Das Wunder von Walldorf war ein Wechselbad der Gefühle
Der FC-Astoria schlägt in der ersten Runde des DFB-Pokals den Zweitligisten VfL Bochum mit 4:3 nach Verlängerung

Marcel Carl erzielte beim Walldorfer 4:3-Sieg über Bochum mit einem herrlichen Schlenzer zum 2:1 das schönste Tor des Tages (großes Bild oben). Für die Entscheidung sorgte Steffen Straub (unten links) mit dem 4:2 in der 107. Minute. Danach kannte der Jubel beim FCA um Cheftrainer Matthias Born (rechtes Bild, Mitte) keine Grenzen mehr. Fotos: Jan A. Pfeifer
Von Armin Rößler
Walldorf. Am Ende entlud sich die Anspannung gleich doppelt: Erst in einem lauten Jubelschrei, als Marcel Carl das vermeintliche 5:3 für den FC-Astoria Walldorf erzielt hatte, das dann aber wegen Foulspiels nicht anerkannt wurde. Und wenige Sekunden später in noch viel lauterem Gebrüll, nachdem Schiedsrichterin Riem Hussein die Pokalpartie gegen den VfL Bochum abgepfiffen hatte. Regionalligist Walldorf schlug den Zweitligisten mit 4:3 nach Verlängerung. "Das kann man nicht in Worte fassen", sagte Steffen Straub, der nach 83 Minuten eingewechselt worden war und nach 107 Minuten das vorentscheidende 4:2 erzielte. "Wer das Tor macht, ist ganz egal, Hauptsache, es hat der Mannschaft geholfen", freute sich der Schütze.
In ihrer Einschätzung waren sich alle Beobachter einig: Der Sieg für den FCA war absolut verdient, von einem Zwei-Klassen-Unterschied war auf dem Platz nichts zu bemerken. "Ich gratuliere Walldorf und wünsche viel Glück in der zweiten Runde", sagte der sichtlich enttäuschte Bochumer Coach Gertjan Verbeek in der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Die waren heute besser als wir", der FCA sei eine Mannschaft, "die richtig gut Fußball spielen kann". Walldorfs Trainer Matthias Born zeigte sich "sehr happy" und sagte: "Mich freut’s extrem für die Truppe. Wir waren sehr konzentriert und sehr zielstrebig." Born erklärte: "Wir haben verdient gewonnen."
"Ich bin stolz auf das ganze Team. Wir haben Walldorf würdig vertreten", sagte FCA-Präsident Willi Kempf direkt nach dem Schlusspfiff. "Ich hätte von Bochum mehr erwartet", erklärte Roland Dickgießer (Geschäftsführer Sport). "Das war eine super Leistung. Man sieht, wie schon die jungen Spieler technisch super ausgebildet sind, das geht von ’Anpfiff ins Leben’ bis ganz nach oben", lobte SAP-Vorstand Gerd Oswald.
Ein kleiner Wermutstropfen war die Zuschauerzahl. Die wurde offiziell mit 3000 angegeben, angesichts der vielen leeren Plätze auf den Zusatztribünen werden es sogar noch ein paar weniger gewesen sein. "Die nicht da sind, sollten sich ärgern", meinte Willi Kempf kurz vor der Verlängerung. "Wer heute da war, wird wiederkommen", glaubte Roland Dickgießer nach dem Schlusspfiff.
Bis es so weit war, mussten die Fans durch ein Wechselbad der Gefühle. Willi Kempf hatte "ein gutes Gefühl", Stadionsprecher Nils Lindner verkündete: "Heute wollen wir die Sensation möglich machen." Schon nach sechs Minuten fiel das 1:0 für den FCA durch Nicolai Groß. Marco Stiepermann glich durch einen trockenen Fernschuss aus (22.). Nach dem Seitenwechsel ging erneut Walldorf in Führung: Marcel Carl schlenzte den Ball aus 22 Metern ins lange Eck (55.). "Ein Tor des Monats", lautete das Kompliment seines Trainers. Nur zehn Minuten später der erneute Ausgleich durch Kevin Stöger - haltbar, wie schon der erste Gegentreffer. "Kein Vorwurf", sagte Born später über Torhüter Denis Wieszolek. Torwarttrainer Christian Biebl ergänzte: "Der Junge ist 20 und hat noch nie Regionalliga gespielt. Zum Schluss hat er dann zwei Dinger super gehalten."
Chancen gab’s in dem offenen Schlagabtausch auf beiden Seiten, Tore fielen erst wieder in der Verlängerung. "Heute klappt’s", kündigte Walldorfs Feuerwehr-Kommandant Frank Eck dem FCA-Präsidenten nach 90 Minuten an und versprach Kempf einen Schnaps für den Sieg. "Der Schnaps hat geholfen", schmunzelte Eck später.
In der 95. Minute ebnete das 3:2 den Weg zum Sieg: Erst traf Christopher Hellmann den Pfosten, dann beförderte Marcus Meyer den Ball im Nachschuss ins Tor. Beide wurden ebenso eingewechselt wie Steffen Straub, der nach 107 Minuten den Deckel mit dem 4:2 drauf machte. Ersatzspieler und Betreuer rannten euphorisch auf den Platz, die Haupttribüne sang "Steht auf, wenn ihr Walldorfer seid" und "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin"-Rufe erklangen. Der vorher so lautstarke Bochumer Block mit 1200 Gästefans war jetzt verstummt. Das 4:3 durch Kevin Stöger (118.) ließ die Walldorfer noch mal zittern. "Ich tät sagen, wir machen Feierabend", schlug ein Ordner dem vierten Schiedsrichter vor. "Das geht leider nicht", sagte dieser humorlos und zeigte mit seiner Tafel eine Minute Nachspielzeit an. "Ich hoffe, es reicht", bangte Jochen Holzwarth (FCA-Geschäftsführer Verwaltung) und begleitete jede gelungene Szene mit geballter Faust - bis zum erlösenden Schlusspfiff.
"Alles gut", zog für die Polizei der Leiter des Wieslocher Reviers, Uwe Schrötel, ein positives Fazit. Dank intensiver Kontrollen habe man verhindern können, dass die "überraschend vielen Gästefans" Pyrotechnik in den Dietmar-Hopp-Sportpark schmuggeln konnten.
Bleibt die Frage nach dem Wunschgegner für die nächste Runde: Mönchengladbach (Kempf), Bayern oder Dortmund (Holzwarth)? "Wir sind bescheiden genug, uns über jeden Erst- oder Zweitligisten zu freuen", sagte Trainer Born. "Wir werden jedes Spiel genießen, egal, was kommt", erklärte Torschütze Steffen Straub. Ausgelost wird am 26. August.