Warum Gisdol mit seiner Unterschrift zögert

Heute vor zwei Jahren begann die Ära des Hoffenheimer Cheftrainers gemeinsam mit Alexander Rosen - "MG" ist in Leipzig und beim HSV auf dem Radarschirm

01.04.2015 UPDATE: 02.04.2015 06:00 Uhr 3 Minuten, 12 Sekunden

Kennen sich bestens: Alexander Rosen (v.l.), Markus Gisdol und Bernhard Peters, der im Sommer 2014 zum HSV wechselte. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Nachdem TSG-Cheftrainer Markus Gisdol gemeinsam mit dem damaligen Leiter Profifußball Alexander Rosen am 2. April 2013, also exakt heute vor zwei Jahren, die Amtsgeschäfte beim Bundesligisten im Kraichgau übernommen hatten, sagte der Schwabe aus Geislingen im ersten großen Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung drei entscheidende Sätze. "Ich bin als Trainer kein Fußballabrufer, sondern ein Fußballentwickler." Und: "Wir werden uns in Hoffenheim alle besinnen und wieder grundlegend auf unsere Tugenden Wert legen." Und: "Wir werden uns nicht über Sprüche definieren, sondern über den Fußball."

Es klang wie ein Versprechen, ohne dass sich der Hauptverantwortliche für den sportlichen Kurs zu weit aus dem Fenster lehnen wollte.

Dazu bestand in der Tat keinerlei Grund: "Hoffe" dümpelte 2012/13 nach dem 27. Spieltag auf dem vorletzten Platz herum (mit 20 Punkten und 30:52 Toren), hinter dem FC Augsburg (24), Fortuna Düsseldorf (29), Werder Bremen (31) - und vor der SpVgg Greuther Fürth (15).

"In guten Gesprächen"

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Zwei Spielzeiten später sind 26 Spieltage absolviert - und die TSG 1899 steht als Siebter (37) auf Tuchfühlung zu den internationalen Plätzen, hinter dem FC Augsburg (38) und dem FC Schalke 04 (39). Es ist Gisdols und Rosens größter Verdienst, den Rettungsschirm nach der unheilschwangeren Kurz-Arbeit und dem irritierenden Müller-Intermezzo tatsächlich gespannt zu haben. Noch mehr: Das Duo hat den Verein nach dem "Wunder von Dortmund" in ruhige Fahrwasser geführt. Neunter 2013/14 und ein verrücktes Torverhältnis (72:70) - die "Wundertüte Hoffe" garantierte Spektakel.

Vor zwei Wochen freilich war es der Trainer selbst, der zum Stand der Vertragsverhandlungen sagte: "Momentan ist keine Lösung in Sicht." Dies heizte die Spekulationen an. Auf ausdrückliche Nachfrage meinte Gisdol nur, er wolle keine weiteren Schlagzeilen produzieren. Zudem löste eine Meldung über das weit verzweigte Kanalsystem des Boulevards Ärger in Hoffenheim aus. Es wurde lanciert, dass Gisdol, dessen Arbeitspapier ohnehin erst 2016 ausläuft, Gehaltsvorstellungen eines Champions-League-Trainers habe. Sogar eine Summe wurde genannt: Gisdol habe zwei Millionen Euro Salär pro Jahr gefordert. Woraufhin Gisdol-Berater Ingo Haspel reagierte: "Das kommentiere ich nicht."

Nach RNZ-Informationen ist neue Bewegung in die Sache reingekommen. In Hoffenheim, aber auch beim Hamburger SV und bei RB Leipzig. Im Norden und Osten wird jeweils Thomas Tuchel gehandelt - allerdings auch Gisdol. Denn es wäre naiv zu glauben, dass Profivereine beim Millionenspiel keinen Plan B, C oder D in der Tasche hätten. Dass Leipzig Sportdirektor Ralf Rangnick den Namen von Gisdol in den Ring warf, mag irgendwo zwischen vorhandenem Interesse und strategischem Manöver angesiedelt sein. Gisdol ist unterdessen längst kein "Rangnick-Assistent" mehr. Der frühere Einfluss von Gisdols Mentor Helmut Groß oder auch Rangnick ist unstrittig, doch der 45-jährige, ehemalige Groß- und Außenhandelskaufmann hat seinen eigenen Kopf und klare Zielvorstellungen. Er hat sein Durchsetzungsvermögen beweisen: Siehe die mutige Einführung der Trainingsgruppe zwei, Gisdol und Rosen haben hierbei den Stall mit zuweilen 47 Profis (!) ausgemistet. Und sie haben es hingekriegt, dass im kommenden Sommer kein einziger Vertrag bei den Spielern ausläuft, was dem Klub Handlungsspielräume eröffnet.

Als einer der größten Gisdol-Befürworter galt seinerzeit bei "Hoffe" Bernhard Peters. Aus dem Umfeld des HSV erhielt die RNZ den Hinweis, dass es in jüngster Zeit Kontakt zwischen den Hanseaten und Gisdol gegeben haben soll. Das ist naheliegend: HSV-Sportdirektor Peters und Gisdol schätzen sich gegenseitig. Peters’ Wechsel zum 1. August 2014 ordnete Gisdol so ein: "Für uns als Verein ist es wirklich ein großer Verlust."

"Hoffes" Trainer gilt als ehrgeizig bis erfolgsbesessen. Der Mann, der schon als Kind für Schalke 04 schwärmte, wird wohl zu einem Traditionsklub wie Schalke, Gladbach, Dortmund oder Hamburg wechseln, sofern das Paket stimmt und die Zeit dafür reif ist. Simpler Grund: Dort wird Fußball gelebt, ist gar Religionsersatz! Noch ist Hoffenheim erste Wahl und erster Ansprechpartner. "Klar ist meine Zielrichtung, dass ich als Trainer immer gerne langfristig arbeite, langfristig denke und gerne ein Team und einzelne Spieler entwickle. Da sind wir zur Zeit in guten Gesprächen", so Gisdols Grundeinstellung, "für mich ist es sehr wichtig zu wissen, was in der Zukunft passiert. Ich würde gerne die Entwicklung der Mannschaft weiter vorantreiben."

Die Hoffenheimer lassen sich durch das Ballyhoo im Tagesgeschäft Profifußball nicht aus der Fassung bringen. Auf Anfrage sagte Geschäftsführer Peter Rettig gestern: "Unser Ziel war und ist eine langfristige Zusammenarbeit mit Markus. Die bisherigen Gespräche sind konstruktiv und ohne Zeitdruck erfolgt. Ich bin optimistisch, dass wir unser Ziel erreichen werden. Das war ich zu jeder Zeit." Manager-Rhetorik oder schlichtweg hohe Diplomatie?

Es zählt zu den Vereinsmaßgaben, über Vertragsangelegenheiten nicht zu sprechen. Gisdols defensive Haltung ist von daher nachvollziehbar. Er prüft momentan seinen Marktwert, er prüft die Perspektiven und sein Standing in Hoffenheim - das ist legitim. Deshalb zögert Gisdol mit seiner Signatur unter einen neuen Vertrag. Bundesliga-Trainer sind mitunter "kleine Herrgötter", sie wollen Wertschätzung, sportliche Erfolgsaussichten und Vertrauensleute um sich haben. Gisdols Bannstrahl traf zu Jahresbeginn Torwarttrainer Zsolt Petry, 48, stattdessen wurde Michael Rechner, 34, als Nachfolger installiert. Ein weiterer Mosaikstein: Rechner ist darüber hinaus mit der Koordination des Torwarttrainings in der 1899-Akademie betraut.

In den zwei Jahren der Ära Gisdol und Rosen ist viel passiert. Rosen hat bis 2018 verlängert - fehlt nur noch die Unterschrift des TSG-Cheftrainers ...

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