Ende eines Traums? Die Rückkehr der Grenzkontrollen

Kontrollen im eigentlich reisefreien Schengen-Raum, Überprüfungen auch von Europäern an den EU-Außengrenzen - angesichts von Flüchtlingskrise und Terrorismus macht Europa die Schotten dicht. Sind die Zeiten des unbeschwerten Reisens vorbei?

12.12.2016 UPDATE: 12.12.2016 11:33 Uhr 1 Minute, 36 Sekunden
Ende eines Traums? Die Rückkehr der Grenzkontrollen

Der Schriftzug Schengen ist am Ufer der Mosel in Luxemburg zu lesen. Grundsätzlich gilt zwischen den 26 Schengen-Staaten in Europa die Reisefreiheit. Wegen des starken Flüchtlingsandrangs hatte Deutschland aber am 13. September 2015 wieder Grenzkontrollen eingeführt. Foto: dpa

Von Martina Herzog

Brüssel (dpa) - Ein Schild am Straßenrand, wenn überhaupt, und schon ist man drüben. In Frankreich, Polen oder Luxemburg oder einem anderen der 26 europäischen Schengen-Staaten. "Steigen Sie in einen Zug oder ins Auto, und besuchen Sie Ihre Nachbarn", fordert EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos die Bürger auf. "Einfach so, ohne sich Gedanken über Grenzen machen zu müssen." Und doch kontrolliert Deutschland ebenso wie fünf weitere europäische Länder derzeit wieder Abschnitte seiner nationalen Grenzen.

Bis auf Frankreich, das aus Terrorangst handelt, begründen alle die Rückkehr der Grenzer mit der Flüchtlingskrise. Aber ist die in Nordeuropa nicht längst abgeflaut? Wenn die Kontrollen fallen, dann könnten sich auch wieder Migranten aus Griechenland in andere europäische Staaten aufmachen, unterstreichen die EU-Staaten in einem Beschluss zum Thema.

"Das ist Symbolpolitik", sagt die Soziologin Monika Eigmüller von der Europa-Universität Flensburg. "Was wir jetzt haben, ist ja auch keine flächendeckende Kontrolle, sondern das Zeichen des Staates: Wir haben unsere Souveränität nicht vollständig abgegeben." Die Politik reagiere damit auf wachsende Unsicherheit ihrer Wähler und auf das Erstarken rechter Parteien angesichts von Terrorismus und Zuwanderung.

Ob tatsächlich kontrolliert wird, ist dabei eine ganz andere Frage. Eigmüller jedenfalls, die in Schleswig-Holstein selbst nahe der eigentlich kontrollierten deutsch-dänischen Grenze wohnt, hat nicht viel zu berichten: "Man geht hier über eine kleine Brücke, und dann ist man in Dänemark. Und da steht manchmal, alle paar Tage für eine Stunde ein Polizist – Symbolpolitik – und der schaut sich Enten an."

Doch die Grenzen werden dichter, langsam, aber beharrlich, selbst innerhalb des Schengen-Raums. Wo nicht sichtbar überwacht wird, werden Daten gesammelt. Belgien will die Informationen von Passagieren auf internationalen Verbindungen speichern - nicht nur bei Flugreisen, auch im Bahn-, Bus- und Schiffsverkehr. Das soll im Anti-Terror-Kampf helfen.

Reisende aus Nicht-EU-Staaten, die derzeit ohne Visum nach Europa kommen dürfen, sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig eine Einreisegenehmigung brauchen. "Terroristen und sonstige Straftäter kümmern sich nicht um nationale Grenzen", erklärt der zuständige EU-Kommissar Julian King. Selbst EU-Bürger müssen sich darauf einstellen, dass sie kontrolliert werden, wenn sie in Zukunft in die Europäische Union einreisen oder sie verlassen.

"Es gibt das übergeordnete Problem staatlichen Kontrollverlusts - wenn es um die Wirtschaft, Arbeitsplätze oder die Umwelt geht", erklärt der Politikwissenschaftler David Miller von der britischen Universität Oxford. "Aber bei Grenzen ist der Verlust von Kontrolle sehr sichtbar. Im Fernsehen sieht man Menschen, die sich ihren Weg über Grenzen erzwingen, auf Laster springen oder mit dem Boot kommen."

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