Was Sportstudenten beim "Inklusionstag" lernen sollen

Beim "Inklusionstag" am Heidelberger Institut für Sportwissenschaft probierten Studenten sich in Rollstuhlbasketball, Sitzvolleyball, Blindenfußball und Rollstuhlrugby.

23.08.2016 UPDATE: 24.08.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden

Sport aus einer völlig neuen Perspektive lernten die Studenten beim Blindenfußball oder beim Rollstuhlbasketball kennen. Fotos: privat

Von Christoph Ziemer

Heidelberg. Bei einem Sportstudium kann man so einiges erfahren. Anatomische Grundkenntnisse werden vermittelt, man lernt etwas über Bewegungs- und Trainingswissenschaft und Sportpsychologie. Relativ selten erfährt man aber, wie ein körperlich behinderter Sportler seinen Alltag meistert. Am Institut für Sportwissenschaft (ISSW) dagegen schon. Für einen Tag durften Sportstudenten der Pädagogischen Hochschule für ein paar Stunden ausprobieren, wie es sich anfühlt, im Rollstuhl Basketball zu spielen oder mit verbundenen Augen zu kicken - in Form eines Inklusionssporttages, den die PH gemeinsam mit dem ISSW organisiert.

"Die Sportstudenten sollen sehen, was körperlich Behinderte alles leisten, das bringt ihnen für später für ihre Arbeit in der Schule oder den Vereinen unheimlich viel", ist sicher Timo Vollenkemper sicher. Der 25-Jährige aus Rheda-Wiedenbrück bei Bielefeld studiert selbst seit zwei Jahren Sportwissenschaft in Heidelberg, den Aktionstag hat er gemeinsam mit sechs Kommilitonen auf die Beine gestellt. Anfangs sei man schon etwas skeptisch gewesen, ob sich auch genug Studenten für den Workshop anmelden würden, berichtet Vollenkemper: "Jetzt haben wir aber über 80 Teilnehmer. Dass es so viele werden, haben wir nicht gedacht."

Rollstuhlbasketball, Blindenfußball, Sitzvolleyball und Rollstuhlrugby stehen auf dem Programm. Jeder Student wählt zwei Sportarten, die er in jeweils zwei Stunden langen Workshops ausprobieren darf. Experten erklären den Studierenden von PH und ISSW die Feinheiten und Tücken der Disziplinen - dann dürfen die angehenden Sportwissenschaftler endlich praktische Erfahrung sammeln. Viele entscheiden sich für Rollstuhlbasketball. Anfangs sei das Gefühl, in dem engen Gefährt zu sitzen, doch etwas ungewohnt gewesen, berichtet Ron. Der 24-Jährige aus Reutlingen ist im vierten Semester, er möchte später einmal ein eigenes Café eröffnen. Sein Sportstudium sei für ihn eine Art Absicherung. Unheimlich anspruchsvoll sei es, im Rollstuhl dem Basketball hinterherzujagen: "Aber du lernst diesen Sport aus einer völlig anderen Perspektive kennen. Am Anfang bist du ziemlich hilflos mit der Lenkung und hast keine Ahnung. Ich bin überrascht, wie schnell und technisch anspruchsvoll es hier zur Sache geht." In seiner Freizeit trainiert Ron selbst eine Fitnessgruppe, Basketball hat er schon im Verein gespielt. Er könne sich gut vorstellen, einfach zum Spaß weiterhin im Rollstuhl zu spielen: "Es ist eine ganz neue Perspektive, macht unheimlich Spaß - und schont dazu noch die Knie."

Mit Christian Gumpert ist der baden-württembergische Landestrainer vor Ort, die Gruppe lauscht den Ausführungen des Rollstuhlbasketballers. Er sei sehr zufrieden mit der Truppe, sagt Gumpert: "Alle sind sehr lernwillig und stellen viele Fragen. Die Koordination ist am Anfang nicht sehr einfach, weil sie eben völlig anders ist als im Fußgängerbereich. Vor allem Schulter, Bauch, Bizeps und Trizeps werden beansprucht. Nach 30 Minuten Balltraining haben es aber alle ganz gut hinbekommen."

Zur Mittagspause gibt es Brezeln, Kuchen und Getränke, die Studenten sind bestens gelaunt. Larissa, die im vierten Semester Sport auf Grundschul-Lehramt studiert, berichtet, dass ihre Erwartungen übertroffen worden seien: "Ich finde es unheimlich interessant, wie man hier seinen Horizont erweitern kann. Ich hätte nie gedacht, wie eingeschränkt man ist, wenn man den Ball fangen will oder ständig am Rollstuhl kurbeln muss."

Simon (21) aus Wiesloch befindet sich ebenfalls im vierten Semester. Später möchte er einmal in die Leistungsdiagnostik oder Trainingswissenschaft gehen, in der Schule hat er schon einmal einen Tag lang Rollstuhlbasketball gespielt. "Einfach krass, wie dynamisch das ist, sobald du dich im Rollstuhl bewegst", findet Simon. "Erst wenn du es selbst spielst, spürst du die körperliche Anstrengung, die man so von außen gar nicht sieht."

Nach der Mittagspause spielt er Blindenfußball, wo die Teilnehmer mit verbundenen Augen dem Ball hinterherjagen: "Dort wird viel mit Signalen gearbeitet, ich lasse mich überraschen." Als der Ball dann rollt, grinsen die Teilnehmer durch ihre aufgesetzten Schlafmasken - denn den Ball treffen sie am Anfang kaum, obwohl dieser eine eingebaute Rassel hat. Spaß haben sie alle.

Es sei eine Überlegung wert, auch einmal Schulen oder Sportvereine anzuschreiben, findet Timo Vollenkemper. Der Organisator des Inklusionssporttages ist mit der Resonanz der Studenten zufrieden: "Das ist natürlich alles noch ausbaufähig, aber wir sind sehr zufrieden." Das ist auch der Student Ron, der in seiner Freizeit die Sportart "Mixed Material Arts" betreibt. Nur einen Nachteil habe der Rollstuhlbasketball dann doch gehabt: "Am Ende sind mir die Füße eingeschlafen."

Info: inklusionssporttag2016@web.de

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.