"Merkel droht ein heißer Herbst"

Parteienforscher Falter: Abwärtstrend könnte Union mitreißen - Aber keine personelle Alternative

15.08.2016 UPDATE: 16.08.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 50 Sekunden

Parteienforscher Falter: Abwärtstrend könnte Union mitreißen - Aber keine personelle Alternative

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin

Berlin. Jürgen W. Falter ist Parteienforscher (72; Foto: dpa) an der Uni Mainz.

Es warten jede Menge Krisenherde in den nächsten Monaten. Droht der Kanzlerin jetzt ein heißer Herbst?

Wenn die CDU bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin schlecht abschneidet, droht Angela Merkel ein heißer Herbst. Das wird man automatisch mit dem sinkenden Vertrauen in sie verbinden. Ihr Plus, der Vertrauensbonus und die Popularität, schwindet in der Flüchtlingskrise dramatisch.

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Das heißt, die Menschen verlieren den Glauben daran, dass wir das schaffen?

Wir werden das wohl irgendwie und so einigermaßen schaffen, die Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen. Die Frage ist, wie lange es dauert und wie die Integration gelingen kann. Brauchen wir zehn oder zwanzig Jahre, bis die bis jetzt ins Land gekommenen Flüchtlinge so integriert sind, dass sie auch Arbeit haben? Da sind die Zweifel groß.

Während die Umfragewerte der Kanzlerin deutlich zurückgehen, bleibt die Union stabil. Wie ist das zu erklären?

Merkel hatte lange hohe Zustimmungswerte in den Umfragen. Der aktuelle Abwärtstrend hat die CDU nicht wirklich erreicht. Auf Dauer wird das aber nicht gutgehen. Gelingt es der SPD, einen attraktiven Kanzlerkandidaten zu präsentieren, der Aussicht auf eine rot-rot-grüne Mehrheit hätte, wird sich das auch auf die Werte der Union auswirken.

Kann die Kanzlerin das Thema Sicherheit noch glaubwürdig vertreten?

Merkel überlässt die Aufgabe ihrem Mister Sicherheit, Innenminister Thomas de Maiziére. Er trägt viel dazu bei, dass die CDU noch so gut dasteht.

Aus der CDU-Spitze hagelt es Kritik an den Unternehmen, sie würden sich zu wenig für Flüchtlinge einsetzen.

Die Kritik ist auch der Versuch, von der eigenen Hilflosigkeit abzulenken. Merkel hat nie erklärt, wie wir das schaffen sollen. Sie versucht, Zuversicht zu geben, ohne Lösungen anzubieten. Die Wirtschaft kann doch niemanden einstellen, der nicht die notwendigen Qualifikationen mitbringt.

Hat sich die EU mit dem Türkei-Flüchtlingspakt erpressbar gemacht?

Mit dem Flüchtlingspakt hat sich Angela Merkel in eine gefährliche Abhängigkeit vom türkischen Präsidenten Erdogan begeben. Die Türkei hat mit der Drohung, das Abkommen aufzukündigen, ein enormes Erpressungspotenzial. Scheitert der Pakt, kann man nur hoffen, dass die Schließung der Balkan-Route hält.

Ist Merkel nicht alternativlos?

Im Moment ist keine personelle Alternative in der Union erkennbar, die auch nur annähernd die Glaubwürdigkeit, Autorität und Erfahrung von Merkel hätte. Wenn sie antreten will, wird sie auch Kanzlerkandidatin. Sie hat das Problem aller starken Kanzler: Im Schatten starker Bäume wächst wenig. Sie ist geradezu dazu verdammt, erneut anzutreten.

Warum kann die SPD nicht stärker von Merkels Problemen profitieren?

SPD-Chef Sigmar Gabriel fällt im Vergleich zu Merkel doch deutlich ab. Die Wähler wollen jemanden, der ihnen das Gefühl gibt, ein verantwortungsvoller Politiker zu sein, so wie bei Helmut Schmidt. Jemanden, der nicht täglich die Meinung wechselt.