Festivals in der Region: Freikarten gegen Proteste

Für Musikfans sind Festivals in der Region attraktiv, für Anwohner oft aber eine Belastung - Die Kommunen suchen Lösungen

08.08.2016 UPDATE: 09.08.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 3 Sekunden

Mehr Gäste in der Stadt als Einwohner: Nach Ladenburg kommen jedes Jahr bis zu 15.000 Besucher zum "Musiksommer" auf die Festwiese am Neckar. Foto: Sturm

Rhein-Neckar. (stu/hab/web/schat) Die Musikfestivals haben in den vergangenen Wochen wieder Tausende Fans angezogen. Die Anwohner vor Ort hörten zu - ob sie wollten oder nicht. Veranstalter und Kommunen haben ihre eigenen Strategien entwickelt, um Bürgerprotesten wegen Lärm und Ruhestörung zu begegnen. Beschwerden gibt es manchmal trotzdem.

> In Ladenburg ist die Festwiese am Neckar seit der kleinen Landesgartenschau im Jahr 2005 der Ort schlechthin für Veranstaltungen in der Römerstadt. Seitdem weiß Bürgermeister Rainer Ziegler aber auch, dass es Bürger gibt, die Prozesse nicht scheuen, um ihre Interessen durchzusetzen. Zu den größten Veranstaltungen auf der Festwiese gehört der "Ladenburger Musiksommer". Dann kommen stets mehr Menschen in die Stadt als Ladenburg Einwohner hat. Die Veranstalter von DeMi gewähren den Anwohnern Freikarten, um sie milde zu stimmen. Beschwerden gibt es trotzdem. Diese würden sich allerdings in Grenzen halten, so Ziegler, und seien meist schnell zu klären. Er weiß aber auch: "Mehr dürfen wir den Bürgern hier nicht zumuten." Aber es gibt auch andere Stimmen. Matt Fedel zum Beispiel. Er wohnt ebenfalls an der Festwiese und sagt: "Mich nervte früher die Blasmusik beim Backfischfest mehr als die Auftritte der Gruppen beim Musikfestival."

> In Schwetzingen gab es bei der diesjährigen "Musik im Park" keine Lärmprobleme. Beim Auftritt der "singenden Föhnwelle", Dieter Thomas Kuhn, konnten einige der Anwohner des Schwetzinger Schlossgartens den Kultsong "Anita" zwar mitsummen. Aber Beschwerden? "Keine", sagt Schlossherr Andreas Falz, der mitten drin wohnt. Vier Tage lang war Musik im Park angesagt. Doch die Bühne war mit ihrer Beschallungsrichtung weg von der Stadt ausgerichtet, und um 23 Uhr ist bei Veranstaltungen im Schlossgarten immer Schluss. "Joan Baez hat man an der Zähringer Straße schon gar nicht mehr gehört. Da war der Verkehrslärm lauter", so Falz: "Zum Bedauern der Anwohner."

> In Hockenheim müssen die Bürger, die in der Nähe des Rings wohnen, immer wieder Großkonzerte und Motorsportereignisse wie die DTM oder Formel-1 ertragen. Am 27. August werden zum Auftritt von DJ Hardwell wieder rund 25 000 Besucher erwartet. Doch die Musikveranstaltungen am Hockenheimring werden penibel geplant. Die gesetzlichen Schallgrenzwerte außerhalb des Rings würden laut Stadtverwaltung eingehalten: "Lärm ist in Hockenheim ein sensibles Thema", so Oberbürgermeister Dieter Gummer. Es gibt einen Lärmaktionsplan in der Rennstadt, eine Bürgerinitiative gegen Lärm und seit 2009 eine freiwillige Selbstbeschränkung der Hockenheimring GmbH. Laut Genehmigung könnte der Hockenheimring genau 3686 Stunden jährlich mit Veranstaltungen belegt werden. "Wir nutzen davon nur 2103 Stunden", so Georg Seiler, Geschäftsführer der Hockenheimring GmbH, die zu 94 Prozent der Stadt Hockenheim gehört. Gleichzeitig hat die Stadt Hockenheim Schulden. Das Geld ist knapp. Eigentlich müsste man am Ring rauszuholen, was rauszuholen ist. Tut man aber nicht. Letztlich verzichtet die GmbH damit auf 1,285 Millionen Euro Einnahmen jährlich. Der Lohn: "2015 hat es keine Beschwerden mehr aus der Nachbarschaft gegeben", so Seiler.

> In Weinheim würde es wenig nutzen, die Lautsprecheranlage in eine andere Himmelsrichtung zu drehen: Auf allen Seiten des zentralen Schlossparks wohnen Menschen. Und die bekommen von den jährlich stattfindenden Schlossparkkonzerten mit bis zu 8000 Besuchern pro Abend alles mit. Dieses Jahr gab’s Pur und Unheilig auf die Ohren, samt Vorprogramm und Zugaben. Die Stadt und DeMi fahren jetzt zweigleisig. Einerseits wird an der Frequenz der Großkonzerte festgehalten: Diese finden seit 2014 wieder jeden Sommer statt, da man mit dem vielfach geforderten Zweijahresrhythmus schlechte Erfahrungen gemacht hatte: 2012 hatte Weinheim eine Konzertpause eingelegt, 2013 sprangen die Veranstalter ab. Andererseits sucht die Stadt den Dialog mit den unmittelbaren Parkanwohnern. Im Juni gab es sogar einen gemeinsamen Termin, und das Verkehrskonzept wurde gegenüber 2015 verbessert. Außerdem zeigt sich DeMi auch in Weinheim großzügig und vergibt Freikarten an die Nachbarn. Der Konzertsonntag wurde sogar schon gegen 21 Uhr beendet. Dennoch fordern immer mehr Stadträte ein umfassendes Konzept, da die Großkonzerte nicht die einzigen Veranstaltungen im Schlosspark sind. Ein CDU-Vertreter sagt: "Wir müssen ein Kulturkonzept finden, dass die gesamte Stadt im Blick behält."

> In Mosbach hat man die großen Open-Air-Konzerte des "Mosbacher Sommers", diesmal allesamt im Stadtteil Neckarelz über die Bühne gegangen, gerade erfolgreich hinter sich gebracht. Dabei wurden die Erwartungen bei den Zuschauerzahlen zwar nicht immer ganz erfüllt, dafür gab es aber auch wenig Beschwerden. Bei den Anwohnern hat man mit Anschreiben vorab um Verständnis geworben. Per Ausnahmegenehmigung war sowohl bei den Open-Airs (unter anderem mit Deep Purple) als auch beim "Festival Folk am Neckar" die "Spieldauer" für die Musiker auf 23 Uhr verlängert worden. Mit der Bühnenausrichtung am neuen Standort - im bis dato für die Konzerte genutzten Elzpark stehen Flüchtlingszelte - wollte man zudem die Lärmbelastung für Anwohner möglichst gering halten. "Ein paar Beschwerden gab es aber dennoch", berichtet Daniela Keil von der Kulturabteilung der Stadt Mosbach. Im Dialog sei man aber meist zu Lösungen (etwa beim Parken vor Ort) gekommen oder habe Verständnis schaffen können.

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