Hoffenheim-Scout Lutz Pfannenstiel über seine Eindrücke von der Fußball-WM

Hoffenheim-Scout Lutz Pfannenstiel über die Verwunderung der Indianer, den Ärger um Prämien und die exzellenten Torhüter

05.07.2014 UPDATE: 05.07.2014 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden
Weltenbummler und TV-Experte Lutz Pfannenstiel: 'Manuel Neuer ist für mich bisher der beste Torhüter.' Foto: imago
Sao Paulo. (sid) Als Torwart war er der einzige Profi, der auf allen Kontinenten gespielt hat. Heute ist Weltenbummler Lutz Pfannenstiel, 41, Scout des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim und TV-Experte der BBC und des ZDF. Für den deutschen Sender ist er vor und während der WM durch das ganze Land gereist.

Herr Pfannenstiel, Sie haben vor dem Turnier von "Abbruch-Potenzial" dieser WM gesprochen. Wie ist das Turnier Ihrer Meinung nach verlaufen?



Das Turnier ist auf dem Weg, eine der schönsten Weltmeisterschaften aller Zeiten zu werden. Das Potenzial für Unruhen ist allgegenwärtig, aber es ist relativ ruhig geblieben. Das liegt auch daran, dass sich die Polizei seit dem Confed Cup extrem verbessert hat. Sie reagiert nicht mehr so nervös und aggressiv und gießt dadurch kein Öl mehr ins Feuer.

Sie haben schon Städte besucht, in denen nicht mehr gespielt wird. Wie war dort die Stimmung?



In Natal zum Beispiel waren die Menschen sehr traurig, dass die WM für sie vorbei ist. Während dieser Zeit haben sie von der WM profitiert. Nun ist die Frage, ob sie langfristig davon profitieren. Sie haben ein Weltklasse-Stadion, das droht, künftig nur zu einem Zehntel gefüllt zu sein. In Manaus wundern sich aber die Indianer, was sie mit diesem Riesenstadion anfangen sollen. Es ist klar, dass mindestens vier der zwölf Stadien zu weißen Elefanten werden.

Wird sich im Land der Brasilien nach und durch diese WM etwas ändern?



Das Gute ist, dass 2016 direkt Olympische Spiele in Rio de Janeiro anstehen. Es heißt also nicht: Großveranstaltung adé, jetzt schauen alle wieder weg. Es muss hier in Brasilien weiter an vielem gearbeitet werden.

Welches sportliche Fazit ziehen Sie?



Das Niveau ist sehr, sehr hoch. Auffallend ist, dass im ganzen Turnier mit Honduras und Kamerun nur zwei Mannschaften etwas abgefallen sind.

Überrascht Sie der Erfolg von Costa Rica?



Ein wenig schon. Von den Einzelspielern hinken sie der Konkurrenz eigentlich hinterher. Aber sie haben einen klaren taktischen Plan und ziehen diesen kompromisslos durch.

Sie haben schon viele Afrika-Cups vor Ort miterlebt. Hat Sie das Abschneiden der Afrikaner enttäuscht?



Die Afrikaner haben wie so oft leider wieder Selbstzerstörung betrieben. Die Elfenbeinküste hat den Achtelfinal-Einzug auf dem Silbertablett serviert bekommen, doch dann hatten sie wieder die Hosen voll und haben es durch desaströse individuelle Fehler weggeworfen. Ghana hätte durch die Gruppe kommen können, hat sich mit Skandalen aber wieder selbst geschadet. Kamerun war völlig von der Rolle. Alles in allem gab es wieder ein Mentalitätsproblem der schwarzafrikanischen Mannschaften zu beobachten. Von ihnen hat mich nur Nigeria überzeugt. Algerien hat positiv überrascht, aber sie haben auch viele Spieler im Kader, die in Europa ausgebildet wurden.

Bei Kamerun und Ghana gab es wieder Ärger um Prämienzahlungen. Warum ändert sich das nie?



Das gehört zum afrikanischen Fußball wie zur Bundesliga die Stadionwurst. Das Geld ist ja da, aber der Verband wartet immer bis zur letzten Minute. Das ist komplett unnötig. Aber Machtspielchen sind in Afrika eben sehr ausgeprägt. Die Verbandspräsidenten sind im Vergleich zu den im Ausland spielenden Superstars relativ arme Männer. Wenn sie dann bei der WM den Hut aufhaben, wollen sie ihre Macht demonstrieren.

Glauben Sie, Sie werden noch einen afrikanischen Weltmeister erleben?



Nein. Und auch wenn ich erst 18 wäre, würde es zumindest knapp werden. Seit 2010 haben sich die Afrikaner leider noch weiter entfernt vom Top-Niveau.

Warum hat es bei Nigeria halbwegs geklappt?



Das ist das Verdient von Trainer Stephen Keshi. Er ist kein einfacher Typ, aber er hat auch keine Angst vor dem Verband. Er hat es geschafft, eine homogene Truppe ohne Stars zusammenzustellen.

Was sagen Sie als ehemaliger Torhüter zu den Leistungen der Keeper?



Es ist eine WM der Torhüter. Trotz der vielen Tore haben wir überragende Torwart-Leistungen gesehen. Der Beste ist für mich bisher Manuel Neuer - er zelebriert das moderne Torwart-Spiel. Er ist der letzte Abwehrspieler und der erste Angreifer. Viele wie der Mexikaner Guillermo Ochoa oder Keylor Navas aus Costa Rica haben Herausragendes gezeigt. Aber kein anderer Keeper ist so komplett wie Neuer.

Haben Sie bei dieser WM auch einen neuen Star für Hoffenheim entdeckt?



Die Spieler, die bei einer WM sind, kennt man sowieso. Es ist aber wichtig, vor allem diejenigen, die normalerweise in schwächeren Ligen spielen, im direkten Vergleich mit Weltklasse-Spielern zu sehen. Von daher haben wir schon neue Erkenntnisse gewonnen.

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