Hoffenheims Trainer Nagelsmann hat ein Händchen für Joker

Julian Nagelsmann wechselt mit Andrej Kramaric bei der 2:0-Schwerstmaloche gegen Darmstadt 98 den Doppeltorschützen ein

19.02.2017 UPDATE: 20.02.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden

Endgültige Entscheidung: Hoffenheims Andrej Kramaric (2.v.l) verwandelt den Strafstoß zum 2:0 gegen Darmstadts Torhüter Michael Esser halbhoch in die Mitte. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Manchmal scheint es so, als gäbe es bei der TSG 1899 Hoffenheim bislang drei entscheidende Epochen, seit der Provinzklub 2008 in die Bundesliga aufgestiegen ist. Die unter Architekt Ralf Rangnick, die unter Retter Markus Gisdol und die unter "Wunderkind" Julian Nagelsmann. Fast alles, was der 29-Jährige rund ums Rasenrechteck fachmännisch anpflanzt, wächst und gedeiht. "Ich glaube, dass wir eine Entwicklung genommen haben. Früher hatten wir den Ruf, Kraichgau-Brasilianer zu sein. Ich kann nur sagen, wir spielen inzwischen recht ordentlichen Fußball", sagte Nagelsmann nach der Schwerstmaloche gegen Schlusslicht SV Darmstadt 98.

"Ordentlich" ist die Umschreibung für erfolgreich und einigermaßen stabil. Gepaart mit einer Portion Selbstbewusstsein kann dies den Unterschied ausmachen, gerade nach Partien, die nicht unbedingt im Erinnerungsalbum landen werden, sondern hinter denen Fußballprofis in aller Regel flott einen Haken setzen. Hauptsache gewonnen, so ließ sich am frühen Samstagabend der allgemeine Tenor nach dem 2:0 (0:0) der Hoffenheimer gegen die "Lilien" zusammenfassen. Oder wie es Mehrheitsgesellschafter Dietmar Hopp im Vorbeilaufen kurz und treffend ausdrückte: "Schweres Spiel, schöner Sieg!"

In der Tat: Im vierten Aufeinandertreffen mit den engagierten Südhessen gab’s den ersten Dreier - und en passant wurde mit elf ungeschlagenen Spielen hintereinander vor eigenem Publikum ein neuer Vereinsrekord aufgestellt. Für Statistikliebhaber sei hinzugefügt: "Hoffe" hat 2016/17 nach 21 Spieltagen bereits einen Punkt mehr ergattert, nämlich 37, als in der vergangenen Zittersaison (36). Rein mathematisch werden bis Mai ja noch 39 Zähler vergeben …

"Wir haben die Qualität, um oben dabei zu bleiben", meinte TSG-Abwehrhüne Niklas Süle im Stadionbauch. Kein Widerspruch: Die Hoffenheimer verfügen über ein Mehr an Präsenz, Ballbesitz und innerer Ruhe. Dies zahlt sich in kniffligen Duellen wie gegen Darmstadt aus. Anders ausgedrückt: Schlechte Spiele zu gewinnen, gehört ebenfalls zum Tugendrepertoire eines funktionierenden Kollektivs.

Nach einem kuriosen, furiosen Auftakt vor 29.013 Zuschauern in der Rhein-Neckar-Arena mit Topchancen für Heller (6.) und Wagner (8.) verflachte die nicklige Begegnung. "Hoffe" mangelte es an Tempo, zündenden Ideen und Flügelspiel, um den kompakten Abwehrriegel der Darmstädter zu knacken. Erwähnenswert lediglich noch der 22-Meter-Schuss von Amiri (24.), ansonsten bekamen die jeweils gesangsfreudigen Fangruppen Magerkost geboten. Die Frings-Schützlinge machten es geschickt: Sie standen dicht gestaffelt und ließen die Hausherren bis auf eine imaginäre 30-Meter-Marke vor ihr Gehäuse kommen.

Erst mit der Hereinnahme von "Mister Elan" Andrej Kramaric änderte sich der zähe Spielfilm grundlegend. Der Kroate sollte zum Matchwinner avancieren. Das 1:0 (64.) war exzellent von Kaderabek und "Straßenkicker" Terrazzino vorbereitet worden, das 2:0 (90.+3) resultierte aus einem klaren Foulelfmeter (Altintop hatte Rudy gelegt), den Techniker Kramaric frech verwandelte. "Es war nicht leicht heute", sagte der zweifache Torschütze hinterher, "wir können zweifellos wesentlich besser spielen."

Die Geschichte hinter der Geschichte ist die: Seit der Amtsübernahme von Nagelsmann am 11. Februar 2016 durften "Hoffes" Jokertore Nummer 15 und 16 notiert werden. In dieser Saison sind es bereits deren elf - Ligabestwert! Das goldene Händchen oder Näschen von Nagelsmann könnte den Weg ins internationale Geschäft weisen. Nagelsmanns pragmatischer Ansatzpunkt: "Ich bin überzeugt davon, dass der Wechselzeitpunkt eine entscheidende Rolle spielt."

Dadurch verspricht sich der TSG-Trainer, die Charakteristik der jeweiligen Dramaturgie massiver beeinflussen und verändern zu können. Bei einem breiten, ausgeglichenen Kader ein kluger Schachzug. Jeder kann somit seinen Teil zum "Gesamtkunstwerk" beitragen, Ausfälle wie die von Hübner, Uth, Schär, Toljan und Rupp werden dadurch ohne Kollateralschäden kompensiert.

Wenn Hoffenheim unbeirrt den eingeschlagenen Kurs fortsetzt, spricht nichts gegen Europa. Nach Aufstieg, Herbstmeistersaft, zweimaligem Fast-Abstieg und viel Tamtam rund um den Ausbildungsverein könnte eine neue Epoche beginnen. Noch regiert der Konjunktiv. Manager Alexander Rosen vorausschauend: "Es wäre eine neue Situation für uns. Wir beabsichtigen aber nicht, die Gruppe elementar zu verändern." Wagner und Amiri sollen unbedingt bei der TSG gehalten werden, auch dieses Signal wurde nach einem 2:0-Arbeitssieg ausgesendet. Rosen sprach metaphorisch von "offenen Türen bei Julian", auf die sich das Ensemble unter ihrem jungen Dirigenten verlassen könne.

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