Die TSG forciert ein Verleihsystem mit internationalen Talenten

"Hoffe" wandelt auf einem schmalen Grat - Beck sollte unter Gisdol nicht mehr die Kapitänsbinde tragen

30.06.2015 UPDATE: 01.07.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Symbolfoto: APF

Von Joachim Klaehn

Heidelberg/Zuzenhausen. Mit dem heutigen 1. Juli ist es amtlich: Hoffenheims Gesellschafter Dietmar Hopp (75) wird über die Mehrheit der Stimmrechte bei der ausgegliederten Profiabteilung verfügen. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) gestattet eine Ausnahme von der 50+1-Regel, wenn ein "Rechtsträger seit mehr als zwanzig Jahren den Fußballsport des Muttervereins erheblich fördert."

Hopp tut dies bei der TSG seit 1989 – der sportverrückte Gönner und Investor hat rund 350 Millionen Euro in seinen Heimatverein gesteckt. Seit Jahren freilich schreibt der Bundesligist defizitäre Bilanzen, mit einer Ausnahme: In der Saison 2010/2011 brachten die Verkäufe von Luiz Gustavo und Vedad Ibisevic mehr als zwanzig Millionen Euro ein, so dass ein Jahresüberschuss von 1,7 Millionen Euro übrig blieb.

Ansonsten aber machte der Emporkömmling aus dem Kraichgau nur Verluste. 2009/10 schlug ein Fehlbetrag von 30 Millionen zu Buche, 2013/14 machte man 25 Millionen Euro Miese. 2014/15 wird man ebenfalls rote Zahlen fabrizieren, eine Balance in der Haushaltsbilanz ist es erst für 2015/16 zu erwarten.

Zumal der Rekordtransfer von Roberto Firmino, der vorbehaltlich eines positiven Medizinchecks zum FC Liverpool wechseln wird, ins neue Geschäftsjahr einfließt. Das alte lief bekanntlich gestern ab. Der Verkauf des 23-jährigen Brasilianers für sagenhafte 41 Millionen Euro erfreut den Mehrheitseigner, denn Hopp möchte nicht mehr ewig Geld zuschießen.

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Der Verein soll mittelfristig auf eigenen Füßen stehen, und unterm Strich mehr Umsätze generieren. "Gerade in Zeiten des Financial Fairplay wird es für Klubs wie die TSG immer wichtiger, junge Talente zu entdecken und zu entwickeln, um sportlich wie wirtschaftlich auf einem hohen Niveau überleben zu können", ließ Hopp via TSG-Pressemitteilung im Zuge des Firmino-Transfers vor einer Woche verlautbaren.

Der Baumeister des Dorfvereins sieht in "Hoffe" primär einen Ausbildungs- und Entwicklungsklub wie etwa der FC Porto oder Udinese Calcio, die dies seit Jahren erfolgreich pflegen. Neuerdings wird rund um die Zentrale in Zuzenhausen ein weiterer, ergänzender Bereich des Geschäftsmodells intensiviert. Die TSG schreibt sich ein Förderprogramm internationaler Talente auf die Fahne.

So sicherte sich Hoffenheim die Transferrechte am südkoreanischen U 20-Nationalspieler Inhyeok Park, am österreichischen U 21-Nationalspieler Christoph Martschinko sowie am kroatischen Torhütertalent Marko Maric. Park (19) wird an den Zweitligisten FSV Frankfurt verliehen, Martschinko (21) wechselt vom SV Grödig zu Austria Wien, Maric (19) von Rapid Wien zu Lechia Danzig – bei den Polen spielten letzte Saison schon die vergessenen 1899-Akteure Filip Malbasic (22) und Bruno Nazario (20).

Ein Verleihsystem als Geldquelle – Hoffenheim bewegt sich hier auf einem schmalen Grat. Einerseits muss man aufpassen, dass man nicht mit Kommerzgebilden wie RB Salzburg und RB Leipzig imagemäßig in einen Topf geworfen wird, andererseits kann es flugs das eigene Konzept einer Nachwuchsakademie konterkarieren.

Dies ist um so riskanter, als die TSG vor dem morgigen Medizin- und Fitnesstest und dem öffentlichen Showtraining am Sonntag (ab 15 Uhr) in der Rhein-Neckar-Arena zusehends Identifikationsfiguren verliert. Über Andreas Becks Präsentation auf der Außenbahn lässt sich trefflich streiten, doch wenn er geht, wird dem Klub ein wichtiger Botschafter und Sympathieträger fehlen. Die Bekanntgabe seines Wechsels zu Besiktas Istanbul ist nur noch Formsache.

Wie die RNZ erfuhr, wurde dem Wahl-Heidelberger Beck nach dem Rundenende von Cheftrainer Markus Gisdol mitgeteilt, dass er in der neuen Saison nicht mehr die Kapitänsbinde tragen werde. Ein eindeutiges Signal! Gisdol will offenbar alte Strukturen aufbrechen, war ohnehin mit den Leistungen des 28-Jährigen nicht mehr einverstanden.

Beck wiederum fühlte sich ungerecht behandelt und stellte die Führungskompetenz des Trainers in Frage. Die Gräben zwischen Gisdol und Beck sind inzwischen vermutlich zu tief, um sie wieder zuzuschütten. Beck sucht eine neue Arbeitsstelle als Profifußballer, Hoffenheim bemüht sich nicht darum, einen langjährigen, stets loyalen Angestellten zu halten.

Bei "Hoffe", so viel steht fest, wird derzeit an einigen Stellschrauben gedreht. Sportlich, wirtschaftlich, sponsor- und marketingtechnisch – der Haushalt soll künftig stimmen. Wenn der Umsatz wie beispielsweise 2013/14 bei 67,2 Millionen und allein die Personalausgaben bei 49,2 Millionen Euro (Lizenzspieler und Geschäftsstelle) liegen, dann ist die Personalkostenquote von rund 74 Prozent zu hoch.
Mehrheitseigner Dietmar Hopp wurde zuletzt in Zuzenhausen häufiger denn je gesehen. Er scheint sich um die diversen Belange zu kümmern.

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