Hoffenheim klettert die Tabelle ohne Hurra-Fußball empor

Mit dem 2:1 gegen den Sportclub Freiburg setzt die TSG ihre Erfolgsserie fort - Nagelsmann: "Die Tabelle ist mir piepegal"

16.10.2016 UPDATE: 17.10.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden

Brutale Entscheidung: SC-Torhüter Alexander Schwolow (l.) ist bedient. Andrej Kramaric (3.v.r.) dreht jubelnd nach dem Elfer ab. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Mitunter genügt es, den Kontrahenten zu entscheidenden Fehlern zu zwingen. Dies und ein bisschen mehr gelang Bundesligist TSG 1899 Hoffenheim im badischen Duell mit dem SC Freiburg. Schon im Vorfeld kam es zu Debatten über Aggressivität und Fouls, die wiederum zu Aufregern, Irritationen und Missverständnissen führten. Der Sportclub Freiburg sprach von einer Kampagne - und fühlte sich auf Grund der Dramaturgie am Wochenende bestätigt. Rein sportlich und rational betrachtet war es freilich kein hitziges und erst recht kein überhartes Bundesliga-Match, sondern ein von Taktik maßgeblich geprägtes Kräftemessen, das "Hoffe" glücklich, aber nicht unverdient mit 2:1 (1:0) vor 28.540 Zuschauern in der Rhein-Neckar-Arena für sich entschied.

Hintergrund

Einzelkritik

Baumann: Toller Reflex beim Lupfer von Philipp - und auch beim strammen Schuss von Niederlechner. Auf dem Posten, wenn es brannte.

Süle: Seltener als sonst geprüft. Gutes Aufbauspiel von

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Einzelkritik

Baumann: Toller Reflex beim Lupfer von Philipp - und auch beim strammen Schuss von Niederlechner. Auf dem Posten, wenn es brannte.

Süle: Seltener als sonst geprüft. Gutes Aufbauspiel von hinten.

Vogt: Mister Zuverlässig in der zentralen Abwehrposition. Kratzte den Ball gedankenschnell von der Linie (76.). Die größte Tat des Ex-Kölners.

Hübner: Nicht so im Vordergrund wie zuletzt in Ingolstadt, doch im Verbund mit Süle und Vogt wie eine Wand.

Toljan: Sehr wenig Akzente und einige Unsicherheiten. Der Schwächste.

Rudy: Giftiger Zweikämpfer. Holte den umstrittenen Elfer raus. "Ich kriege einen Check gegen den Kopf", sagte er.

Demirbay: Bei Standards auffällig. Energisches Solo (50.). Diesmal eine durchschnittliche Vorstellung.

Rupp: Viel unterwegs. Ein Abschluss (32.), den Schwolow entschärfte.

Kaderabek: Nutzte immer mal wieder seine Freiheiten auf dem linken Flügel. In der Defensive solide.

Kramaric: Aktivposten. Will manchmal zu viel. Frecher Strafstoß des Kroaten zum umjubelten 2:1-Siegtreffer.

Wagner: Ständiger Gefahrenherd für den SC. Immer im Getümmel. Das 1:0 aus spitzem Winkel machte er prima.

Polanski: Ersetzte Rupp in der turbulenten Schlussviertelstunde.

Amiri: Rein - und munter drauflos.

Bicakcic: Kam für den am Knöchel verletzten Hübner. Gleich im Blickpunkt und im Clinch mit Niederlechner. jog

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"Wir haben Aufwind", sagte TSG-Mittelfeldmotor Lukas Rupp in den Katakomben wohltuend realistisch, "und momentan das Glück auf unserer Seite, was wir so weiter mitnehmen wollen." Hoffenheim ist nach dem dritten Dreier in Serie auf Rang sechs im Tableau geklettert und darf auf die "Dynamik in Erfolgssituationen" (Manager Alexander Rosen) bauen.

Die nicht hochklassige, aber spannende Partie, in der sich die Rivalen aus Nord- und Südbaden lange gegenseitig neutralisierten, lässt sich vornehmlich an einer tragischen Figur festmachen. Freiburgs junger Türke Caglar Söyüncü erlebte in komprimierter Form alle Facetten des Innenverteidiger-Daseins. Erst unterlief ihm ein furchtbarer Fehlpass, der zum 1:0 für die Hausherren durch Sandro Wagner (34.) führte. Später rettete der 20-Jährige in höchster Not gegen den alleine durchspazierenden Kerem Demirbay (50.) - und dann spielte er einen wunderbaren Diagonalball auf Florian Niederlechner, der perfekt und gefühlvoll zum 1:1 (78.) vollendete. Dass "Engelsgesicht" Söyüncü schließlich Sebastian Rudy allzu ungestüm im Sechzehner zu Fall brachte, gehörte zur bitteren Lehrstunde für den Mann, der im Sommer vom türkischen Zweitligisten Altinordu Izmir in den Breisgau gewechselt war. Andrej Kramaric chipte den Strafstoß aufreizend lässig zum 2:1 (81.) ins Freiburger Netz.

"Wir haben einen blöden Elfmeter bekommen", sagte hinterher der Ex-Hoffenheimer Vincenzo Grifo, "ich glaube, dass es keiner war." Sein Teamkollege Christian Günter sprach von einer "sch … Niederlage" und "brutalen Entscheidung". Die Sportclub-Seele kochte.

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TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann war unterdessen klug, keinen weiteren Stoff für Christian Streichs Verschwörungstheorien zu liefern. "Es gibt Kann- und Muss-Elfmeter - das war kein Muss-Elfmeter. Andererseits darf man schon fragen, ob Söyüncü so in den Mann reinspringen muss", bewertete Nagelsmann die kniffligste Szene salomonisch. Wie dem auch sei: Schiedsrichter Deniz Aytekin deutete sofort auf den Punkt - und bei der nächsten strittigen Szene (85.) zwischen Ermin Bicakcic und Niederlechner ("Der kreuzt mich hinten, oben spüre ich den Ellenbogen und unten gibt er mir einen Gehfehler") eben nicht.

Was Unglücksrabe Söyüncü für den SC Freiburg, war Sandro Wagner für seine TSG - auffallend und spielentscheidend. Nicht nur wegen seines Treffers aus spitzem Winkel, sondern vor allem wegen seiner Ausstrahlung. Es hatte zuweilen den Anschein, als beschäftigen sich die gesamte SC-Mannschaft, die Ersatzbank und auch die Gästefans nur noch mit dem Hünen. "Sandro kriegt sehr viel auf die Socken. Er strahlt genau jene Abgezocktheit aus, die wir im Team haben wollten", sagte Nagelsmann.

Immer wieder animierte Hauptdarsteller Wagner das Publikum, lenkte den Fokus auf sich, schickte eine Kurzbewerbung ans Heidelberger Stadttheater und nahm geschickt Zeit von der Uhr - ein Polarisierer par excellence.

Trotz der Erfolgsserie und dem gestiegenen Selbstvertrauen bleibt TSG-Regisseur Nagelsmann auf dem Teppich. Es ginge immer sehr schnell im Fußball in alle Richtungen. "Ich hab’ die Tabelle gar nicht angeschaut, sie ist mir piepegal", meinte Nagelsmann ohne Koketterie gegenüber einer kleinen Journalistenrunde. Vielmehr erfreut sich "Nagel" an den Entwicklungsschritten - auch dank der fünf Neuzugänge Wagner, Rupp, Demirbay, Vogt und Hübner, die vorgestern zur Startelf gehörten. "Die ganze Mannschaft ist gewillt, die ganze Mannschaft vertraut Julian und setzt das um, was er vorgibt", so Kapitän Rudy über die schöne Momentaufnahme und das Erfolgsrezept. Nagelsmann empfahl derweil vor der nächsten Aufgabe am Samstag bei Bayer Leverkusen den Chronisten: "Loben Sie die Mannschaft - und nicht mich!" Tun wir. Das TSG-Team ist robuster, stabiler und cleverer geworden - ohne Hurra-Fußball zu zelebrieren.

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