Ein Traumhaus aus Stroh: Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen

Ein Haus aus Stroh und Hanf? Klingt exotisch. Ist es aber nicht. Nachwachsende Rohstoffe sind mittlerweile Alltag im Baugeschäft.

28.09.2015 UPDATE: 28.09.2015 14:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden

Aus Strohballen werden Wände: Sie werden zwischen eine tragende Holzkonstruktion geschoben. Foto: shaktihaus.de

Bad König (dpa/tmn) – Mit Stroh, Hanf und Flachs haben nicht nur Landwirte zu tun. Bauarbeiter hantieren inzwischen selbstverständlich damit. Denn beim Hausbau sind nachwachsende, ökologische Materialien immer mehr eine Alternative zu konventionellen Baustoffen. Die Architekten Susanne Körner und Tilman Schäberle aus Bad König (Hessen) haben zum Beispiel ihr Haus weitgehend damit gebaut. In dem 2009 bezogenen Domizil wurden 750 Ballen Stroh verwendet. Das klingt erstmal ungewöhnlich.

Doch Stroh ist ein echter Alleskönner: "Es ist nicht nur als Dämmung geeignet, sondern auch ein wandbildender Baustoff", sagt Schäberle. Das heißt: Die Wände zwischen der tragenden Holzkonstruktion sind aus Stroh. "Der Arbeitsaufwand ist natürlich größer als bei einer Ziegelmauer." Dafür bekam Schäberle den Baustoff aber zum unschlagbaren Preis: "Bei einem Euro pro Ballen haben wir für die gesamten Wände 750 Euro für das Baumaterial gezahlt."

Hintergrund

Wie lange hält ein Bau aus Holz, Stroh und Lehm im Vergleich zu Stahl, Mineralwolle und Beton? "Provokativ gesagt: Solide gebaut halten sie sogar länger", sagt Bau-Ingenieur Klaus-Jürgen Edelhäuser. "Hunderte Jahre alte denkmalgeschützte Häuser zeigen, dass Baustoffe wie Holz

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Wie lange hält ein Bau aus Holz, Stroh und Lehm im Vergleich zu Stahl, Mineralwolle und Beton? "Provokativ gesagt: Solide gebaut halten sie sogar länger", sagt Bau-Ingenieur Klaus-Jürgen Edelhäuser. "Hunderte Jahre alte denkmalgeschützte Häuser zeigen, dass Baustoffe wie Holz und Stroh auch langfristig funktionieren." Dagegen wisse man bei modernen Materialien nicht, welche Beschaffenheit und Qualität sie in einigen Jahrzehnten aufweisen.

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Auch Umweltschutz spielte eine Rolle: "Stroh hat wohl den geringsten Primärenergieeinsatz aller Baustoffe. Im Prinzip braucht es zur Gewinnung nur Diesel im Traktor und die Arbeitskraft des Bauern." Und: "Das Raumklima ist durch die geringere Schadstoffbelastung und die Eigenschaften der Materialien viel besser", sagt Schäberle.

Nachwachsende Baustoffe lassen sich an nahezu allen Stellen eines Hauses einsetzen. Für die tragende Konstruktion ist Holz das Material der Wahl. "Um hier Nachhaltigkeit zu gewährleisten, sollte man beim Holzkauf auf Regionalität achten", sagt Andreas Brückner von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Orientierung bieten Label von Organisationen wie PEFC, FSC oder "Holz von hier". Diese zertifizieren Produkte aus nachhaltiger Forstwirtschaft.

Die Wände im Innenraum tragen Lehm, der Feuchtigkeit aus der Raumluft aufnimmt und sie bei trockenen Verhältnissen wieder abgibt. Auf das Dach kommen Holzschindeln oder Schilfrohr, im Dach ersetzt Wachspapier die übliche Folie als Dampfbremse. Zur Dämmung sind Flachs, Hanf, Holzfasern, Schafwolle oder eben Stroh geeignet.

"Die Dämmungsqualität ist in der Regel zwar etwas schlechter als bei konventionellen Baustoffen wie Mineralwolle oder Styropor", sagt Klaus-Jürgen Edelhäuser von der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. "Wir reden hier jedoch von Unterschieden, die sich in der Energiebilanz des gesamten Gebäudes nicht als wirtschaftlicher Nachteil ausweisen lassen." Auch Brückner sagt: "Haben die Baustoffe eine bauaufsichtliche Zulassung, so sind sie geprüft und damit vergleichbar mit konventionellen Baustoffen."

Heißt konkret: Die Dämmung ist nur marginal schlechter – und bietet dabei andere Vorteile. Natürliche Dämmstoffe können Feuchtigkeit transportieren, ohne Dämmkraft einzubüßen, so das Bundesagrarministerium. Und die Funktion als CO2-Speicher nützt der Umwelt.

Ausgenommen etwa das Stroh, ist der Preis allerdings ein Minuspunkt, sagt Edelhäuser. "Erfahrungsgemäß müssen Bauherren beim Hausbau mit diesen Baustoffen etwas mehr Geld einplanen." Rund fünf bis zehn Prozent Mehrkosten seien realistisch, schätzt Brückner. "Bei den Kosten sollte man aber auch bedenken, was die Herstellung der Baumaterialien für den Klimaschutz bedeuten." Während etwa Holz während des Wachstums der Atmosphäre CO2 entzieht, entstehen bei Herstellung der in der Regel energieaufwendigen herkömmlichen Baustoffe erhebliche Treibhausgasemissionen.

Auch wenn ein Haus nahezu vollständig aus nachwachsenden Materialien gebaut werden kann, ganz ohne konventionelle Baumaterialien geht es Brückners Erfahrung nach doch nicht: Alle Bauteile, die die Erde berühren, betrifft das etwa. So besteht das Fundament meist aus Beton. Oder man verzichtet auf den Keller. "Da reicht eine Bodenplatte, und das birgt ökologisch und finanziell Einsparpotenzial", erklärt der Umweltexperte. Pragmatismus hält Schäberle beim Dachbau für angebracht. Dort sind Ziegel oft die beste Wahl, also kein nachwachsender Baustoff. Sie sind dennoch eine ökologisch sehr sinnvolle Lösung. "Bei richtiger Anwendung von Dachziegeln kann man auf Folienbahnen zur Abdichtung verzichten."

Wichtig ist hier besonders, die Baufirmen genau auswählen, findet Schäberle. "Es ist wichtig, dass die Handwerker ein Bewusstsein für die Materialien mitbringen. Sie müssen wissen, warum diese Baustoffe eingesetzt werden." Am besten setzt man auf erfahrene Handwerker mit umfassendem Ansatz. "Ansonsten passiert es am Ende, dass nicht ausreichend gefüllte Ecken in der Dämmung mit konventionellem Bauschaum ausgebessert werden, um ein Extrembeispiel anzuführen."

Gerne wird gegen Baustoffe wie Holz und Stroh erhöhtes Brandrisiko als Argument ins Feld geführt. Stimmt das denn? "Klares Nein", sagt Rohstoffexperte Brückner. Im Bauordnungsrecht sei der Einsatz nachwachsender Baustoffe bezüglich Brandschutz bis zu Gebäudehöhen von vier bis fünf Stockwerken klar geregelt. In Ein- und Zweifamilienhäusern sei die Gefahr bei Feuer durch natürliche Baustoffe nicht höher als bei deren konventionellen Alternativen.

Eine Wand aus Stroh, verputzt mit Lehm oder Kalk, habe die Brandwiderstandsklasse F90, ergänzt Schäberle. "Sie widersteht einem Feuer mit 1200 Grad Hitze demnach für 90 Minuten." Brennt so ein Haus, entstehen außerdem weniger stark toxische Dämpfe.