Deutsche Entwicklungshelfer in Madagaskar: Grüner wird’s nicht

Grüne Bohnen, grüne Vanille, grüne Holzkohle – in Madagaskar wollen deutsche Entwicklungshelfer die Welt ein bisschen besser machen. Sie beraten die Bauern und geben Hilfe zur Selbsthilfe. Unser Reporter hat die Entwicklungshelfer begleitet.

21.08.2015 UPDATE: 22.08.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 47 Sekunden

Der Vanille-Farmer mit seinen Pflanzen. Er muss auch auf die Vanille-Wilderer achten. Foto: GIZ

Von Harald Berlinghof

Erst ein scheuer Blick, dann bricht es lauthals aus Patrice Manizara heraus. Die Frage war wohl doch zu komisch. Ob es nicht gut wäre, wenn die madagassische Regierung die Menschen hier in Diego-Suarez ganz im Norden von Madagaskar auch in dieser Form unterstützen würde, wie es die Leute der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tun? Naja, gut wäre es schon.

Patrice Manizara ist Schüler im Fortbildungszentrum der GIZ in Diego. Mit 40 Jahren ist er schon ein bisschen alt, um Schüler zu sein, aber zum ersten Mal in seinem Leben wird ihm eine Perspektive geboten. Seine Mutter schlägt sich als Bäuerin und Näherin durch, sein Vater ist tot, er selbst war bis vor wenigen Wochen Tagelöhner ohne jede Ausbildung und Aufstiegschance. Jetzt lernt er seit vier Wochen, kleine Holzkohleherde zu bauen, in denen die "grüne Holzkohle" der Eukalyptus-Bauern aus der Umgebung zum Kochen eingesetzt wird.

Doch die effektiven kleinen Öfen stehen eher am Ende des Projektstranges "Charbon vert" (Grüne Holzkohle) der GIZ. Am Anfang des Projekts beraten und lehren die deutschen Entwicklungshelfer die madagassischen Bauern, schnell nachwachsende Eukalyptusbäume zu pflanzen und sie für die Herstellung von Holzkohle zu verwenden. Die Holzkohle wird dann in neuartigen effektiven Kohlemeilern hergestellt und schließlich in den energiesparenden kleinen Öfen verbrannt.

Das Tropenholz verscherbelt

21 Prozent der Haushalte in der Region Diego nutzen inzwischen die Öfen. Alles das passiert zum Schutz der Primärwälder auf Madagaskar, von denen nur noch rund zehn Prozent des ursprünglichen Bestandes vorhanden sind. Nur dort leben die einheimischen Lemurenarten. Der Rest der Urwälder ist der Abholzung durch die Menschen zum Opfer gefallen. Die wertvollen Tropenhölzer wurden bestenfalls billig ins Ausland verkauft, schlimmstenfalls wurden sie von ausländischen Konzernen gestohlen und außer Landes gebracht.

Die weniger wertvollen Holzarten wurden für den Bau der ärmlichen Holzhütten verwendet. Wellblech ist nur für die Besserverdienenden, und Lehmhäuser kommen nicht in Frage. "Im Lehm wohnen nur die Toten", sagt man auf Madagaskar. Deshalb lösen sich große Teile der Urwälder einfach in Rauch auf, wenn mit Holzkohle gekocht wird.

Dabei ist die madagassische Natur einzigartig. 70 Prozent Fauna und Flora der ursprünglichen Wälder kommt nur auf Madagaskar vor. Davon sind die Lemurenarten die bekanntesten, auch einige Geckos und Chamäleons zählen dazu. Aber auch zahlreiche viel weniger sympathische und kaum liebenswerte Geschöpfe aus dem niederen Tierreich gehören dazu.

"Fünf Minuten vor zwölf, wie man so sagt, liegt bereits hinter uns. Es ist aber noch nicht zu spät, also fünf Minuten nach zwölf. In Sachen Umwelt und Natur ist es in Madagaskar Mitternacht", so der deutsche Botschafter Harald Gehrig in der Hauptstadt Antananarivo, die wegen ihres langen Namens von allen nur Tana genannt wird. Viele Madagassen verdienen ihren mageren Lohn in prekären Arbeitsverhältnissen, ohne Rechte und in Saisonarbeit als Tagelöhner. Ausbeutung ist an der Tagesordnung. Viele Bauern leben am Existenzminimum und verdienen sich etwas hinzu durch illegalen Raubbau an den Urwäldern.

Die GIZ versucht im Norden der viertgrößten Insel der Welt die Bauern darin zu schulen, wie brachliegende Flächen, die auch für den Anbau von Gemüse nicht mehr taugen, mit schnell wachsenden Eukalyptusbäumen bepflanzt werden können. Die Artenvielfalt in solch einer Eukalyptus-Plantage tendiert zwar gegen null, aber der indirekte ökologische Nutzen ist trotzdem gewaltig. Denn nach fünf bis sechs Jahren können die Bäume mit einem Stammdurchmesser von 15 Zentimetern geerntet und in Holzkohlemeilern weiterverarbeitet werden.

Was die Bauern ganz besonders am Eukalyptus schätzen, ist die Tatsache, dass er aus dem Baumstumpf wieder austreibt, man nicht neu pflanzen muss, auch kein neues Saatgut kaufen muss. Bauern aus 68 Dörfern beteiligen sich an dem Aufforstungsprojekt der GIZ. 9000 Hektar Eukalyptuswald sind so entstanden, der als Ressource für die Holzkohleherstellung dient und so den Druck auf die Urwälder verringert. Die Abholzung in der Umgebung ist zum Stillstand gekommen, wie man bei der GIZ stolz erklärt. Doch die Geschichte der Grünen Holzkohle hat noch zwei weitere Kapitel.

Wir sind auf staubigen Pisten mit den GIZ-Jeeps unterwegs ins Hinterland von Diego zu den Köhlern von Madagaskar. Sie betreiben, obwohl sie jetzt "grüne Holzkohle" herstellen, ein rabenschwarzes Handwerk wie einst ihre Väter. In der Nähe des Dorfes Ankitsaka brennen die Holzkohlemeiler, die von der GIZ gebaut wurden; sie gehören jetzt den Bauern der Umgebung. Damit die Grüne Holzkohle ihre Bezeichnung auch verdient, arbeiten die Meiler dreimal effektiver, als mit der alten Methode zu erreichen war. "Wir sind glücklich über die neuen Öfen", meint der Leiter der Kooperative, Abdou Moukbel, den alle nur Doudou, den Unternehmer, nennen. Obwohl alle zwölf Bauern der Kooperative gleichermaßen am Gewinn beteiligt sind. Aber Doudou hat das Sagen. Er ist der Chef. Der "Unternehmer".

Holzkohle brennt besser

Binity Soanoro ist das letzte Glied in der Kette der grünen Holzkohle. Lachend kommt sie auf die Reporter aus Deutschland zu. Sie verkauft die Öfen auf der Straße vor ihrem Haus. 7000 bis 10 000 Ariary kostet solch ein Ofen in einheimischer Währung, der aus alten Blechteilen und einem gebrannten Lehm-Ton-Korpus besteht. Das entspricht etwa zwei bis drei Euro und ist gerade noch erschwinglich für die Menschen, die selten mehr als 200 Euro pro Jahr verdienen.

Holzkohle ist auf Madagaskar der traditionelle Brennstoff für die Küche. Gegenüber Holz hat sie den Vorteil langsam und kontrolliert abzubrennen. Die verbesserte Verbrennung in den GIZ-Herden hinzugenommen bewirkt, dass jeder einzelne Haushalt statt jährlich einem Hektar Naturwald nur noch 0,35 Hektar Eukalyptusplantage verfeuert.

Wie man die Dinger benutzt? Ja klar, da war doch ein Infoblatt für die Hausfrauen, das mit Bildern und Zeichnungen arbeitet, weil viele nicht lesen können. "Ja, wo sind denn die Blätter?" Sie kramt in ihrem Haus danach und findet sie doch nicht. Egal, das kann sie den Frauen auch ohne Papier erklären. So schwer ist das nicht.

Das Kochen mit Solarkochern wird von den Hausfrauen nicht angenommen. Die Öfen sind zu teuer und zu unpraktisch. Gekocht wird schließlich am Abend in den Häusern, nicht auf offener Straße am helllichten Tag. Romantische Vorstellungen von der Dorfgemeinschaft, die das Mittagessen gemeinsam im Freien zuzubereiten, sind längst überholt.

Vanille ist die Königin der Gewürze und nach Safran das zweitteuerste Gewürz der Welt. Rund 80 Prozent der weltweit gehandelten Vanille stammt aus Madagaskar. Das meiste davon aus der nördlichen Provinz Sava. Dort haben sich gut 3000 Vanillebauern zu Erzeugergemeinschaften zusammengeschlossen, um stabilere Preis für ihre Produkte zu erhalten.

Für die Vanille braucht man Wald, denn sie wächst als Kletterpflanze auf extensiven versteckt angelegten Feldern. Keiner der Bauern verrät gerne, wo er seine Vanille anbaut, denn es soll viele Vanillewilderer geben, die die wertvollen Früchte stehlen. "Dieses Jahr bin ich das erste Mal nicht beklaut worden", erzählt Zilima. Jeder nennt sie so und einen Nachnamen hat sie angeblich nicht. Sie ist nicht gerade die Ärmste im Dorf, denn in ihrer Holzhütte hat sie Fernseher und DVD-Player unter Spitzendeckchen verstaut, künstliche Plastikblumen stehen auf dem Tisch. Wo der Strom herkommt, bleibt unklar. Sie ist 61, geschieden und hat sieben Kinder, die leben in Tana. Natürlich will sie lieber in ihrem Dorf bleiben, als in die Hauptstadt umzuziehen. Aber mit 61 Jahren auf dem Feld arbeiten. Das macht ihr zu schaffen.

Meist wird die Vanille, deren Blüten von den Bauern einzeln am frühen Morgen mit der Hand bestäubt werden müssen, in grünem Zustand geerntet, getrocknet und an das benachbarte Unternehmen Symrise verkauft. Man hat zwar einen Vanille-Wetter-Experten im Dorf, der angeblich Regen vorhersagen kann. Aber es ist trotzdem besser, die Vanille in grünem Zustand billiger zu verkaufen und dadurch das Risiko des Trocknens und des Diebstahls zu verringern.