Kein Versteckspiel mehr: Wie sich Sebastian Rudy durchsetzen will

Hoffenheims Nationalspieler Sebastian Rudy ist davon überzeugt, sich ab der kommenden Saison auch beim FC Bayern durchzusetzen

03.03.2017 UPDATE: 04.03.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden

TSG-Kapitän Sebastian Rudy: "Ich will immer anspielbar sein." Foto: APF

Von Tobias Schächter

Zuzenhausen. Ein Tor? "Es ist nicht so wichtig, wer die Tore schießt", sagt Sebastian Rudy. Vergangenen Samstag traf der Mittelfeldspieler der TSG Hoffenheim zum ersten Mal in dieser Saison, es war ein wichtiger Treffer, das 1:1 kurz vor Abpfiff der Partie beim FC Schalke 04. An diesem Samstag (15.30 Uhr) wird Sebastian Rudy gegen den FC Ingolstadt zum 201. Mal für die TSG in der Bundesliga auflaufen, die 90 Minuten sollen ein weiterer Meilenstein auf jenem Weg werden, der die TSG erstmals ins internationale Geschäft bringen soll - vielleicht sogar in die Champions-League. Es wäre genau der Abschied, den sich Rudy wünscht, wenn er wie Innenverteidiger Niklas Süle im Sommer zum FC Bayern wechseln wird. Rudy, so scheint es, wird auf diesem Weg immer besser.

"Jetzt-erst-recht-Gefühl"

Wer die immer stärkeren Leistungen des 27-Jährigen in dieser Saison verstehen will, muss in den Sommer 2016 zurückblenden. Bundestrainer Joachim Löw hatte Rudy damals aus dem endgültigen Kader der Nationalmannschaft für die EM in Frankreich gestrichen. Die "größte Enttäuschung" seiner Laufbahn, nennt Rudy diese Ausbootung. Die ersten beiden Wochen der EM zuhause vor dem Fernsehen sei er sehr "traurig" gewesen, erinnert er sich. Aber dann sei er in Urlaub gefahren und frisch motiviert in die neue Saison gestartet, Rudy sagt: "Diese Nichtnominierung löste ein Jetzt- erst-recht-Gefühl bei mir aus. Das war ein Knackpunkt, ich habe mir gesagt: Da will ich unbedingt wieder hin."

Knapp acht Monate später darf man sagen: Sebastian Rudy ist an diesem Rückschlag nicht verzweifelt, sondern gewachsen: Im November spielte er schon wieder für Deutschland gegen Italien, zum Jahresende 2016 wurde sein Wechsel zu Rekordmeister FC Bayern bekannt und mit der TSG Hoffenheim segelt er auf Champions-League-Kurs. Und Rudy steht symbolisch für den Wandel der TSG von einem zaudernden Abstiegskandidaten in eine energische Spitzenelf. Aus einer Elf, die auf ihr Glück wartet, ist in nur einem Jahr unter dem Trainer Julian Nagelsmann eine geworden, die ihr Glück sucht - und aus dem scheinbar ewigen Talent Sebastian Rudy ein Anführer. Nagelsmann sagt: "Sebastian findet immer mehr sein Entscheider-Gen."

Nach seiner Ausbildung beim VfB Stuttgart hat der schmächtige Junge mit der großen spielerischen Veranlagung in Hoffenheim fast sieben Jahre gebraucht, um endlich jener dominante Spieler zu werden, der er in dieser Runde ist. Unumstritten ist er auf seiner Lieblingsposition im zentralen Mittelfeld gesetzt, hat die Routiniers Eugen Polanski und Pirmin Schwegler verdrängt und führt die Elf deshalb meistens als Kapitän auf den Platz. "Ich denke, dass ihm auch das Kraft gibt", sagt Nagelsmann: "Er weiß, dass ich ihm vertraue."

Früher versteckte sich Rudy, wenn es um alles ging, nun sucht er die Verantwortung auch in schwierigen Situationen, er sagt: "Ich will immer anspielbar sein." Ein Lautsprecher ist der Fußballer mit dem Teenager-Blick nicht, aber er hat gelernt, sich auf seine Art Respekt zu verschaffen. Regelmäßig in den Kraftraum geht er nicht, um Muskeln aufzubauen, sondern um Stabilität zu gewinnen. Das helfe ihm, erzählt er, geschickt in die Zweikämpfe gehen zu können und diese auch ohne Körperkontakt zu gewinnen. "Sebastian hat gemerkt, dass er Spiele nicht nur ballsicher lenken und gestalten, sondern sie auch entscheiden kann", sagt Nagelsmann.

Ab Sommer nimmt Rudy den viel härteren Konkurrenzkampf in München an. Selbstbewusst. "Ich würde den Schritt nicht wagen, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, mich durchzusetzen", betont Rudy, der einen Dreijahresvertrag bei den Bayern unterschrieb: "Ich denke, dass noch viel mehr in mir steckt, ich will meine Grenzen ausloten." Zum Nationalspieler ist der Techniker als rechter Verteidiger geworden, weil ihn der einstige TSG-Trainer Markus Gisdol auf dieser Position einsetzte. In München will er auf der Sechs reüssieren. Aber wenn es für die Mannschaft gut sei, spiele er auch rechts hinten, sagt er, so wie in der Schlussphase auf Schalke.

Aus Sebastian Rudy ist ein reifer Sportler geworden, der sich hohe Ziele setzt. Als seine Karriere zu stagnieren schien, hat er sich nach acht Jahren von seinem langjährigen Berater getrennt und wird nun vom ehemaligen Bayern-Manager Christian Nerlinger betreut. "Es war nach schönen Jahren an der Zeit, etwas zu ändern. Mein Vater ist immer noch dabei", sagt Rudy. "Wenn wir nicht nachlassen, können wir viel erreichen", glaubt er. Wer hätte im Sommer 2016 gedacht, dass dieser elegante Fußballer einen so erfolgreichen Trotz entwickelt?

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