Leimen steht nach Terrorverdacht unter Schock
Nach der Festnahme eines mutmaßlichen IS-Terroristen ist die Große Kreisstadt aufgewühlt - Flüchtlingshilfe befürchtet, dass die Stimmung kippt
Von Anja Hammer und Christoph Moll
Leimen. Es ist eine ruhige Wohngegend. Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser und Einfamilienhäuser wechseln sich ab. Die Vorgärten sind gepflegt, auf den Balkonen blühen die Geranien, Gartenzwerge winken fröhlich den Vorübergehenden zu. Dass hier, im Westen der 25.000-Einwohner-Stadt südlich von Heidelberg, am Donnerstagvormittag ein mutmaßlicher IS-Terrorist festgenommen worden ist, passt nicht so recht ins Bild. Entsprechend bestürzt ist eine Seniorin, als sie davon erfährt. "Ich bin gerade erst aus dem Urlaub zurückgekommen", sagt sie schockiert. "Das kann ich mir nicht vorstellen!"
Bei der lokalen Flüchtlingshilfe waren einige Helfer ebenfalls schockiert, berichtet Bernd Nemetschek. Aber auch die Flüchtlinge - insbesondere die Syrer in der großen Notunterkunft des Rhein-Neckar-Kreises mit mehreren Hundert jungen Männern - seien stark betroffen. Obwohl der festgenommene 31-Jährige gar nicht dort und auch in keiner anderen größeren Unterkunft in Leimen lebte, sondern in einer von der Stadt angemieteten Wohnung in der sogenannten Anschlussunterbringung, und zwar im Westen der Stadt, wo auch die Festnahme stattgefunden hat. Bei der Flüchtlingshilfe war der Syrer nicht bekannt, da sich diese vor allem um die erst seit kurzer Zeit in Deutschland lebenden Flüchtlinge kümmert. Abd Arahman A.K. soll jedoch schon vor zwei Jahren eingereist sein.
Die Flüchtlingshilfe sorgt sich nun um die Stimmung in der Stadt. "Noch ist es ruhig", sagt Nemetschek, "aber unsere Sorge ist, dass jetzt ein Pauschalverdacht auf alle Flüchtlinge fällt."
Ob der Syrer alleine oder mit weiteren Personen zusammengelebt hat, konnte Stadtsprecher Michael Ullrich gestern nicht sagen. Er sieht einen "bedauerlichen Einzelfall" und sagt: "Wir als Stadt tun für die Flüchtlinge alles im Rahmen unserer Möglichkeiten."
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Jürgen Rückemann wohnt nur wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem ein Polizei-Großaufgebot Abd Arahman A.K. stellte. "Ich habe davon nichts mitbekommen", sagt er. Erst später habe er in den Nachrichten davon erfahren. "Da hieß es, es war reiner Zufall, dass er in Leimen war", meint er. Er selbst habe den Syrer nicht gekannt. Doch nicht alle wollen sich zu dem Unvorstellbaren - ein Terrorist in der Nachbarschaft - äußern. Eine Anwohnerin schneidet ihre Rosen, auf die Frage nach der Festnahme wirkt sie verschreckt: "Dazu will ich nichts sagen." Ein paar Meter weiter wird beim Auftauchen der Presse das Fenster schnell zugemacht.
Robert Nowak renoviert ein paar Hundert Meter weiter gerade sein Haus. Auch am Donnerstag war er am Schaffen, als er die Polizei sah. In zwei Bussen sollen sie unterwegs gewesen sein. Aber das war am Nachmittag. Ob er das beunruhigend findet? "Jeder kann ein Terrorist sein - aber eigentlich sind wir in Deutschland ziemlich sicher", findet der junge Mann.