Hoffenheim gegen Frankfurt: "Adrenalin pur"
Die Hoffenheimer sind voller Vorfreude auf das Spiel am Freitagabend beim Tabellennachbarn Eintracht Frankfurt.
Von Frank Enzenauer
Zuzenhausen. Gestärkt durch Wiener Würstchen und mit einem alkoholfreien Bier in der Hand war Julian Nagelsmann nach der harmonischen Jahreshauptversammlung der TSG Hoffenheim in der Sinsheimer Carl-Orff-Schule auf Fans zugegangen. Natürlich nur nette Worte und reichlich Anerkennung gab’s für den jungen Ausnahmetrainer, salopp erzählte Nagelsmann, 29, zwei Tage danach von den Begegnungen mit Stadionstammgästen: "Es war keiner dabei, der gesagt hat: Ich schlitz dir die Reifen auf, wenn wir nicht die Europa League erreichen." Nagelsmann schmunzelte, als er dies sagte auf der Pressekonferenz vor der morgigen Partie bei Eintracht Frankfurt (20.30 Uhr). Erwartungsdruck spürt er nicht, ambitionierte, veränderte Saisonziele will er allenfalls intern, also vor versammelter Mannschaft, verkünden. Er weiß: Mit Vollmundigkeit punktet man nicht.
"Die Fans dürfen singen und träumen - wir arbeiten", hatte schon TSG-Sportdirektor Alexander Rosen nach dem 4:0-Triumph gegen den 1. FC Köln am vergangenen Samstag erklärt, als in der Südkurve der Sinsheimer Arena Europapokal-Lieder angestimmt wurden. Auf den vierten Tabellenplatz haben sich die Hoffenheimer vorgeschossen, und weil sie nach 13 Bundesliga-Spieltagen immer noch ungeschlagen sind, wurde mittels Statistik das Erreichen eines internationalen Wettbewerbs errechnet. Zukunftsmusik. Noch ist der Mai nicht gekommen.
Nagelsmann beschäftigt die Gegenwart - die kurze Reise nach Frankfurt, zum punktgleichen (25) Tabellennachbarn. "Ein Spitzenspiel, Flutlicht - ein schönes Spiel ist das", frohlockte der Hoffenheimer Trainer. Auch seine Spieler ersehnen das Duell mit der Eintracht. "Das ist eines der Spiele, bei denen du auf jeden Fall auf dem Platz stehen willst. Das ist Adrenalin pur. Für solche Spiele bin ich Fußballer geworden", sagte Mittelfeldakteur Nadiem Amiri, 20, der gegen Köln eine vorzügliche Vorstellung gezeigt hatte, gleichwohl wegen der - leistungsfördernden - Konkurrenzsituation keine Stammplatzgarantie besitzt.
"Adrenalin pur" - hat Sandro Wagner, egal ob gegen Eintracht Frankfurt oder den FC Kleinkleckersdorf. Wagner, 29, 1,94 Meter groß, 90 Kilogramm schwer, verkörpert die Gier bei der TSG 2016.Und zieht gewollt Aufmerksamkeit auf sich, auf dem Platz und daneben. So wuchtig wie seine Kopfbälle und so provokativ wie seine Gesten gegen Gegenspieler und Zuschauer, sind seine Aussagen. "Ich bin in meinen Augen seit einiger Zeit mit Abstand der beste deutsche Stürmer" - mit dieser Behauptung hatte er in dieser Woche den Boulevard mit einer dicken Schlagzeile erfreut. Und seinen Trainer in diplomatische Nöte gebracht. "Grundsätzlich hab nichts gegen gesundes Selbstvertrauen", sagte Nagelsmann dazu gestern, um Nachsicht bemüht. "Sandro polarisiert gerne."
"Ein Panzer da vorne drin"
Sie bekamen eben, was sie wollten. "So ein Typ hat uns gefehlt", hatte Nagelsmann nach Wagners Doppelpack gegen Köln, seinen Saisontoren sechs und sieben, erklärt. "Er bringt die nötige Emotion rein - auch mit nicht so braven Elementen." Nationalspieler Sebastian Rudy, ein Stiller seiner Zunft, outete sich gar als Wagner-Verehrer: "Es ist geil, so einen Panzer da vorne drin zu haben."
Zumal der "Panzer" nicht stehen bleibt. Rasch hat sich Wagner in feinsinnigerer Umgebung zurechtgefunden und den Systemwechsel verinnerlicht, nachdem er in der Vorsaison für die spielerisch limitierten, mit langen Bällen operierenden Abstiegskämpfer des SV Darmstadt 98 vierzehn Treffer erzielt hatte. "Ich glaube, Sandros Entwicklung ist noch nicht zu Ende", sagte jüngst Julian Nagelsmann, "auch wenn er so alt ist wie ich." Morgen Abend sollen die Wagner-Festspiele fortgesetzt werden.