1899 Hoffenheim spielt Fußball zum Frösteln

Nach einer unterirdischen ersten Halbzeit verliert die TSG Hoffenheim mit 0:1 bei Hertha BSC und trägt die "rote Laterne"

22.11.2015 UPDATE: 23.11.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Schnee-Chaos: Hoffenheims Torhüter Oliver Baumann kann das Eigentor von Eugen Polanski nicht verhindern. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Berlin. Die gute Nachricht vorweg: Das gestrige Spiel zwischen Hertha BSC Berlin und der TSG 1899 Hoffenheim ging völlig reibungslos über die Bühne. Die schlechte Nachricht aus Sicht der Nordbadener: Die Mannschaft verlor nach einer unterirdischen Vorstellung in der ersten Hälfte verdient mit 0:1 (0:1) bei der "Alten Dame" und trägt somit nach dem 13. Spieltag in der Bundesliga die "rote Laterne". Deshalb wurde Huub Stevens in den schier unendlichen Gängen des Olympiastadions gefragt, was er denn in einer derart verzwickten Situation als Trainer tun könne. "Ich kann einiges tun. Das werde ich auch. Ob das angenehm ist, wird man sehen", sagte Stevens in dem ihm eigenen Duktus. Was übersetzt heißt, dass es nun spürbar ungemütlicher für die Spieler werden dürfte.

In den 92 Minuten vor 37 045 Zuschauern wurde vornehmlich Fußball zum Frösteln geboten. Insbesondere aus Sicht von "Hoffe", denn das Team ließ so ziemlich alle Tugenden vermissen, die im schonungslosen Abstiegskampf notwendig sind. Dem nicht genug: Die TSG-Profis zeigten auch bei der medialen Aufarbeitung keine Erstligareife, fast alle Spieler zogen mit hängenden Köpfen den kürzesten und schnellsten Weg in die Kabine vor. Bis auf eine einzige Ausnahme: Sebastian Rudy nahm sich bemerkenswerte 29 Sekunden zur Spielanalyse in der Mixed Zone Zeit. "In der ersten Halbzeit haben wir keine gute Leistung gezeigt", sagte Rudy mit belegter Stimme, "in der zweiten Halbzeit hatten wir ein paar Chancen, der Gegner nicht. Solch eine erste Halbzeit dürfen wir uns nicht mehr erlauben."

In der Tat: Der Schneefall wurde immer heftiger - parallel dazu gerieten die Hoffenheimer ins Stolpern und Rutschen. "Für die widrigen Platzverhältnisse haben wir es gut gemacht, die ersten 45 Minuten haben wir eine richtig reife Leistung gezeigt", meinte der ehemalige KSCler Sebastian Langkamp in Diensten von Hertha, "jeder von uns hatte ja vorher den Wetterbericht gelesen." Die Berliner zeigten mehr Engagement, hatten eine andere Körpersprache in den Zweikämpfen und schafften es, sich dem winterlichen Klima entsprechend anzupassen. Stevens übersah diesen Teilaspekt nicht: "Wenn solche Wetterbedingungen vorliegen, musst du schlau sein", sagte der "Feuerwehrmann", dem zusehends bewusst wird, dass das Löschen des Großbrandes eine äußerst schwierige Mission bleibt.

Symptomatisch war das Zustandekommen des entscheidenden Treffers. Jin-Su Kim hatte einen seiner vielen Abwehrfehler produziert. Hertha bekam einen Freistoß zugesprochen, den Marvin Plattenhardt scharf nach innen zirkelte. Unglücksrabe Eugen Polanski strich der Ball über den Scheitel und prallte vom Innenpfosten zum 1:0 (30.) für die Hausherren hinter die Linie. Plattenhardt kommentierte die Szene so: "Hauptsache der Ball ist reingegangen - egal wie." Der Herthaner zeigte sogar Empathie für die Gäste-Elf. "Die Hoffenheimer brauchen ein gutes Ergebnis, um sich zu befreien", so Plattenhardt weiter.

Nur wie? Und gegen wen überhaupt? "Hoffe" ließ nämlich kaum spielerische Struktur erkennen. Zwar wurde der Auftritt im zweiten Durchgang merklich besser und Gelegenheiten von Volland (76.), Vargas (81.) sowie das Fast-Eigentor des Berliners Brooks (90+2) durften notiert werden, doch unter dem Strich war es einmal mehr zu wenig. Offensiv passt momentan so gut wie gar nichts zusammen. Der letzte Treffer gelang Hoffenheim beim 2:4 in Wolfsburg durch Jonathan Schmid, doch dieses Erfolgserlebnis ist bereits 396 Spielminuten (!) und somit knapp viereinhalb Spiele her.

Die 300 mitgereisten TSG-Fans waren nach der neuerlichen Magerkost sehr enttäuscht und beschimpften das Team, das Stevens in die Kurve geschickt hatte. Ein Spießrutenlauf für die Gäste, während in der Berliner Ostkurve des Kühlfach-Stadions der Flachs blühte. "Zieht den Bayern die Lederhosen aus!", sangen die Anhänger im Vorgriff auf das Topspiel des sensationellen Rangvierten in München mit Inbrunst.

Bei "Hoffe" hingegen herrscht Tristesse pur. In dieser Verfassung wird es in wenigen Tagen (Samstag, 15.30 Uhr) auch gegen die "Serientäter" von Borussia Mönchengladbach nicht reichen. Dennoch: Stevens wünschte allen zum Abschluss höflich eine gute Heimreise und sagte: "Wir müssen Punkte holen, ja, oder!? Ein Spiel dauert 90 Minuten, nicht eine Hälfte."

Die kleine gute Nachricht nach einem verbrauchten und finsteren Nachmittag für Hoffenheim: Noch hat der Niederländer seinen speziellen Humor nicht verloren.

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