Nagelsmanns genialer Schachzug gegen Augsburg

1899 Hoffenheim siegt 2:0 in Augsburg und beendet die Hinrunde ungeschlagen - Trainer als Taktik-Fuchs und Tor-Prophet

22.01.2017 UPDATE: 23.01.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 8 Sekunden

Endlich wieder zur Stelle: Andrej Kramaric trifft nach fast 600 Minuten ohne Torerfolg zum 2:0 der Hoffenheimer. FCA-Torwart Marwin Hitz ist chancenlos. Foto: APF

Von Achim Wittich

Augsburg. Seit 2009, einem 2:0 gegen Energie Cottbus, hatte 1899 Hoffenheim kein Auftaktspiel des neuen Jahres in der Fußball-Bundesliga mehr gewonnen. Doch unter der sportlichen Regie von Julian Nagelsmann (29) ist bei den Kraichgauern alles anders geworden. Der 2:0 (0:0)-Sieg am bitterkalten Samstagnachmittag bei den bemühten, aber limitierten Augsburgern bedeutete zum Abschluss der Hinrunde den siebten Sieg bei zehn Remis. "Hoffe" bleibt als einziges Team der europäischen Topligen weiter ungeschlagen und rückte bereits auf Rang drei nach vorne - am kommenden Wochenende heißt nun das Verfolgerduell der Bayern nicht etwa Dortmund gegen Schalke, sondern Leipzig gegen Hoffenheim. In Deutschlands Elite-klasse weht ein frischer Wind. Gut so.

Hintergrund

So spielten sie:

Baumann: Hatte Zeit, sich mit einem zweiten Ball die Finger warm zu halten. Klasse-Parade kurz vor Schluss. Sicher wie die Bank von England.

Zuber: Der Schweizer hinten rechts. Ließ nach einer

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So spielten sie:

Baumann: Hatte Zeit, sich mit einem zweiten Ball die Finger warm zu halten. Klasse-Parade kurz vor Schluss. Sicher wie die Bank von England.

Zuber: Der Schweizer hinten rechts. Ließ nach einer halben Stunden den ersten Hoffenheimer Knaller los. Das war in Ordnung.

Süle: Die Bayern wissen nur zu gut, warum sie ihn holen. Immer verlässlich, auch wenn diesmal nicht überragend.

Vogt: Stark auf dem Platz. Sympathisch in der Interviewzone. Eine großer Gewinn für "Hoffe".

Hübner: Erhielt Sonderlob vom Trainer. Als Linksfuß in der Dreier-Abwehrkette unverzichtbar.

Ochs: Musste zur Pause raus. Zum Glück für ihn. "Ich habe ihn schützen wollen und ihm gesagt: ,Vergiss das Spiel‘", meinte Nagelsmann.

Rudy: Der zweite zukünftige Bayer spielt mittlerweile auf konstant hohem Niveau. Denker und Lenker. Hört Alonso in München nicht auf, muss sich der Spanier warm anziehen.

Demirbay: Unauffälliger als Nebenmann Amiri. Aber nicht schwach.

Amiri: Passgeber zum 0:1. Viele Ideen. Da darf auch mal ein Fehler passieren.

Uth: Vorne in Halbzeit eins schwach. Danach hinten viel besser und Flankengeber zum zweiten Tor.

Wagner: Zehntes Saisontor. Noch Fragen? Selbstbewusst wie eh und je im Fernseh-Interview (siehe unten). Ein Stürmer für den Bundes-Jogi.

Kramaric: Erlösender Torjubel. Alles gut.

Schär: Eingewechselt und sah die gelbe Karte. Im Moment nicht erste Wahl.

Polanski: Nur ein Kurzeinsatz. awi

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Doch trotz der Fortdauer ihrer Serie setzt Nagelsmann nicht die rosarote Brille auf. "Wir sind in den ersten 25 Minuten nicht gut ins Spiel gekommen. Es war viel Kampf und hat ein bisschen gedauert, bis bei diesen Temperaturen das Blut ins Fließen gekommen ist", brachte "Hoffes" Trainer das Geschehen mit fünf gelben Karten in der ersten Hälfte genau auf den Punkt. Seine Profis ließen zwar keine Großtaten der Fuggerstädter zu, aber so richtig die Puppen tanzen ließen sie auch nicht. Die nur 24.515 tapferen Tribünenbesucher - ein Minusrekord in der WWK Arena - hatten mehr damit zu tun, sich irgendwie warm zu halten, als dass sie sich am Geschehen auf dem silbrig glänzenden Rasen erfreuen konnten.

Nagelsmann aber macht derzeit einfach alles perfekt, trifft die richtigen taktischen Entscheidungen und findet die passende Ansprache für seine Jungs. In der Halbzeitpause forderte er vehement mehr Mut ein ("Ich habe verbal geäußert, dass ich mir mehr Risiko wünsche") und ersetzte den indisponierten Philipp Ochs auf der linken Außenverteidigerposition durch Stürmer (!) Mark Uth. Ein genauso frecher wie genialer Schachzug. Und nicht genug damit: Kurz vor dem Wiederanpfiff sprach er noch einmal mit Einwechselspieler Andrej Kramaric. "Du machst heute ein Tor", sagte Nagelsmann zum Kroaten, der zuvor seit 596 Minuten nicht mehr getroffen hatte. "Ich hoffe", antwortete der zuletzt glücklose Torjäger. Die Antwort von Nagelsmann: "Brauchst du nicht. Du machst eins."

Knapp zwanzig Minuten später war es dann soweit. Kramaric, erzielte das vorentscheidende 0:2 (64. Minute) für eine Hoffenheimer Mannschaft, die sich durch eine überragende Geschlossenheit auszeichnet - und die in Sandro Wagner erneut den "Dosenöffner" des Tages mit an Bord hatte. Der ehemalige Darmstädter war in der 47. Minute energisch wie immer zur Stelle und beförderte den Ball bereits zum zehnten Mal in dieser Saison ins gegnerische Netz. Übrigens: Die Abseitsposition, die Augsburgs Coach Manuel Baum in der Entstehung des 0:2 Wagner attestierte, ist allenfalls als eine "Kann-Entscheidung" einzuordnen.

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Auch TSG-Sportdirekor Alexander Rosen, ein gebürtiger Augsburger, war vom Nagelsmann-Schachzug begeistert. "Es ist schon ungewöhnlich, einen Stürmer von rechts vorne nach links hinten zu ziehen." Der Hochgelobte blieb gewohnt gelassen. "Das habe ich in der vergangenen Rückrunde beim Spiel in Gladbach schon einmal gemacht." Punkt. Aus. Fertig.

Nagelsmann versprüht eine ungewöhnliche Lockerheit, ohne dabei allzu flapsig rüberzukommen. Ein echter Glücksfall für 1899. Nicht nur der Boulevard ist mittlerweile gar so begeistert vom jüngsten Erstliga-Trainer, dass er ihn bereits als zukünftigen Bayern-Coach ab 2019 prognostiziert ...

Nagelsmann interessiert das derzeit noch herzlich wenig. Sein Blick schweifte in der kleinen lokalen Presserunde im Bauch der Arena bereits nach Leipzig: "Dort wird ein großes Niveau gefragt sein und wir werden schneller ins Spiel kommen müssen." Für eine weitere Großtat sind er und seine kickenden Profis jedoch bestens gerüstet.

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