1899 Hoffenheim gegen VfB Stuttgart: Das Abstiegsgespenst im Ländle
Laut Julian Nagelsmann möchte die TSG 1899 Hoffenheim beim heutigen Derby den VfB Stuttgart mit in den Strudel reinziehen
Von Joachim Klaehn
Zuzenhausen. Im ersten Moment fiel Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann nicht sofort ein, was er am Tag der deutschen Einheit 2015 gemacht hatte. "Da müsste ich erst einmal in meinem Terminkalender nachschauen", antwortete Nagelsmann am Freitag. Später ließ der Trainer-Jüngling von TSG-Pressesprecher Holger Kliem ausrichten, er sei "doch im Stadion gewesen."
Das fahrige 2:2 (1:0) aus der Hinrunde zwischen "Hoffe" und dem VfB Stuttgart scheint keine bleibenden Erinnerungen hinterlassen zu haben. Eine nette Anekdote. Damals dachte der 28-Jährige wohl nicht in seinen kühnsten Träumen daran, diese Profis in den Sondertrikots der Metropolregion alsbald anleiten zu dürfen.
Hintergrund
Enge Kiste
15 Mal trafen der VfB und die TSG auf Erstliga-Niveau bisher aufeinander. Aus Stuttgarter Perspektive sind es sechs Siege, fünf Unentschieden und vier Niederlagen (Torverhältnis 26:22).
Gisdol im
Enge Kiste
15 Mal trafen der VfB und die TSG auf Erstliga-Niveau bisher aufeinander. Aus Stuttgarter Perspektive sind es sechs Siege, fünf Unentschieden und vier Niederlagen (Torverhältnis 26:22).
Gisdol im "Doppelpass"
Illustre Runde am Sonntag (11 Uhr) bei Sport1 im "Doppelpass": Ex-TSG-Trainer Markus Gisdol, Edmund Stoiber, Aufsichtsrat beim FC Bayern, Handball-Nationaltrainer Dagur Sigurdsson, Thomas Berthold sowie die Journalisten Kai Traemann (Bild) und Hansi Küpper (Sport1) beantworten die Fragen von Moderator Thomas Helmer.
So könnten sie beginnen: Stuttgart: Tyton - Klein, Schwaab, Niedermeier, Insúa - Dié - Rupp, Gentner, Didavi, Kostic - Kravets / Hoffenheim: Baumann - Kaderabek, Schär, Süle, Bicakcic - Schwegler, Polanski - Uth, Amiri, Volland - Kramaric / Schiedsrichter: Dingert (Lebecksmühle). jog
Vorvorgänger Markus Gisdol hatte seinerzeit mit der Epidemie von Last-Minute-Gegentoren zu kämpfen und es deutete sich quasi an, dass die TSG 1899 wegen fehlender Punkteausbeute in die Bredouille kommen könnte.
Fünf Monate später - nach einem tristen Intermezzo unter Huub Stevens - herrscht wieder neue Zuversicht im Kraichgau. Nagelsmann hat die richtigen Ansätze gewählt. Auch beim Landesgipfeltreffen heute (15.30 Uhr/Sky), in dem es in der Mercedes-Benz Arena um den Klassenerhalt geht, möchte Hoffenheim den positiven Entwicklungsprozess aus den letzten vier Partien fortsetzen. "Der VfB ist nach den beiden Niederlagen nicht mehr so befreit", sagte Nagelsmann gestern bei der Pressekonferenz und setzt auf einen psychologischen Faktor. "Angst vor der Abwärtsspirale", titelte auch die Stuttgarter Zeitung in ihrer Freitagsausgabe.
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Die Bad Cannstatter sind aus dem Rhythmus geraten - und als Tabellenzwölfter (28 Punkte) noch nicht überm Berg in der Stadt der sieben Hügel. "Wenn wir gewinnen, dann sind sie auch wieder im Abstiegsstrudel drin. Das wird unser Ziel sein, sie da mit reinzuziehen", so Nagelsmanns unmissverständliche Kampfansage.
Neben der mentalen Ausgangskonstellation sieht Nagelsmann "hohe Emotionalität" als Zutat. Zwei Teams aus einem Bundesland sowie der Umstand, dass einige "Hoffe"-Protagonisten VfB-Vergangenheit aufweisen, garantieren einen aufregenden schwäbisch-badischen Vergleich. Siehe TSG-Co-Trainer Armin Reutershahn (56). Der ehemalige Assistent von Armin Veh, Feuerwehrmann Stevens und Heißsporn Alexander Zorniger wurde am 24. November vom VfB freigestellt und heuerte Anfang Januar 2016 im Kraichgau an. Reutershahn kennt den Kontrahenten aus dem Effeff. "Armin weiß, wie die Spieler ticken. Er ist ein wichtiger Ansprechpartner für mich", konstatierte Nagelsmann. Ob heute dieses Insiderwissen über die übliche Videoanalyse hinaus hilft?
Personell muss die TSG auf Tobias Strobl (Einriss an der Aufhängung des Meniskus) und Sebastian Rudy (Rotsperre vom BVB-Spiel) verzichten. Ein Fragezeichen steht hinter dem Einsatz von "Rookie" Philipp Ochs (Wadenzerrung). Die taktische Ausrichtung sei "abhängig von der Kadersituation", aber eines wollte der kluge und redegewandte Nagelsmann dann doch versprechen: "Wir werden uns nicht 18 Meter vor dem Tor mit zehn Mann einigeln."
Hoffenheim, das verkörpert Nagelsmann, ist frecher, lockerer, stürmischer und vor allen Dingen weitaus selbstbewusster geworden. Als Trainer wolle er stets den maximalen Erfolg, als angehender Fußballlehrer mit der abschließenden mündlichen Prüfung am Montag in Hennef "unbedingt diesen Schein."
In Bälde fällt demnach die Doppelbelastung weg, die Pendelei zwischen Zuzenhausen und Hennef. In einem zehnminütigen Vortrag muss Nagelsmann der Prüfungskommission seine Fußballphilosophie darlegen und bohrende Fragen detailliert beantworten. "Ich werde 45 Minuten unter Dauerstrom stehen", sagt er mit einem Lächeln.
Zuvor hofft Nagelsmann, "dass noch viele Mannschaften in den Abstiegsstrudel reinrutschen und somit unsere Chancen auf den Klassenerhalt steigen." Rund 1300 TSG-Fans werden die "Nagelsmänner" nach Stuttgart begleiten. Der Glaube daran ist groß, dass das Abstiegsgespenst so schnell wie möglich aus dem Dorf vertrieben wird - und im Ländle in der Landeshauptstadt herumspukt. "Hoffes" Sehnsucht, die beiden Abstiegsränge wieder zu verlassen, will gestillt sein. Im Hinspiel hatte Timo Werner (90.) den Ausgleich markiert. Im allerletzten Moment ist auf dem Rasen vieles möglich - heute am 5. März ebenfalls.