Warum 1899 Hoffenheim vor der Rettung steht, aber noch nicht feiern darf
Folgt für Hoffenheim auf die Partie die Party?

Trainer Julian Nagelsmann (links) und Manager Alexander Rosen sondieren die Lage am Spielfeldrand. Fotos: APF
Von Joachim Klaehn
Sinsheim. Die Party nach der Partie muss noch warten. Trotz einer Klettertour von Rang 18 auf Platz 13 ist der Klassenerhalt für den hiesigen Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim nicht gesichert. Hannover 96 wird "Hoffe" nicht mehr gefährden, Eintracht Frankfurt hat der Kraichgauklub in der Rückrunde überholt und inzwischen distanziert. Ergo geht es vornehmlich um den Relegationsplatz, auf dem realistischerweise in der Endabrechnung noch Köln, Darmstadt, Hamburg, Hoffenheim, Augsburg, Stuttgart, Bremen und Frankfurt landen können. Bei vier ausstehenden Spieltagen geht der knifflige Klassenkampf in die alles entscheidende Phase.
"Rechnereien bringen relativ wenig", sagte der optimistische TSG-Manager Alexander Rosen nach dem knappen, aber letztlich verdienten 2:1 (1:1) über Hertha BSC Berlin in den Stadionkatakomben, "wir machen in den letzten Spielen einfach mit der gleichen Bereitschaft und Zuversicht so weiter." Man braucht keine Hellseherei mit der Kristallkugel: Schafft es der Dorfverein am Sonntag (15.30 Uhr) bei Borussia Mönchengladbach, gegen den FC Ingolstadt, bei Hannover 96 und zum Saison-Kehraus am 14. Mai gegen Schalke 04 ähnlich kompakte Leistungen wie jüngst gegen den Hauptstadtklub zu zeigen, dann gelingt es zum zweiten Mal nach 2013, den Abstieg zu vermeiden - und diesmal ohne den Umweg über die Relegation.
Je früher die Rettung fest steht, desto besser wäre es für die nahe Zukunft. Wie sollen Vertragsmodalitäten entschieden werden, solange nicht definitiv klar ist, wohin die Reise geht?
Kaderplanungen hören im Bundesliga-Geschäft nie auf, unabhängig von den beiden Transferperioden im Sommer und Winter. Allrounder Tobias Strobl wechselt zur Saison 2016/17 an den Niederrhein nach Mönchengladbach. Außer bei ihm laufen die Verträge von Kai Herdling, Alexander Stolz, Jens Grahl, Kevin Kuranyi und Andrej Kramaric aus. Der 24-jährige Kroate ist vom Tabellenführer der Premier League, Leicester City, ausgeliehen.
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"Andrej ist ein Topspieler, das hat er im Offensivbereich gezeigt. Wir wollen ihn unbedingt halten", sagte Rosen am Wochenende und ließ keinen Zweifel daran, dass Kramaric in der vergangenen Winterpause exakt jenes Puzzleteil gewesen sei, das dem Ensemble gefehlt habe. Die Position des Managers, die zwischenzeitlich nach der Beurlaubung von Trainer Markus Gisdol sehr wacklig zu sein schien, ist wieder gestärkt.
Kramaric ist ein guter Griff, Mark Uth hat ebenfalls nach Anlaufschwierigkeiten eingeschlagen, Pavel Kaderabek und Fabian Schär gewöhnen sich zusehends ans rauere Bundesliga-Klima. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Im Duell gegen die "alte Dame" Hertha standen erstmals in der jungen Hoffenheimer Historie mit Niklas Süle, Jeremy Toljan, Philipp Ochs und Nadiem Amiri vier Talente aus der eigenen Akademie in der Startelf. "Das ist eine positive Randnotiz. Ein großer Schritt in kurzer Zeit - sehr, sehr erfreulich", lächelte Rosen. Es sei der "richtige Moment gekommen, um die Mannschaft zu loben. Viele der Jungs zeigen jetzt, was in ihnen steckt."
Sowohl Rosen als auch Julian Nagelsmann haben ihre TSG-Wurzeln im Nachwuchsleistungszentrum. Der eine als Ex-Leiter, der andere als Ex-Jugendcoach. Im Fall von Nagelsmann gibt es zwei interessante Statistiken aus seiner zweieinhalbjährigen U 19-Amtsperiode. Insgesamt 45 Mal ging er mit seinen Teams mit 1:0 in Führung (Bilanz 41 Siege, 3 Remis, 1 Niederlage), 29 Mal geriet er in Rückstand (0:1, 0:2, 1:2, 2:3) und drehte zu fast 50 Prozent (Bilanz 14-4-11) die Begegnungen komplett. Kein Zufall also, dass den "Nagelsmännern" dies auch auf Profi-Niveau gegen Mainz (3:2) und Berlin (2:1) gelang.
Die mehr und mehr entwickelte Gewinner-Mentalität ist zweifellos einer der Knackpunkte für den Aufschwung. TSG-Boss Dietmar Hopp zelebriert deshalb gerne das "Zickezacke" in der Kabine. "Ein gutes Zeichen", befand Torhüter Oliver Baumann, "aber er hat auch gesagt, dass wir noch nicht durch sind."
Fußnote: Hertha reagierte direkt nach dem Abpfiff wegen der Schmährufe im Twitter-Account: "Unser Präsident Werner Gegenbauer entschuldigt sich ausdrücklich für das Verhalten unserer Fans gegenüber Dietmar Hopp!" Immerhin eine Geste nach der heißen Partie.