Zwangsräumung in Nußloch: Ehepaar musste in muffelnden Container ziehen

Das zwangsgeräumte Paar wird sich mit der neuen Unterkunft arrangieren müssen.

10.09.2015 UPDATE: 11.09.2015 06:00 Uhr 2 Minuten

Auf einer Autobahnraststätte hätte sie ausgedient: die Gemeinschaftstoilette im Wohncontainer. Foto: Fink

Von Roland Fink

Nußloch. Es ist kurz vor 9 Uhr. Vor dem Nußlocher Rathaus trifft sich Polizei und Gemeindevollzugsdienst. Die Zwangsräumung in der nahen Loppengasse nach erfolgreicher Räumungsklage durch einen neuen Vermieter steht an. Der Fußweg zum Ort des Geschehens ist kurz, das betroffene Ehepaar scheint schon gewartet zu haben.

Hintergrund

Obdachlosen-Container soll einem Neubau weichen

(fre) Keine Frage: Der Container in der Alten Bruchsaler Straße bietet nur Einfachstwohnraum. Der aus den 1990er-Jahren stammende Container hat schon bessere Tage gesehen. Auch keine Frage: Es ist nicht

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Obdachlosen-Container soll einem Neubau weichen

(fre) Keine Frage: Der Container in der Alten Bruchsaler Straße bietet nur Einfachstwohnraum. Der aus den 1990er-Jahren stammende Container hat schon bessere Tage gesehen. Auch keine Frage: Es ist nicht Aufgabe der Gemeinde, jeden Tag eine Putzkraft vorbeizuschicken. Aber genauso klar: Eigentümer des Containers ist die Gemeinde und als solche in der Pflicht, denn sie bringt hier Menschen unter, die von Obdachlosigkeit bedroht sind (vgl. nebenstehender Bericht).

Für Bürgermeister Karl Rühl entspricht der Wohncontainer dem geforderten einfachsten Wohnungsstandard; damit sei alles "ordnungsgemäß". Dass es durch das Dach tropfe, werde in den nächsten Tagen von einer Fachfirma abgestellt. Und der nicht benötigte Nassraum, der von den Bewohnern als Rumpelkammer genutzt werde, sei nicht der Verwaltung anzulasten. Dessen ungeachtet räumt Rühl Handlungsbedarf ein: "Der Container ist am Ende." Deshalb soll er einem Gebäude weichen, das bis zum Spätjahr 2016 bezugsfertig sein soll. 32 Zimmer und einfachen Wohnstandard wird das Haus bieten und zwei Millionen Euro kosten. Erste Haushaltsmittel sind hierfür schon 2015 vorgesehen.

Der Fall des von Zwangsräumung betroffenen Paars sei dem Rathaus erst seit acht Wochen bekannt, sagte Rühl. Eine Mitarbeiterin habe daraufhin für das Ehepaar 40 adäquate Mietwohnungen ermittelt, zu einem Mietabschluss sei es aber nicht gekommen.

Deutlich wird Dorle Terboven namens der Freien Wähler: Der Container sei für die Unterbringung von Menschen nicht mehr geeignet, sagt die Gemeinderätin. Da der Container demnächst eh weg soll, müsse den Bewohnern sowieso Ersatz angeboten werden. Dies könne man vorziehen. Terboven verweist auf drei angejahrte gemeindeeigene Wohnblocks, die leer stünden, sich "menschenwürdig" herrichten und vorübergehend nutzen lassen könnten.

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Punkt neun erscheint eine Dame vom Amtsgericht und teilt mit, dass die Gemeinde eine Ersatzwohnung stellt. Der Mitarbeiter des örtlichen Gemeindevollzugsdienstes ist mit als Zeuge dabei.

Vor der Haustüre wartet der Mann vom Schlüsseldienst: Nach der Räumung wird der Schließzylinder umgehend ausgetauscht. Dann kommt der Anwalt des neuen Vermieters dazu und wohnt dem Vollzug der Anordnung bei. Die Frau sitzt im Wohnzimmer, der Mann geht rastlos auf und ab.

Zwei Lieferwagen einer Umzugsfirma rollen an, die Mitarbeiter beginnen damit, Hab und Gut in Kartons zu packen. "Müssen diese Kartons auch mit?" Natürlich, die ersten Tränen bei der Mieterin fließen, "da sind meine Medikamente drin". Die notwendigen Dinge wie Sauerstoffgerät und einige Habseligkeiten werden in den kleinen Transporter verladen, die Möbel und Haushaltsgegenstände in den großen Wagen.

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Letztere werden zwei Monate vom Gerichtsvollzieher eingelagert und können während dieser Frist vom Schuldner, also dem Mieter, gegen Zahlung der dafür entstandenen Kosten ausgelöst werden. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist hat der Gerichtsvollzieher die eingelagerten Sachen zu verkaufen oder zu vernichten.

Grundsätzlich hat der Vermieter Anspruch auf Ersatz aller entstandenen Kosten gegen den geräumten Mieter. Wenn dieser aber kein Vermögen hat, bleibt der Vermieter in der Regel auf all diesen Kosten sitzen. Dazu kommen noch der Mietausfall und die Anwaltskosten für den Räumungsprozess.

"Und wo bringen sie uns jetzt hin?" Die Frage kommt zögernd, noch wollen die Zwangsgeräumten nicht daran glauben, in den Container in der "Alten Bruchsaler Straße 1" zu müssen. Doch daran führt jetzt kein Weg mehr vorbei. Der Lieferwagen rollt ab, der Mitarbeiter des Ordnungsdienstes bringt das Ehepaar an ihre neue Adresse.

"Ich geh da nicht rein, da würde man keinen Hund unterbringen", sträubt sich die Frau und möchte den Container nicht betreten. Einer große Wasserlache im Flur muss man ausweichen, die Toiletten sind ein Graus, im kleinen und einzigen Waschbecken läuft kein Wasser ab.

"Das sind Ihre Zimmer", weist der Mitarbeiter des Vollzugsdienstes an. In dem einen Raum stehen zwei Bettgestelle, eine Kochplatte und ein Spind. Matratzen gibt es noch nicht. Das zweite Zimmer ist noch mit Bettgestellen, alten Matratzen und auch alter Kleidung zugestellt und muss erst noch frei geräumt werden. Es muffelt gewaltig im Container. Die Arbeiter der Umzugsfirma Gieser tragen die Kartons in das begehbare Zimmer und stapeln sie an der Wand.

Ein "Langzeitbewohner" begrüßt seine neuen Mitbewohner. "Das ist die erste Frau, die hier einzieht", meint er. Und er erzählt, dass nach dem Zeitungsbericht zahlreiche Nußlocher sich den Container angeschaut haben: "Die haben alle den Kopf geschüttelt, so etwas haben die noch nicht gesehen, wo wir hier wohnen müssen." Zumindest ein Gutes habe der Bericht erreicht, meint er: "Der Sperrmüll vor der Tür ist jetzt in einem Müllcontainer."

Das zwangsgeräumte Ehepaar wird sich jetzt mit der neuen Adresse "Alte Bruchsaler Straße 1" arrangieren müssen.

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