"Wenn man Frieden will, muss man auch mit Assad sprechen"

Grüne Agnieszka Brugger über Russlands Rolle in Syrien und ihre Erwartungen an Deutschland

08.10.2015 UPDATE: 09.10.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden

Agnieszka Brugger fordert mehr Anstrengung, um die Finanzströme des IS zu unterbinden. Foto: dpa

Grüne Agnieszka Brugger über Russlands Rolle in Syrien und ihre Erwartungen an Deutschland

Von Kathrin Frank

Heidelberg. Agnieszka Brugger sitzt für die Grünen im Bundestag und ist Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung. Auf Einladung des Kreisverbandes Odenwald-Kraichgau diskutierte die 30-Jährige kürzlich mit Bürgern in Mauer über den Bürgerkrieg in Syrien. Die RNZ traf sie zum Interview.

Sie kamen als Kind mit ihren Eltern aus Polen nach Deutschland. Beeinflusst Sie die Erfahrung, wenn Sie jetzt über Flüchtlingspolitik sprechen?

Auf jeden Fall. Ich habe mich als Kind sehr gut aufgenommen gefühlt. Trotzdem gab es Nadelstiche wie eine Grundschullehrerin, die gesagt hat, ich würde nie eine Eins in Deutsch schaffen. Ich will meine Situation nicht mit der von Bürgerkriegsflüchtlingen vergleichen. Aber mein Migrationshintergrund hilft mir, mich in die Menschen reinzuversetzen. Ich weiß, was es bedeutet, in einem völlig fremden Land anzukommen und die Sprache nicht zu sprechen.

Viele würden sich sicher wünschen, zu Hause bleiben zu können. Wie lassen sich die Fluchtursachen bekämpfen?

Wir Grüne beobachten immer wieder eine Politik, die die Fluchtursachen noch verschärft. Ganz konkret sieht man das an den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern von Syrien. Jedes Jahr müssen die Vereinten Nationen mit dem Bettelkorb bei den Mitgliedsländern rumgehen, um die Nahrungsversorgung der Flüchtlinge sicherzustellen. Nie sind die Programme ausfinanziert und die Essensrationen müssen ab Herbst gekürzt werden. Das ist schrecklich und verschärft natürlich die Fluchtdynamik und dagegen könnte man sehr kurzfristig etwas tun.

Und langfristig?

Langfristig geht es um weniger deutsche Waffenexporte, eine aktivere Friedenspolitik und mehr Entwicklungszusammenarbeit, eine gerechte Außenhandelspolitik und darum, engagiert etwas gegen die Klimakatastrophe zu unternehmen. Sonst werden in den nächsten Jahren noch weit mehr Menschen flüchten.

Hilft es, den IS in Syrien militärisch zu bekämpfen?

Auf jeden Fall konterkariert das einseitige russische Eingreifen auf Seiten Assads alle Bemühungen, zu einer gemeinsamen Lösung zu finden. Ich finde, man muss sich viel mehr noch die Frage stellen, wie sich ISIS finanziert und wie man die Finanzströme unterbinden kann. Hier muss Druck auf Katar, Saudi-Arabien und die Türkei erhöht werden, um die logistische und finanzielle Unterstützung für ISIS aus diesen Ländern zu unterbinden. Es macht keinen Sinn militärisch einzugreifen, wenn es diese Länder und der Iran nicht schaffen, sich auf eine gemeinsame Linie zur Bekämpfung des Extremismus zu einigen. Am Ende ist eine Lösung des Syrienkonfliktes nur mit diesen regionalen Konkurrenzmächten realistisch.

Welche Rolle sollte Deutschland in Syrien spielen?

Ich finde nicht, dass der deutsche Beitrag in dieser Region darin bestehen sollte, sich als nächste Nation an den Luftschlägen zu beteiligen. Ich erlebe immer wieder, dass die Menschen in der Region viel eher erwarten, dass Deutschland viel mehr dafür tut, zwischen den verschiedenen Gruppen in Syrien oder dem Irak zu vermitteln und zum Beispiel Einfluss auf Russland auszuüben. Es wäre doch eine gute deutsche Rolle, darauf zu dringen, dass Russland Assad dazu zwingt, den Abwurf von grausamen Fassbomben auf die Zivilbevölkerung endlich zu beenden.

Kann man mit Assad verhandeln?

So schwierig das vielleicht zu ertragen ist, aber ich finde, wenn man Frieden schaffen will, muss man mit allen sprechen, die derzeit Gewalt ausüben. Und da gehört Assad dazu. Natürlich gibt es Gruppen, die nicht die Ansichten vertreten, die wir uns wünschen, aber auch sie müssen Teil eines möglichen Abkommens zu einem Waffenstillstand sein.

Russland will an Assad festhalten, der Westen ihn auf keinen Fall halten. Wie kann man unter diesen Voraussetzungen zusammenkommen?

Ich selbst kann mir nicht vorstellen, dass er Teil einer Übergangsregierung sein könnte. Aber ich will dem Ergebnis der Verhandlungen auch nicht vorweggreifen. Es gibt durchaus Beispiele, wo es gelungen ist, dass die Weltgemeinschaft an einem Strang gezogen hat. Zum Beispiel bei den Chemiewaffen. Da wurde so ein Druck auf Assad ausgeübt, dass er die Waffen abgeben musste. Dass das bei den Fassbomben nicht geht, hat auch mit der Rolle Russlands zu tun, das diesen schrecklichen Konflikt anheizt. Das massive und unabgesprochene militärische Eingreifen Russlands auf Seiten des Massenmörders Assad muss ein Ende finden. Stattdessen müssen alle Akteure unter der Führung der Vereinten Nationen an einen Tisch, und einen Weg finden, der das unermessliche Leid der Menschen in Syrien endlich beendet.