom Branchenprimus Schwäbisch Hall, Reinhard Klein, kürzlich wegen hoher Rückstellungen eine Halbierung des Ergebnisses im Geschäftsjahr 2016 auf 158 Millionen Euro bekanntgeben. Man habe auf der Ertragsseite "den Tiefpunkt erreicht, da bleiben wir auch sicher noch eins, zwei Jahre". Erst für danach habe man "ein gutes Gefühl", dass es wieder aufwärts gehen könnte. Schwäbisch Hall musste einen Sparkurs einschlagen, die Zahl der Mitarbeiter im Inland sank 2016 um knapp fünf Prozent auf rund 7000.

Bei anderen Kassen sieht es ähnlich aus - die Postbank-Tochter BHW bildete schon 2015 ebenfalls hohe Rückstellungen und setzte auf Einsparungen. Bei der Beschreibung der Einschnitte vermeiden Branchenvertreter negative Wörter. Man werde künftig "entlang der Wertschöpfungskette effizienter aufgestellt sein", sagt ein BHW-Sprecher. Andere Kassen wie wollen gar nichts sagen.

Zugegeben: Personalabbau und Sparmaßnahmen bei vielen Instituten liegen auch am Trend zur Digitalisierung, der die ganze Finanzbranche erfasst hat. Weil die Kundenbedürfnisse sich verschieben, wird beim Personal angepasst und frei werdende Mittel werden in die Digitalisierung gesteckt. Durch das Zinsumfeld ist der Kostendruck bei Bausparkassen aber besonders hoch.

Was ist der Kern des Problems? Branchenvertreter nennen unisono einen Namen: Mario Draghi. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hat dem Euroraum seit Jahren Niedrigzinsen verordnet, die das Geschäftsmodell Bausparen aus Expertensicht aushöhlen. In dem Modell bringen Sparer zunächst ihr Geld zu den Kassen, um später einen billigen Kredit zu bekommen. Den aber gibt es in der Niedrigzinsphase ohnehin - als konventionellen Kredit außerhalb des Bausparmodells.

Also verzichten Bausparer darauf, ihr Darlehen-Abrufrecht zu nutzen. Nur jeder zehnte Schwäbisch-Hall-Kunde, dessen Bausparvertrag 2016 zuteilungsreif wurde, rief ihn ab. Das verdeutlicht: Es ist Sand im Getriebe des Bausparmodells. Die EZB-Nullzinspolitik wirke als "Motivationsbremse für langfristig angelegtes, regelmäßiges Sparen", so der Chef des Verbands der Privaten Bausparkassen, Andreas Zehnder.

Die Perspektiven für die Kassen sind düster. "Wir brauchen dringend eine Zinserhöhung, sonst wird die deutsche Bankenbranche inklusive Bausparkassen destabilisiert", sagt der Bankenexperte Hans Peter Burghof von der Universität Hohenheim. Die Zinsproblematik sei pures Gift für die Kassen. Beim Bauspar-Neugeschäft vermelden die Kassen ein dickes Minus - bei Schwäbisch Hall sank dieses Volumen 2016 um 16,6 Prozent, auf 29,2 Milliarden Euro.