Ist ein Großgefängnis ein Gewinn oder Verlust für die Gemeinden?

Rottweil und Meßstetten buhlen um den Standort für ein Großgefängnis mit bis zu 500 Häftlingen. Es gibt aber auch Kritiker.

21.04.2015 UPDATE: 22.04.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 26 Sekunden

In Rottweil hatten Bürger 2010 schon einmal gegen das Großgefängnis erfolgreich mobil gemacht - allerdings an anderem Standort. Archivfoto: dpa

Von Stefanie Järkel

Rottweil/Meßstetten. Die Landesregierung will noch vor der Sommerpause über einen Standort für ein Großgefängnis im südlichen Landesteil entscheiden. Seit kurzem sind nur noch zwei Standorte in Meßstetten (Zollernalbkreis) und Rottweil im Rennen.

Vorzüge eines Großgefängnisses: Zwei Drittel der Gefängnisse in Baden-Württemberg wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg gebaut. Die Gebäude sind marode und müssen saniert werden. Die kleinen Anstalten sind zudem teuerer im Unterhalt: In großen Gefängnissen liegen die Personalkosten für einen Häftling laut Justizministerium bei 70 Euro pro Tag, in den kleineren bei rund 90 Euro. Zudem bieten die Einrichtungen nicht genügend Platz für moderne Resozialisierungsprogramme etwa mit entsprechenden Arbeitsplätzen. Sechs Anstalten mit 18 bis 53 Haftplätzen sollen geschlossen werden. In dem geplanten Großgefängnis sollen bis zu 500 Häftlinge untergebracht werden. Dort sollen auch bis zu 250 Arbeitsplätze entstehen.

Mögliche Standorte: In Meßstetten handelt es sich um das Gelände der ehemaligen Zollernalbkaserne, wo derzeit Flüchtlinge untergebracht sind. In Rottweil geht es um eine landwirtschaftlich genutzte Fläche nahe der Autobahn.

Kriterien für die Entscheidung: Die Fläche muss mindestens zwölf Hektar umfassen. Sie sollte gut an den Straßenverkehr angebunden sein: nah zur Autobahn gelegen, gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Die Häftlinge müssen aufgrund gesetzlicher Vorgaben wohnortnah untergebracht werden. Der Standort sollte nah zu Gerichten liegen. Die Bediensteten der bisherigen Gefängnisse sollen wohnortnah weiterbeschäftigt werden können.

Bevölkerung wird eingebunden: Die Meinung in der Bevölkerung zu einem Großgefängnis wird ein entscheidender Punkte für die Wahl der Landesregierung sein. Das Justizministerium ist bereits zweimal am Widerstand der Bürger gescheitert - in Tuningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) und in Rottweil. Damals ging es in Rottweil allerdings um einen anderen Standort als jetzt.

Haltung der Stadtverwaltungen: Beide Gemeinderäte haben sich in der Vergangenheit für den Bau eines Großgefängnisses in ihrem Ort positioniert. Das Gefängnis schafft und erhält Arbeitsplätze in der Stadt. Außerdem bringt der Standort bis zu 500.000 Euro pro Jahr über den kommunalen Finanzausgleich, da jeder Häftling wie ein Einwohner gerechnet wird. Meßstetten hat zudem Sorge, dass sich aufgrund seines fehlenden Autobahn- und Bahnanschlusses keine Industrie auf dem rund 65 Hektar großen Kasernengelände ansiedeln lässt. Rottweil ist bisher schon Gefängnisstandort.

Haltung der Bürger: "Der Grundtenor in der Bevölkerung ist, schätze ich, pro JVA", sagt Rottweils Oberbürgermeister Ralf Broß (parteilos). "Ich sehe eine gewisse Zurückhaltung, aber eher positiv", sagt Meßstettens Bürgermeister Lothar Mennig (Freie Wähler). Allerdings haben sich in beiden Orten schon Bürger gegen die nun diskutierten Standorte ausgesprochen. In Meßstetten gibt es Stimmen, die eine gewerbliche Nutzung für das Kasernengelände fordern. In Rottweil wünschen sich Anwohner den Erhalt der Fläche als Naherholungsgebiet.

Weiterer Zeitplan: Bis Mitte Juni haben beide Städte Zeit, dem Land eine Rückmeldung zu geben. Rottweil will am 29. April über die weitere Information der Bürger und einen möglichen Bürgerentscheid beraten. Oberbürgermeister Broß sagt allerdings, dass ein Bürgerentscheid aufgrund vorgeschriebener Fristen frühestens Ende Juni stattfinden könnte. In Meßstetten hat sich der Gemeinderat vorerst gegen einen Bürgerentscheid ausgesprochen, "um den Ort nicht zu zerreißen", wie Mennig sagt. Bis Ende April will Meßstetten darüber entscheiden, ob es Runde Tische mit Experten und Bürgervertretern organisieren will oder eine groß angelegte Bürgerinformationsveranstaltung.

Gibt es einen Favoriten? Das Land hält sich bedeckt, betont aber die Bedeutung der Infrastruktur - was für Rottweil spricht. In Meßstetten gäbe es dagegen eine bereits erschlossene Fläche, Natur müsste nicht verbaut werden. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten positioniert sich dagegen klar: "Ich hoffe, dass am Ende der politischen Entscheidung Meßstetten zweite Wahl ist", sagt der Landesvorsitzende Alexander Schmid. Ein Neubau in Rottweil sei sozialverträglicher, da dafür keiner der Bediensteten der Kleingefängnisse umziehen müsse.

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