Neidenstein: Herbert Pot gibt differenzierten Blick auf den Islam

"Diese eine bestimmte Frau im Islam gibt es nicht"  – Von Kopftuch bis Erbrecht: Der Vortrag von Herbert Pott lieferte einen genauen Blick auf religiös-strukturierte Mechanismen

14.11.2016 UPDATE: 15.11.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden

Weit gereist und viel erlebt: Herbert Pott über die Rolle der Frau im Islam. Foto: Jürriens

Neidenstein. (bju) Die Stellung der Frau im Islam ist ein häufig diskutiertes Thema. Dabei wird meist behauptet, in den westlichen Ländern seien die Geschlechter gleichgestellt, die Frau in der islamischen Welt jedoch unterdrückt. Die Wahrheit ist aber sehr viel komplizierter: Zwischen liberalen und konservativen Islamgelehrten bestehen große Meinungsverschiedenheiten, und was die Gläubigen in aller Welt praktizieren, ist noch einmal höchst unterschiedlich.

Zu diesem Ergebnis kamen die fast 50 Zuhörer nach dem rund zweieinhalb stündigen Vortrag von Herbert Pott zum Thema "Die Frau im Islam", zu dem die Landfrauen eingeladen hatten. Der Volkswirt aus Mannheim, der sich selbst als "Reisender aus Leidenschaft" bezeichnet und zahlreiche islamische Länder besucht hat, wagte in seinem lebendigen Bericht einen differenzierten und spannenden Blick auf die Geschichte des Islams, die Biografie Mohameds, den Koran und auf die Rolle der Muslima. Islamisches Grundprinzip sei, dass Mann und Frau vor Gott gleich viel wert seien. "Der Mann ist jedoch verpflichtet, alleine für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen."

Der Alltag von muslimischen Gläubigen werde aber nicht nur von religiösen Texten geprägt. "Theorie und Praxis unterscheiden sich in vielen Lebensbereichen, und viele Frauen werden durch jahrhundertealte kulturelle Traditionen viel stärker eingeschränkt, als es der Koran vorsieht", meint Pott. Doch im Koran gibt es auch Passagen, die als Beweis der Überlegenheit von Männern gegenüber Frauen ausgelegt werden und somit der fundamentalistischen Buchstabengläubigkeit dienen.

Eine Sure spreche zum Beispiel davon, dass die Männer "über den Frauen stehen", was viele Gelehrte so interpretieren, dass die Männer über die Frauen bestimmen dürfen. Und in der gleichen Sure werde den Männern auch erlaubt, "widerspenstige Frauen" zu ermahnen, sie im Ehebett zu meiden und auch zu schlagen. Die Gelehrten verweisen jedoch darauf, dass Mohamed seine eigenen Ehefrauen nie geschlagen habe. Die Geschichte des Religionsgründers zeige sogar, dass es in seinem Umfeld starke Frauen gab, die den Männern sozial und wirtschaftlich überlegen waren.

Neben einer Vielzahl von frauenfeindlichen Hadithen, also überlieferten Geschichten aus dem Leben des Propheten Mohamed, die als moralische Richtschnur für Muslime gelten, gebe es aber auch andere: "Derjenige von euch, der seine Ehefrau am besten behandelt, ist der Beste von euch", zitiert der Referent. So sei alles Auslegungs- und Interpretationssache. Je nachdem, wie konservativ die islamischen Gesellschaften sind, desto weniger Rechte besitzen die Frauen. "Die Zierde soll bedeckt sein, heißt es. Doch was ist die Zierde? Kopf, Füße oder Hände?" Das Streben nach Wissen sei eine Pflicht für jeden Muslim, Mann oder Frau, zitiert Pott den Propheten Mohamed.

"Aber tatsächlich bleibt vielen muslimischen Mädchen gerade in den ländlichen Regionen bis heute eine umfassende Schulausbildung verwehrt." Auch entscheiden sich die Frauen oft nicht für oder gegen den Islam, sondern sie wachsen in ihm auf, werden im Umfeld so erzogen oder fügen sich in bestehende religiös-strukturierte Mechanismen ein. "Deswegen wäre Bildung so wichtig." So gäbe es in Oman eine Männerquote an den Universitäten, während in anderen islamischen Staaten die Frauen bewusst "dumm gehalten werden." Es gäbe nicht "diese eine bestimmte Frau im Islam".

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