Die Welt von oben

Nächster Halt: Weltall

Es sind nicht mehr nur Fantasien aus dem Science-Fiction-Genre: Viele Pioniere arbeiten
am Kindheitstraum vom Weltraumflug oder gar an der Kolonisation des Mars

04.05.2017 UPDATE: 06.05.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 46 Sekunden

Elon Musk will in den nächsten Jahrzehnten eine Million Menschen ins All und auf den Mars bringen.

Von Antje Urban

Kaum ein Mensch, der nicht davon träumt, ins All zu fliegen: Sich einmal schwerelos fühlen und den Blauen Planeten aus dem Weltraum sehen können. Bislang durften nur sieben Touristen für hohe Millionenbeträge einen Flug zur Raumstation ISS erleben. Doch schon bald soll dieser Luxus nicht nur Millionären vorbehalten sein.

An der Zukunft des kommerziellen Weltraumtourismus arbeiten seit Jahren neben den amerikanischen und europäischen Raumfahrtbehörden NASA und ESA viele verschiedene private Unternehmen und Investoren. Allen voran sind es Tesla-Chef und Paypal-Gründer Elon Musk, Amazon-Gründer Jeff Bezos sowie der britische Unternehmer Richard Branson (Virgin). Letzterer schien lange die Nase vorn zu haben, hatte dann aber mit einigen Rückschlägen zu kämpfen.

Musk hingegen hat mit seinem Unternehmen SpaceX bereits mehrfach einsetzbare Triebwerke entwickelt, mit denen er in Zukunft kostengünstig Passagiere ins All bringen will. Und auf den Fersen ist ihm Jeff Bezos, Eigentümer des Raumfahrtunternehmens Blue Origin, der unlängst verkündete, dass er weitere 2,5 Milliarden Dollar investieren würde, um von 2018 an Weltraumflüge für zahlende Passagiere anbieten zu können.

Das Kopf-an-Kopf-Rennen der Akteure scheint die Entwicklung rasant voranzutreiben. Doch die Wahrheit ist - weniger rasant, als schon vor Jahren propagiert wurde. Bereits 2013 kündigte Richard Branson nach einem erfolgreichen Überschall-Testflug seiner Raumkapsel "SpaceShip᠆Two" an, dass spätestens 2014 Raumflüge mit seiner Weltraum-Fluglinie Virgin Galactic für jeden möglich wären. Sein Spaceship wurde mithilfe eines Trägerflugzeugs in 14 Kilometer Höhe gebracht und konnte sich selbst dann mit dem eigenen Raketenantrieb kurzzeitig auf Überschallgeschwindigkeit und in eine Höhe von 17 Kilometern bringen. Das war noch nicht hoch genug und weitere Tests sollten folgen.

Doch dann kam 2014 der Rückschlag, als die SpaceShipTwo bei einem weiteren Testflug in der Mojave-Wüste in Kalifornien abstürzte. Einer der beiden Piloten starb. Dennoch betonte Branson direkt nach dem Unglück, dass er an seinen Plänen für den privaten Weltraumtourismus festhalten wolle. So präsentierte er 2016 das Nachfolge-Raumschiff "Unity", das vor Kurzem von der US-Flugaufsicht FAA die wichtige Genehmigung für suborbitale Testflüge erhalten hat.

Auch die Unity ist mit zwei Piloten bemannt und soll bis zu sechs Touristen mit auf ihren suborbitalen Flug nehmen können. Branson hat den Start seiner kommerziellen Raumflüge nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Und auch Bezos hatte eigentlich bereits 2017 als Starttermin für seine Passagierflüge mit der "New Shepherd" festgelegt. Auf der Webseite von Blue Origin können sich Interessierte für einen Flug schon seit Langem registrieren.

Das Interesse ist groß. Die sogenannten "Space Flight Participants" könnten dann zukünftig bei einem Flug in bis zu 100 Kilometern über der Erde die Schwerelosigkeit erleben. Hier liegt physikalisch die Grenze zum Weltraum, die sogenannte Kármán-Linie. Bei Flügen bis zu dieser Linie spricht man von Luftfahrt, darüber beginnt die Raumfahrt. Fachleute gehen davon aus, dass sich der suborbitale Weltraumtourismus zunächst auf Flüge eben in dieser Höhe von bis zu 100 Kilometern beschränken wird.

Welcher Anblick bietet sich hier? Die Erde sieht zwar gerundet aus, der Rand zwischen der Atmosphäre und dem Universum ist erkennbar, aber die Erde ist nicht in ihrer kompletten Pracht zu sehen. Die künftigen Weltraumtouristen werden sich daher auch nicht Astronauten nennen dürfen, denn das ist man erst nach mindestens einer Erdumrundung.

Die ersten Passagiere hätten schon längst am ersten kommerziellen Weltraumflughafen, dem Spaceport America, einchecken sollen. 2011 wurde der im Jornada del Muerto Tal in New Mexico fertiggestellt, der Flugbetrieb sollte ursprünglich 2013 aufgenommen werden. Stararchitekt Sir Norman Foster durfte hier seine Vorstellungen eines futuristischen Bahnhofs verwirklichen. Zurzeit dient der Bau aber nur für Fotoaufnahmen oder als originelle Filmkulisse. Für den amerikanischen Bundesstaat New Mexico entwickelt sich die kostspielige Investition - rund 178 Millionen Euro - dagegen langsam zum Desaster.

Die Pioniere der neuen privaten Raumfahrt eint nicht nur das Denken in Superlativen und deren bislang erfolglose Vermarktung. Sondern auch ihre unbändigen Visionen. Elon Musk mit seinem Raumfahrtunternehmen SpaceX ist bereits eine feste Größe im Weltraumbusiness, neben Boeing führt er die Versorgungsflüge zur Internationalen Raumstation (ISS) durch. Doch der ambitionierte 45-jährige Südafrikaner stellte auf dem Internationalen Astronauten-Kongress im vergangenen Jahr seine Pläne für Raumschiffe vor, die in den nächsten Jahrzehnten eine Million Menschen nicht nur ins All, sondern auf den Mars bringen sollen.

Und auch Bezos träumt nicht nur von zahlreichen Passagieren, die er eines Tages in Kapseln über der Erde fliegen lässt - nach seinen Vorstellungen sollte die Industrie zukünftig ins All verlagert werden: "Wir müssen die Erde beschützen und das gelingt uns nur, wenn wir ins Weltall gehen. Die Energie ist unbegrenzt da oben. Spätestens in ein paar hundert Jahren wird unsere ganze Schwerindustrie vom Planeten verschwunden sein." Doch das ist Zukunftsmusik für kommende Generationen.

Bei allem Weltraumfieber im neuen Geschäftsfeld der zivilen Raumfahrt, niemand hat bislang Geld damit verdienen können. Bis auf die Russen. Schon 2001 konnte der amerikanische Geschäftsmann und Raumfahrtingenieur Dennis Tito als erster Tourist die ISS besuchen. Das "Ticket" kostete ihn damals 15 Millionen Euro. Bis 2009 folgten sechs weitere Touristen der Einladung der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, die mit Ticketpreisen um die 20 Millionen Dollar ihr Budget aufbesserte.

Roskosmos zog bereits 2011 in Betracht, bevor die ISS möglicherweise 2024 aufgegeben wird, mit einer sogenannten Commercial Space Station (CSS), einem Hotel im All, den kommerziellen Weltraumtourismus ankurbeln zu wollen. Doch bis dato liegen die Pläne brach. Stattdessen hat die Nasa, die ebenfalls kommerziellen Nutzen aus dem amerikanischen Teil der ISS schlagen möchte, letztes Jahr eine aufblasbare Raumstation an die ISS angedockt. Sie soll für mehrere Personen Platz bieten, wird allerdings die nächsten zwei Jahre erst noch getestet.

Trotz der regelmäßigen und lautstarken medialen Ankündigungen werden zum Pauschaltourismus in den Suborbit oder gar Orbit sicher noch einige Jahre vergehen. Aber fest steht: Bei der Euphorie, dem finanziellen Spielraum und dem vorhandenen Forschergeist wird die Zukunft der Menschen definitiv ins All führen. Oder wie es Elon Musk sagt: "Wenn die Menschheit auf der Erde bleibt, wird sie irgendwann ausgelöscht. Eine Alternative wäre, eine raumfahrende Zivilisation und multi-planetare Spezies zu werden."