Vor dem Spitzenspiel: Nagelsmann stellt sich forschen Schülerreportern

Vor dem Spitzenspiel der TSG 1899 Hoffenheim gegen Hertha BSC Berlin bekommt Julian Nagelsmann auch die launige Frage nach der deutschen Meisterschaft gestellt

28.10.2016 UPDATE: 29.10.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden

Letztes Kräftemessen: Hoffenheims Mark Uth köpfte am 16. April das entscheidende 2:1 gegen Herthas Torhüter Rune Jarstein. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Erfolg macht interessant. Magazine, Zeitungen, Fernsehsender, Onlineportale beschäftigen sich dieser Tage mit dem überraschenden Höhenflug der TSG 1899 Hoffenheim. Sogar Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge hat ein Auge auf die derzeitigen Verfolger des "roten Balletts" geworfen. "Das gefällt mir", sagte "Kalle" Rummenigge, "das ist doch sympathisch und Ausdruck davon, dass die Liga auch mal durcheinander gewirbelt werden kann." Was der Bayern-Boss ganz besonders goutiert: Hauptkonkurrent Borussia Dortmund ist "nur" Sechster, während RasenBallsport Leipzig, Hertha BSC Berlin, die TSG 1899 Hoffenheim und der 1. FC Köln unmittelbar hinter dem deutschen Rekordmeister aus der Isarmetropole rangieren.

Hoffenheim als Vierter empfängt am Sonntagnachmittag (15.30 Uhr/Sky) mit der "alten Dame" Hertha den Dritten. Also ein "Bundesliga-Spitzenspiel", wie TSG-Pressesprecher Holger Kliem freudig erregt die gestrige Pressekonferenz anmoderierte. Selten in jüngerer Vergangenheit war der Raum derart gefüllt gewesen. "Hoffe" räumte diesmal - außer den beruflichen Fragestellern - zwei Schülerreportern eine Plattform ein. Jugend forsch und Jugend forscht, TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann fand sichtlich Gefallen an den direkten Fragen von Rafael und Silas, die ansonsten um diese Uhrzeit aufmerksam den Unterricht in der vierten Klasse der Salierschule in Speyer verfolgen. Ob die TSG denn deutscher Meister werden könne, wurde Nagelsmann gelöchert. "Rein theoretisch ja. Von den Regeln her dürften wir das. Aber das wird schwer", sagte Nagelsmann schlagfertig und mit einem spitzbübischem Lächeln im Gesicht.

Die nicht auf den Mund gefallenen Knirpse, die einmal im Jahr ihre Schülerzeitung "Die Mini-Pfälzer" für 400 Leser herausbringen, hatten sich akribisch vorbereitet. Sie brachten Leben in die Bude und wurden vom Rhein-Neckar-Fernsehen gefilmt. "Ich hätte nicht erwartet, dass der Trainer Vertrauen in alle Spieler hat", räumte der schlaue Rafael ein, "Hoffenheim ist ein starker Verein und hat eine gut eingespielte Mannschaft."

So viel Zuneigung und Respekt, noch dazu aus Pfälzer Hemisphären, ist ein kleiner Indikator für die gestiegene Popularität. Es hängt mit der Leistung und Spielweise des aktuellen TSG-Teams zusammen, aber eben auch mit dem jüngsten Bundesliga-Coach aller Zeiten, der intuitiv (fast) alles richtig zu machen scheint. 39 Punkte hat Nagelsmann saisonübergreifend in 22 Spielen geholt, in elf Heimspielen seit Mitte Februar wurden 24 Zähler von der Kraichgau-Elf gesammelt - dies sind Werte eines Spitzenteams. Doch Nagelsmann relativierte gleich vorsorglich: "Rein tabellarisch und von den Ergebnissen her sind wir eine Spitzenmannschaft - vom Entwicklungsstand aber noch nicht. Es geht darum, die Leistung über mehrere Monate und dann Jahre abzurufen."

Von Vergleichen zu Ralf Rangnicks Hinserie mit Hoffenheim 2008/2009 hält er nichts, wenngleich seine Jungs mit einem neuerlichen Erfolgserlebnis über die Herthaner den damaligen Vereinsrekord unter Rangnick mit fünf Siegen in Serie einstellen könnten. "Erstens bringt das wenig, zweitens sind das total unterschiedliche Teams. Es ist nicht so, dass ich die Spiele der damaligen Mannschaft ansehe und schaue, was die besser gemacht haben", so Nagelsmann.

Er weiß haargenau: Pal Dardais Schützlinge sind schwer zu bezwingen. "Hoffe" braucht über 90 Minuten eine hohe Konzentrationsfähigkeit ohne Aussetzer. "Sie haben eine ähnliche Spielanlage wie Köln, auch da steckt ein sehr guter Plan dahinter", analysierte Nagelsmann den Kontrahenten aus Berlin, der einen Schritt weiter sei und "noch konstanter" auftrete.

Einen Protagonisten braucht der TSG-Coach gewiss nicht zu motivieren: Stürmer Sandro Wagner (28). Dessen Jahre bei Hertha (2012 - 2015) waren nämlich keine Erfolgsstory. Im Gegenteil: Pal Dardai sortierte ihn aus, ließ Wagner abseits des Teamtrainings auf ein leeres Tor "ballern". Das Mittelstürmer-Duell zwischen Wagner und Ex-TSGler Vedad Ibisevic (32) könnte morgen durchaus das Zünglein an der Waage sein.

Die beiden Schülerreporter Rafael und Silas verließen gestern glücklich das Trainingszentrum in Zuzenhausen. Nagelsmann mag wissbegierige Profis und neugierige Pennäler. "Die Grundeinstellung meines Teams erleichtert die Lernatmosphäre", lobte Nagelsmann den Charakter seines aufstrebenden Kollektivs. Ein solcher Satz hätte auch von einer Pädagogin oder einem Pädagogen stammen können. Vor der Bewährungsprobe einer Klassenarbeit ...

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