Bürgerentscheid in Edingen-Neckarhausen: Darf hier ein Wohngebiet entstehen?
Diese Frage beantworten die Menschen am Sonntag beim 18. Plebiszit im Kreis seit 1956
Von Maren Wagner und Alexander Albrecht
Rhein-Neckar. Sie haben sich übergangen gefühlt, sie haben sich erfolgreich empört, jetzt können sie kundtun, in welche Richtung sich Edingen-Neckarhausen künftig bewegen soll: In einem Bürgerentscheid sind am Sonntag rund 11.000 Wahlberechtigte dazu aufgerufen, für oder gegen ein geplantes rund elf Hektar großes Neubaugebiet am Ortsrand Richtung Wieblingen zu stimmen.
Hintergrund
Ein Bürgerentscheid in Baden-Württemberg kann seit den ab 1. Dezember 2015 geltenden Regeln von den Bürgern selbst - sieben Prozent der Wahlberechtigten in der jeweiligen Kommune - oder vom Gemeinderat mittels Zwei-Drittel-Beschluss herbeigeführt werden. Die Frage, die sich
Ein Bürgerentscheid in Baden-Württemberg kann seit den ab 1. Dezember 2015 geltenden Regeln von den Bürgern selbst - sieben Prozent der Wahlberechtigten in der jeweiligen Kommune - oder vom Gemeinderat mittels Zwei-Drittel-Beschluss herbeigeführt werden. Die Frage, die sich auf dem Stimmzettel befindet, muss so formuliert sein, dass sie von den Bürgern mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann. Das Quorum ist erreicht, wenn die jeweilige Mehrheit mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten hinter sich bringt. In diesem Fall hat der Bürgerentscheid die gleiche Wirkung wie ein Beschluss des Gemeinderats. Er kann allerdings innerhalb von drei Jahren durch einen neuen Bürgerentscheid ersetzt werden. Scheitert das Quorum, entscheidet der Gemeinderat über die Angelegenheit. alb
Eine Mehrheit im Gemeinderat, zu der auch Bürgermeister Simon Michler zählte, stimmte im September vergangenen Jahres für die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans. Wenige Monate zuvor hatte sich bereits eine Bürgerinitiative gegen das Vorhaben gegründet. Den Gegnern fällt das geplante Baugebiet zu groß aus, zudem kritisieren sie, dass die Bürger von der Verwaltung nicht in den Entscheidungsprozess einbezogen worden seien.
Die erste Hürde eines Bürgerentscheids, das Bürgerbegehren, hat die Initiative mit rund 1600 Unterschriften erfolgreich genommen. Am Sonntag müssen nun mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten für das Anliegen der Bürgerinitiative stimmen, ansonsten gilt der Bürgerentscheid als gescheitert. Sollte das Quorum erreicht werden und sich eine Mehrheit die Bürger gegen das Neubaugebiet aussprechen, muss der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan aufgehoben werden. Der Gemeinderat darf sich dann drei Jahre lang nicht mit dem Projekt befassen.
Seit 1956 kam es im badischen Teil der Metropolregion Rhein-Neckar zu 33 Bürgerentscheiden. Zwei davon gab es in Heidelberg. Für landesweite Aufmerksamkeit sorgte 2010 das klare Nein der Bürger zu einer Erweiterung der Stadthalle. Die Mannheimer entschieden viermal direkt mit, so auch 2013, als sich eine hauchdünne Mehrheit für die Bundesgartenschau 2023 aussprach. Im Neckar-Odenwald-Kreis fanden zehn Bürgerentscheide statt, darunter jeweils drei in der kleinen Gemeinde Hüffenhardt und im Städtchen Adelsheim.
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Das Plebiszit in Edingen-Neckarhausen wird das 18. im Rhein-Neckar-Kreis sein, Nummer 19 folgt am 2. Juli in St. Leon-Rot. Hierbei stimmen die Bürger darüber ab, ob auf dem Gelände der Kramerschen Mühle Wohnhäuser errichtet werden dürfen. Spannend waren auch die Bürgerentscheide im Kreis in den vergangenen Jahren. Eine Auswahl:
Beispiel Weinheim: Hier ging es 2013 um die Ausweisung eines Gewerbegebiets. Dieses wollten Verwaltung und Ratsmehrheit im Gewann "Breitwiesen" an der A 5 ansiedeln. Eine ebenfalls fraktionsübergreifende Minderheit und eine Bürgerinitiative machten gegen den dafür notwendigen Flächentausch mobil. Die Weinheimer Wähler gaben den Erschließungsgegnern Recht. 2016 erlosch die Bindungskraft dieser Abstimmung. Seither wird wieder verstärkt nach neuen Gewerbeflächen gesucht.
Beispiel Hirschberg: Eine Mehrheit sprach sich ebenfalls 2013 gegen eine Gemeinschaftsschule aus. Der Gemeinderat hatte den Bürgerentscheid beschlossen. Die Gemeinschaftsschule wird nun im Nachbarort Heddesheim betrieben.
Beispiel Eppelheim: Im letzten Jahr brachte eine Bürgerinitiative erfolgreich einen Bürgerentscheid auf den Weg. Stein des Anstoßes war der Neubau der Straßenbahnbrücke über die A 5, die Eppelheim mit dem Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund verbindet. Der Gemeinderat hatte beschlossen, die alte, eingleisige Brücke durch eine zweigleisige zu ersetzen und die zwei Gleise weiter in den Ort zu führen. Insbesondere die hohen Kosten störten die Kritiker, daher wollten sie den Beschluss aufgehoben wissen. Doch am Ende waren sie in der Minderheit: Am 3. Juli sprachen sich 21,9 Prozent aller wahlberechtigten Eppelheimer für eine breite Brücke aus. Damit war das Quorum von 20 Prozent erreicht - und die Kritiker mit einem Anteil von 17,3 Prozent überstimmt.
Beispiel Plankstadt: Eine Mehrheit von über 70 Prozent lehnte 2014 eine durchgängige Straßenbahnlinie vom Schwetzinger Bahnhof bis an den Heidelberger Bismarckplatz ab.
Beispiel Ketsch: Bei gleich zwei Bürgerentscheiden am selben Tag sagten die Einwohner Nein zum Bau eines Gebäudes auf dem Marktplatz mit Büros, Praxen und einem Café mit Außenbereich. Es hatte für das Vorhaben einen Gemeinderatsbeschluss gegeben.