1899 Hoffenheims Manager Rosen zieht sein Saisonfazit

Rosen räumt ein, dass Beck, Salihovic und Co. große Lücken in der Bundesliga-Mannschaft der TSG hinterlassen haben

17.05.2016 UPDATE: 18.05.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 12 Sekunden

Im Dialog: TSG-Geschäftsführer Peter Görlich (l.) und Manager Alexander Rosen. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Erklärungsmuster für eine überwiegend verkorkste Saison zu finden, die dank des Nagelsmann-Effektes glücklich endete, ist gar nicht so einfach. Als die RNZ am Dienstagmittag gemeinsam mit Manager Alexander Rosen (37) das Fazit der achten Hoffenheimer Bundesliga-Spielzeit zog und den professionellen Vorausblick wagte, kamen viele Einflussfaktoren und Facetten zum Vorschein, die über das Wohl und Wehe einer Profitruppe entscheiden. "Es war eine Saison der zwei Gesichter und der zwei Extreme", sagt Rosen im modernen Trainings- und Geschäftsstellenzentrum in Zuzenhausen. Bis Mitte Februar jedenfalls brachte "Hoffe" unter den Trainern Markus Gisdol (46) und Huub Stevens (62) wenig zustande. Dann übernahm der "Trainer-Azubi" Nagelsmann - und startete eine Rettungsmission.

Rosen freilich setzt mit seiner Analyse noch viel früher an. Sommer 2015, es gab eine personelle Zäsur. "Wir hatten einen faktischen und gefühlten Umbruch", führt der gebürtige Oberschwabe Gründe für den sportlichen Schlingerkurs ins Feld, "es war ja nicht nur Roberto Firmino, den wir verloren haben, sondern auch Andreas Beck, Sejad Salihovic und David Abraham, die nicht nur wichtig auf dem Feld, sondern auch in der Kabine waren. Diese Veränderung in der Mannschaftsstruktur hat es schwer gemacht, gerade auch für die Jungs."

Beck, Salihovic und Co., sie waren Gesichter des jungen Bundesliga-Klubs, die wie ein Stabilitätsanker für das gesamte Gefüge funktionierten. Salihovic zog es nach China zu Guizhou Renhe, Beck zu Besiktas Istanbul, wo er auf Anhieb türkischer Meister wurde und Roberto Firmino für die Rekordtransfersumme von 41 Millionen Euro zum FC Liverpool. Firmino sowie dessen Landsmänner Eduardo und Luiz Gustavo taugen als Paradebeispiele der Hoffenheimer Unternehmensphilosophie - und zwar Talente und Jungprofis zu entdecken, zu entwickeln und sie dann zum geeigneten Zeitpunkt hochpreisig zu transferieren.

An dieser generellen Ausrichtung soll sich in absehbarer Zeit nichts ändern. Rosen betont: "Die Generierung von Transfererlösen ist ein Teil unserer Klubstrategie und unseres Finanzierungsmodells." Wenn sich also namhafte Vereine beim Dorfverein melden, dann könnten weitere Abgänge unmittelbar bevorstehen. Seit Wochen und Monaten gibt es Spekulationen zu den Leistungsträgern Kevin Volland, Niklas Süle und Sebastian Rudy. Das Standing von Rudy zeigte sich am Dienstag mit der Nominierung durch Bundestrainer Jogi Löw in den vorläufigen EM-Kader der deutschen Nationalmannschaft.

Nimmt man die bereits verabschiedeten Spieler Jens Grahl, Kai Herdling, Kevin Kuranyi und Tobias Strobl (Borussia Mönchengladbach), ferner Ermin Bicakcic (Kontakte nach England) sowie die Wackelkandidaten Pirmin Schwegler, Tarik Elyounoussi, Jiloan Hamad und Jin-Su Kim hinzu, dann droht "Hoffe" ein ähnliches Wechselszenario wie 2015. Schnell könnte sich die TSG im zweistelligen Bereich an Abgängen bewegen.

Nach der Saison ist vor der Saison - Rosen hat in diesen Tagen eine Menge zu tun, die Schlagzahl an Terminen und Telefonaten hat sich seit dem feststehenden Ligaverbleib erhöht. Der Kader für die Saison 2016/17 soll möglichst bis zur Mitte der Vorbereitungsphase Ende Juli einigermaßen feststehen. Rosen über die Planspiele: "Für Tobias Strobl suchen wir einen Spieler mit vergleichbarem Profil. Voraussichtlich wird sich noch etwas auf der Außenverteidigerposition tun."

Dass die TSG begehrte Cracks wie Volland, Süle oder Rudy halten will, ist ein offenes Geheimnis. "Wir haben Spieler, die woanders sportlich und wirtschaftlich andere Möglichkeiten haben. Es ist normal, dass der Zeitpunkt kommt, an dem ein Kevin Volland einen Schritt weitergeht. Ob der jetzt ist, das ist noch nicht entschieden", schätzt Rosen die Marktsituation realistisch ein.

Unter Nagelsmann wurde die Vernetzung zwischen eigener Akademie und Profibereich intensiviert. Auf dieses Fundament will der Kraichgauklub verstärkt bauen. Namen, die auf Nadiem Amiri und Philipp Ochs folgen könnten, möchte Rosen nicht nennen. Dies sei kontraproduktiv. Stattdessen spreche vielmehr ein Aspekt für sich: Die U 19 der TSG ist unter Nagelsmann-Nachfolger Matthias Kaltenbach zum dritten Mal in Folge ins Meisterschaftsfinale eingezogen und empfängt am 29. Mai den Nachwuchs von Borussia Dortmund in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena. "Hoffenheim hat sich zu einer der deutschen Topadressen im Nachwuchsbereich entwickelt", darf Rosen mit Fug und Recht behaupten.

Trotz Jugendarbeit, die zweifellos das Prädikat besonders wertvoll verdient, tun sie sich im Verein des Mehrheitsgesellschafters Dietmar Hopp (76) alles andere als leicht damit, sportliche Ziele präzise zu definieren.

Abstiegskampf emotionalisiert, ist aber nicht vorgesehen. Niemandsland haut keinen vom Hocker. Europa League à la Mainz oder Augsburg? "Diese Saison hat die Zweiklassengesellschaft in der Bundesliga absolut unterstrichen. Es wehrt sich bei uns niemand, wenn wir mal der Ausreißer nach oben sind", sagt Rosen mit einem Schmunzeln. Es bleibt in Hoffenheim ein Spagat zwischen sportlichen Ambitionen und wirtschaftlichen Vorgaben. Über Budget und Investitionsvolumen wollte der Manager allerdings keine genauen Angaben machen.

Die Ergebnis-Misere in der abgelaufenen Saison wurde zwischenzeitlich auch Rosen angelastet. "Ich war da sehr entspannt", entgegnet Rosen. Geschäftsführer Dr. Peter Görlich dementierte gestern, dass der Manager kurz vor dem Aus stand und ihm künftig ein "Aufpasser" zur Seite gestellt werde, wie die Bildzeitung mutmaßte. "Er stand nicht auf der Kippe, auch wenn wir vieles kontrovers diskutiert haben", so Görlich, der von einem Aufpasser nichts weiß.

Den wichtigsten Fürsprecher hatte Rosen in Nagelsmann. Sie kennen und schätzen sich seit 2010. Erst in der Akademie, jetzt bei den Profis. Zum Lernprozess gehört: Wichtig ist nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Kabine! Beck, Salihovic und Co. lassen grüßen ...

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