100 Tage im Amt: Wieslochs neuer OB Dirk Elkemann zieht Bilanz

Im Interview mit der RNZ lässt er die ersten Monate seit seinem Amtsantritt Revue passieren und blickt auch voraus auf seine Agenda in diesem Jahr

08.04.2016 UPDATE: 10.04.2016 06:00 Uhr 4 Minuten, 37 Sekunden

100 Tage im Amt: Wieslochs neuer Oberbürgermeister Dirk Elkemann. Im RNZ-Interview blickt das Stadtoberhaupt zurück auf "intensive, aber schöne" erste drei Monate und benennt auch seine Ziele und Vorhaben für dieses Jahr. Foto: Pfeifer

Wiesloch. (oé) Die ersten hundert Tage im Amt sind eine klassische Zäsur: So lange hat ein neuer Amtsträger Zeit, sich einzuarbeiten und erste Weichen zu stellen. Für Wieslochs neuen Oberbürgermeister Dirk Elkemann endet diese 100-Tage-Frist an diesem Wochenende - Zeit, um eine erste Bilanz zu ziehen. Im Interview mit der RNZ lässt das Stadtoberhaupt die ersten gut drei Monate seit seinem Amtsantritt am 1. Januar Revue passieren und blickt auch voraus auf seine Agenda in diesem Jahr.

RNZ: Herr Elkemann, Ihre ersten 100 Tage als Oberbürgermeister der Weinstadt sind vorüber. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Dirk Elkemann: Sie war sehr intensiv, aber auch sehr schön. Klar galt es zunächst einmal viele neue Themen, neue Orte und vor allem neue Menschen kennenzulernen. Letzteres war besonders schön, weil mir überall eine Welle der Sympathie entgegengeschlagen ist. Da weiß man auch, warum man sich gerade in der Anfangsphase mit so viel Elan einbringt.

Von einer "Schonfrist" kann man ja kaum reden, angesichts der schwierigen Probleme, mit denen sie praktisch gleich vom ersten Tag ihrer Amtszeit an konfrontiert waren. Beispiel: Anschlussunterbringung für anerkannte Flüchtlinge. Für die Stadt eine Herausforderung nicht nur finanzieller, sondern auch politischer Natur, wie der Protest aus Frauenweiler gegen eine mögliche Standortoption zeigt. Wie gehen Sie damit um?

Man hat sehr schnell gemerkt, dass dieses Thema die Menschen bewegt und sie vielleicht auch aus einer Betroffenheit heraus emotional reagieren lässt. Meine Aufgabe ist es nun, die Diskussion zu versachlichen und einen objektiven Blick auf die bevorstehenden Aufgaben zu werfen. Am Ende geht es darum, eine Lösung für die gesamte Stadt zu erzielen, die fair und gerecht ist. Die aber auch den Menschen gerecht wird, die zu uns kommen.

Ein anderes akutes Problem ist die aktuelle Haushaltssituation. Wegen eines neuerlichen Gewerbesteuereinbruchs von 4,8 Millionen Euro mussten sie ganz kurzfristig die Haushaltsberatung absetzen. Wie geht es nun weiter? Ist im Haushalt überhaupt noch Luft für weitere Kürzungen?

Wir arbeiten momentan mit Hochdruck daran, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Und wir sind auch sicher, dass uns das gelingen wird. In den zurückliegenden Jahren ist der Haushalt ja schon intensiv auf Sparpotenziale durchforstet worden. Es geht deshalb wohl eher darum, Investitionen zu verschieben. Sparpotenziale sehe ich nur noch begrenzt. Nichtsdestotrotz werden wir alle Freiwilligkeitsleistungen auflisten und mit allen bekannten und versteckten Kosten darstellen, damit transparent wird, wo das Geld hinfließt, über das wir noch aus eigenem Gutdünken verfügen können. Ein Großteil der Aufgaben sind ja Pflichtaufgaben.

Um das noch einmal deutlich zu machen: Bei den Freiwilligkeitsleistungen geht es nicht darum, einen herauszupicken und ihm dann die Mittel zu streichen. Sondern darum, bewusst zu machen, wo das Geld hinfließt, um dann auch sagen zu können, als Große Kreisstadt ist uns diese Einrichtung einen solchen Betrag wert - oder auch nicht. Zunächst einmal geht es um Transparenz, nicht ums Streichen.

In der Vergangenheit waren ja in solchen Situationen auch schon Kassenkredite (quasi eine Überziehung des Girokontos) notwendig, um den Etat zu decken. Droht dies wieder?

Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich sagen, dass wir um eine erhöhte Darlehensaufnahme wohl nicht herumkommen. Ich gehe aber davon aus, dass wir keine Kassenkredite benötigen.

Sie haben bereits davon gesprochen, dass man wohl Investitionen verschieben muss. Könnte es auch den geplanten Neubau der Gerbersruhschule treffen, die ja eine Gemeinschaftsschule wird?

Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Das ist am Ende eine Entscheidung des Gemeinderats. Aber ich habe mich ja in meiner Haushaltsrede, noch vor der neuerlichen Steuerrückerstattung, klar zugunsten des Baus einer neuen Gerbersruhschule positioniert.

Unabhängig von der derzeitigen Situation müssen wir künftig darauf achten, dass wir unseren Ergebnishaushalt ausgleichen können. Bedingung dafür ist: Wo wir neue Strukturen aufbauen, müssen wir grundsätzlich an anderer Stelle Strukturen aufgeben. Das ist der Knackpunkt. Wir können uns zusätzliche Einrichtungen dauerhaft nicht mehr leisten. Meine Hoffnung ist: Wenn wir den Ergebnishaushalt ausgleichen, erwirtschaften wir unsere Abschreibungen und können so die Substanz erhalten.

Solche Steuereinbrüche und Rückerstattungen hat es ja in den zurückliegenden Jahren leider immer wieder gegeben. Sehen Sie eine Möglichkeit, wie sich die Stadt künftig gegen solche unliebsamen Überraschungen oder deren Folgen wappnen kann?

Die Gewerbesteuer ist grundsätzlich volatil und immer Schwankungen unterworfen. Das ist ja auch einer der großen Kritikpunkte an der jetzigen Form der Gewerbesteuer. Für uns als Kommune ist das aber aktuell nicht zu ändern. Für mich ist dies Anlass, engen Kontakt zu den Gewerbetreibenden zu suchen oder zu halten, um möglichst schnell reagieren zu können, falls sich maßgebliche Veränderungen ergeben.

Es gibt Kommunen, die frieren einen Teil ihrer (zugegeben großen) Rücklagen ein, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein und auch größere Steuerausfälle, sollten sie auftreten, ausgleichen zu können.

Für eine solche Reservebildung haben wir momentan keinen Spielraum. Ich bin froh, wenn wir den Schuldendienst bewältigen können. Wir sind jetzt relativ weit unten angelangt. Aber der Blick geht nach oben. Es kann nur besser werden und muss es auch.

In der Tat gibt es ja auch positive Nachrichten. Gerade eben wurde bekannt, dass sich am Standort "Dannheimer" etwas tut. Private Investoren wollen dort in den kommenden beiden Jahren ein modernes Büro- und Geschäftshaus schaffen. Wie sehen Sie die Rolle der Stadt bei diesem Projekt?

Rein rechtlich haben wir die Planungshoheit. Für mich geht die Rolle der Stadt aber weit darüber hinaus. Wir werden uns aktiv in den weiteren Prozess der Entwicklung des Projekts einbringen und allen Beteiligten unsere Hilfe anbieten. Nun kann man sich natürlich nicht aufdrängen. Das sind alles erfahrene Leute, die am Markt schon einige Projekte realisiert haben. Ich persönlich maße es mir auch nicht an, es besser zu wissen. Unsere Aufgabe ist es eher, zu unterstützen. Und erste Kontakte lassen uns da auch sehr zuversichtlich sein. Wir haben bereits Gespräche geführt und alle, wirklich alle Beteiligten sind sich einig, dass jetzt mit Hochdruck an der Realisierung einer guten Lösung gearbeitet werden muss. Die Stadt wird das Ihrige dafür tun, dass dies gelingt.

Neben all dem, was wir jetzt bereits besprochen haben. Was steht für dieses Jahr noch auf Ihrer Agenda?

Das Wichtigste ist jetzt erst einmal, für dieses Jahr einen arbeitsfähigen Haushalt zu haben. Danach stehen auch schon die Vorbereitungen für den Haushalt 2017 an. Ich möchte ihn gern mit dem kommenden Jahresbeginn unter Dach und Fach haben. Dazu müssen wir schon recht bald ansetzen. Um es in der Fußballersprache auszudrücken: Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt.

Was die Projekte angeht, so steht natürlich Dannheimer ganz oben auf der Liste. Aber auch das Wellpappenareal erfordert ein größeres Augenmerk. Schön wäre es zudem, wenn wir den ehemaligen "Schlecker" als Handelsgebäude reaktivieren könnten, damit es wieder zu einem "Lebensfaktor" wird und auch zu einem Bindeglied zwischen Innenstadt und Fachmarktzentrum.

Was mir persönlich noch wichtig wäre: gemeinsam mit Gemeinderat und Bürgerschaft einen Prozess anzustoßen, um ein städtebauliches Entwicklungskonzept auf die Beine zu stellen, das Antworten gibt auf die große Frage: Wohin soll sich Wiesloch in Zukunft entwickeln? Dazu gibt es bislang weder Beschlüsse noch Mittel. Aber wenn man sich loslöste von Einzelprojekten und einen Leitfaden hätte, an dem man sich orientieren kann, dann würde das der Stadt sicher guttun.

Herr Oberbürgermeister, herzlichen Dank für das Gespräch.

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