Hintergrund - Kontroverse Debatte über Fall der getöteten Studentin

05.12.2016 UPDATE: 05.12.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 28 Sekunden

Kontroverse Debatte

Sören S. Sgries und Jürgen Ruf

Freiburg. Der Verdächtige schweigt. Das ist die eine neue Information, die am Montag von der Staatsanwaltschaft in Freiburg zu bekommen ist. Die andere: Die 19-jährige Medizinstudentin Maria L., die Mitte Oktober am Ufer der Dreisam vergewaltigt wurde und dann starb, war in der Flüchtlingshilfe engagiert. Ob sie daher ihren mutmaßlichen Mörder kannte? Den 17-jährigen afghanischen Flüchtling, der am vergangenen Freitag gefasst wurde? Ungewiss.

Umso meinungstärker wird bundesweit das Verbrechen in der Breisgau-Stadt diskutiert - selbst die Bundeskanzlerin ließ ihren Sprecher Stellung beziehen. Sollte sich der Tatverdacht bestätigen, müsse der 17-Jährige für die abscheuliche Tat bestraft werden, so Regierungssprecher Steffen Seibert. "Aber wir dürfen nicht vergessen, wir reden dann von der möglichen Tat eines afghanischen Flüchtlings, nicht einer ganzen Gruppe von Menschen, die wie er Afghanen oder Flüchtlinge sind."

Auch Vize-Regierungschef Sigmar Gabriel hatte zuvor erklärt: "So bitter es ist: Solche abscheulichen Morde gab es schon, bevor der erste Flüchtling aus Afghanistan oder Syrien zu uns gekommen ist", so der SPD-Mann. "Wir werden nach solchen Gewaltverbrechen - egal, wer sie begeht - keine Volksverhetzung zulassen." Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, nannte es "schäbig", dass nun einige aus dieser Tat politisches Kapital schlagen wollten.

Denn genau in diese Richtung driftet die Diskussion in diversen Internet-Kommentarspalten. Ganz vorne mit dabei: die AfD, die von "Merkels Jahr der Schande mit neuem Tiefpunkt" spricht. "Wir sind erschüttert über diese Tat und erleben gleichzeitig, dass unsere Warnungen vor der ungesteuerten Einreise Hunderttausender junger Männer aus patriarchalisch-islamischen Kulturkreisen als populistisch abgewertet wurden", so AfD-Bundeschef Jörg Meuthen.

Besonders heftig im Kreuzfeuer der Kritik steht die ARD-Tageschau, die in ihren 20-Uhr-Nachrichten nicht über den Fall berichtet hatte. Warum? "Es geht um die Relevanz für die gesamte Gesellschaft", erklärte Chefredakteur Kai Gniffke. Die habe man nicht gesehen, sondern nur eine regionale Bedeutung - der SWR berichtete ausführlich. Der "Gesprächswert" des Mordfalls habe als Kriterium nicht ausgereicht. "Wir können und wir wollen nicht über jeden der circa 300 Mordfälle pro Jahr berichten", so Gniffke.

Ob ein deutscher Täter, ein Flüchtlingsmädchen als Opfer etwas verändert hätte? Nein, so Gniffke. Und über Anschläge auf Flüchtlingsheime werde berichtet, "weil sich dahinter ein gesellschaftlich breites Phänomen verbirgt, nämlich dass es Fremdenfeindlichkeit in diesem Land gibt".