Gefährden zu dünne Kuverts die anstehenden Bürgerentscheide?

Briefwahlumschläge in Weinheim, Hirschberg und Mannheim leicht durchsichtig - Kommunen wollen Wahlgeheimnis wahren

04.09.2013 UPDATE: 04.09.2013 00:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Die gelben Briefwahlkuverts in Hirschberg, Weinheim und Mannheim lassen erkennen, wo der Wähler sein Kreuzchen gemacht hat. Betroffen sind aber nur die Umschläge für die Bürgerentscheide, diejenigen für die Bundestagswahl nicht. Foto: Dorn

Von Philipp Weber, Annette Schröder und Gaby Booth

Weinheim/Mannheim/Hirschberg. "Es ist nicht ganz unproblematisch." Björn-Christian Kleih, leitender Beamter im Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat Kommunalaufsicht, drückt es diplomatisch aus. Auf seinem Tisch liegt eine brisante Anfrage aus Weinheim. Es geht um den Bürgerentscheid am 22. September und die Umschläge für Briefwähler. Das Pikante daran: Das gleiche Problem ist jetzt in Hirschberg und Mannheim aufgetreten. Auch dort wird in knapp drei Wochen nicht nur der 18. Deutsche Bundestag gewählt, sondern auch jeweils eine kommunale Streitfrage entschieden.

Das Problem dreht sich um die gelben Kuverts, in welche die Briefwähler ihre Stimmzettel für die Bürgerentscheide stecken. Mit den Briefwahlumschlägen für die Bundestagswahl und den Postkuverts, in welche die Stimmzettel-Umschläge und die Wahlscheine wandern, ist alles in Ordnung. Durch die umstrittenen Stimmzettelumschläge kann man jedoch erkennen, an welcher Stelle die Wähler ihr Kreuzchen gemacht haben. Es droht nichts Geringeres als eine Verletzung des Grundsatzes der "Geheimen Wahl". Markus Böhm betreut den Weinheimer Wahlausschuss. Hier entscheiden die Bürger über die Erschließung eines Gewerbeparks an der A 5. "Die Auszählung ist ein öffentlicher Vorgang." Würde sich ein Helfer die Umschläge im Gegenlicht anschauen, bliebe das nicht unbemerkt. "Wir haben uns aber mit Karlsruhe verständigt."

Die Briefwahlergebnisse sollen jetzt zwei "Mannschaften" erfassen: Team I holt die Wahlscheine aus den Postumschlägen und prüft die Identität der Wähler. Die Kuverts wandern dann an Team II, das sich der Stimmzettel-Umschläge annimmt. Grünes Licht gibt Karlsruhe noch nicht: "Wir müssen uns die fraglichen Umschläge und die Gesamtproblematik anschauen", sagt Kleih. Es liege jedoch im Interesse aller, "dass die Bürgerentscheide auch laufen".

Aus den Rathäusern ist zu erfahren, dass eine Tochter des Stuttgarter Unternehmens Kohlhammer die Umschläge herstellte. Die Verantwortlichen waren gestern Abend nicht zu erreichen.

Auch das Mannheimer Rathaus bestätigte die Panne. "Die Umschläge entsprechen nicht der Qualität, die das Regierungspräsidium erfordert", so Sprecherin Jutta Breitner. Man wolle sich mit dem Regierungspräsidium absprechen, wie man das Problem organisatorisch löst. Es geht ausschließlich um die Umschläge für die Briefwähler, die vorab ihr Kreuzchen für oder gegen die Bundesgartenschau 2023 machen wollen. Wer im Wahlbüro seine Stimme abgibt, steckt seinen Stimmzettel ohne Kuvert in die Urne.

"Wir sitzen alle in einem Boot", sagt Hirschbergs Hauptamtsleiter Ralf Gänshirt. "Das ist sehr ärgerlich, wir sind sauer." Hirschberg hat 7755 Wahlberechtigte für den Bürgerentscheid zur Gemeinschaftsschule am 22. September. Laut Gänshirt sind von den umstrittenen Umschlägen über 600 verschickt worden. "Wir haben auch schon einige Rückläufe." Aus seiner Sicht ist es nun "kaum möglich, das Rad zurückzudrehen". Seiner Einschätzung nach ist es möglich, dass die Wahl anfechtbar wird. Aber in der Realität säßen zehn, zwölf Leute bei der Auszählung am Tisch, alle seien dem Wahlgeheimnis verpflichtet. Es gebe eine gegenseitige Kontrolle. "Aber da muss man jetzt reagieren, wir brauchen Rechtssicherheit", erklärt Gänshirt.

Hirschberg will wie Weinheim verfahren und die Wähleridentifikation vom Kuvert mit dem Kreuzchen trennen. Das möchte sich die Verwaltung aber noch vom Landratsamt absichern lassen. Laut dessen Sprecherin Silke Hartmann liegt dem Kommunalrechtsamt noch keine Anfrage vor. Letztlich werde aber das Amt der Empfehlung des Regierungspräsidiums als übergeordneter Behörde folgen.

Wie es nun weitergeht und ob die Gemeinde rechtliche Schritte erwägt, konnte Gänshirt noch nicht sagen. "Das hängt auch von den Konsequenzen ab, die das Ganze mit sich bringt."

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