Wie Integration gelingen kann

Landtagspräsidentin Muhterem Aras bei den "Mosbacher Bildungsgesprächen"

24.11.2016 UPDATE: 25.11.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden

Moderiert von Gabriela Fischer-Rosenfeld, diskutierten beim "Mosbacher Bildungsgespräch" auf dem Podium (v. l.) Nabila Bushra, Sabine Rühtz. Muhterem Aras und Majid Achmadi. Foto: Brunhild Wössner

Von Brunhild Wössner

Mosbach. Um "Bildung und Integration - erfolgreiche Bildungsbiografien von Migranten" ging es beim jüngsten "Mosbacher Bildungsgespräch", zu dem Mitglieder des Philologenverbandes Baden-Württemberg und des Grünen Kreisverbandes ins Audimax der Dualen Hochschule eingeladen hatten. Die Verwaltungsdirektorin der DHBW, Christine Zimmer, hieß dazu zahlreiche interessierte Zuhörer willkommen. Zur von Gabriela Fischer-Rosenfeld moderierten Gesprächsrunde war mit der baden-württembergischen Landtagspräsidentin Muhterem Aras auch diesmal wieder ein prominenter Gast gekommen.

Die Polikikerin ist schon von ihrer Biografie prädestiniert, zum Thema "Bildung und Integration" profund zu sprechen. Schließlich ist ihr Lebenslauf der schlagende Beweis dafür, dass man es als Migrantin in höchste politische Ämter schaffen kann. Sie, die mit zwölf Jahren aus Anatolien nach Sielmingen bei Stuttgart kam, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, hat nach dem Hauptschulabschluss konsequent den Weg zum Abitur und zum Studium der Wirtschaftswissenschaften eingeschlagen. Danach stand sie erfolgreich an der Spitze einer Steuerberatungskanzlei in Stuttgart.

Als sich in den 90er-Jahren rechtes Gedankengut immer mehr verbreitete, fühlte sie sich dadurch zum Widerstand herausgefordert. Auf diese Weise wollte sie dem Land, das sie inzwischen als ihre Heimat betrachtete, etwas zurückgeben. Aras engagierte sich bei den Grünen und war zunächst als Gemeinderätin aktiv. Nach zwölf Jahren suchte sie neue Herausforderungen und eroberte für die Grünen ein Direktmandat im Landtag, das sie bei der jüngsten Wahl verteidigen konnte. Es freut sie besonders, dass die AfD in ihrem Wahlkreis landesweit die wenigsten Stimmen verbuchen konnte.

Richard Zöller, Mitglied des Philologenverbands und zusammen mit Siglinde Mack (Kreisverband der Grünen) Organisator des Gesprächs, hatte eingangs daraufhin gewiesen, dass an diesem Abend positive Beispiele der Integration herausgestellt werden sollten. Nach Aras’ Auffassung sind zwei Merkmale entscheidend für eine gelungene Integration: Erstens müssten beide Seiten offen und tolerant sein und die Migranten Verantwortung in ihrer neuen Heimat übernehmen. Zweitens müssten die Migranten ein klares Signal an die Mehrheitsgesellschaft aussenden, dass sie sich als Teil dieser Gesellschaft verstehen. Aras berichtete aus ihrem Elternhaus, in dem die oberste Maxime gewesen sei, den Kindern eine gute Bildung angedeihen zu lassen.

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Als Repräsentantin einer Schule, die schon seit Jahren Kinder ohne Deutschkenntnisse erfolgreich integriert, gab Sabine Rühtz, Schulleiterin des Deutschorden-Gymnasiums in Bad Mergentheim, zunächst einen Überblick über ihre Arbeit. Man habe am Anfang mit einem "handgestrickten Konzept" gearbeitet, weil es für einen derartigen Unterricht keine Vorbilder gab. Lehrer brachten den Kindern zuallererst Deutsch bei und gestalteten dann den Fachunterricht "sprachsensibel". Das habe naturgemäß mehr Zeit erfordert. Ausdrücklich betonte die Schulleiterin, dass die Schule nicht alle Kinder aufnehme, sondern nur die mit gymnasialem Potenzial.

Kritisch sieht Rühtz Vorbereitungsklassen, in denen ein Großteil der Flüchtlinge unterrichtet wird. Sie betrachtet das als eine Methode der "Ghettoisierung". Nach Auffassung der Schulleiterin sollte der ganze Tagesablauf von der deutschen Sprache bestimmt sein und nicht nur 20 Stunden in der Woche. Aras konnte dem aus gelebter Erfahrung uneingeschränkt zustimmen.

Die 26-jährige Studentin und angehende Sozialarbeiterin Nabila Bushra verdeutlichte aber auch, wie wichtig die richtige Bezugsperson sei. Für sie war es weniger die Schule, in der sie integriert wurde, sondern eine Sozialarbeiterin, die sie ermunterte, einen Abschluss zu machen. Sie wünscht sich mehr "interkulturelle Öffnung" der Schulen und mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund.

Majid Achmadi, der erst Ende letzten Jahres aus Afghanistan nach Deutschland gekommen ist und im Mosbacher "Haus am Wald" lebt, beeindruckte mit seinen in dieser kurzen Zeit erworbenen Deutschkenntnissen. Sein größter Wunsch: "Die Leute sollen uns ohne Angst begegnen." Sein persönliches Ziel: Abitur machen und Informatik studieren.

Wünschen aus den Reihen des Podiums und des Publikums nach der Wiedereinführung des G 9 oder der Grundschulempfehlung erteilte Aras eine klare Absage. Sie räumte aber ein, dass das bestehende Schulsystem gestärkt werden und die Lehrkräfte etwa durch Schulsozialarbeiter entlastet werden müssten. Außerdem wünscht sie sich von der Bundespolitik ein Einwanderungsgesetz, sehr schnell greifende Integrationsbemühungen und weniger Vorbereitungsklassen. Die Landtagspräsidentin kann durchaus nachvollziehen, wenn mehr Ruhe für die Schulen, also weniger strukturelle Änderungen, gefordert wird. Das würde auch dazu beitragen, dass sich die Lehrerschaft wieder verstärkt auf den Unterricht konzentrieren könnte.

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