Behinderte Frauen werden eher Opfer von Gewalt als andere

Das Mannheimer Fraueninformationszentrum hat ein lokales Netzwerk aus knapp 20 Einrichtungen initiiert, um Betroffene zu erreichen

24.11.2015 UPDATE: 25.11.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden

Zum heutigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen stellte das Fraueninformationszentrum entsprechende Beratungsangebote vor. Foto: dpa

haz. Als kleines Projekt mit großer Wirkung bezeichnet Dr. Claudia Schöning-Kalender, Vorsitzende des Vereins Mannheimer Frauenhaus, was im Laufe nur eines Jahres an Netzwerkarbeit entstanden ist, um behinderte Frauen, die Opfer von Gewalt werden, zu erreichen, zu beraten und zu unterstützen. Das Fraueninformationszentrum (FIZ) als Beratungsstelle des Frauenhauses nahm sich einer Thematik an, die der weltweit ersten Studie von 2012 zufolge jede zweite Frau mit einer körperlichen, geistigen oder psychischen Einschränkung doppelt so häufig betrifft wie nicht behinderte Frauen. Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am heutigen 25. November stellt man nun die Ergebnisse vor.

Zunächst wurde unter dem Motto "Barrieren abbauen - Zugänge schaffen" in Kooperation mit der AG Barrierefreiheit und mit Unterstützung durch die Psychologische Beratungsstelle Notruf und Beratung für sexuell misshandelte Frauen und Mädchen ein lokales Netzwerk gebildet. Das Projekt wird bis Jahresende im Rahmen des Programms "Impulse Inklusion" vom Landessozialministerium gefördert.

Die Netzwerkteilnehmer aus knapp 20 in Mannheim tätigen Einrichtungen wie der Gemeindediakonie, dem Badischen Blinden- und Sehbehindertenverein, Frauen- und Kinderschutzhaus Heckertstift, Frauen- und Mädchennotruf oder Gehörlosenverein beschäftigen sich zunächst mit der Frage, warum von Gewalt betroffene behinderte Frauen kaum Hilfe in den Beratungsstellen suchen. "Gerade gehörlose und blinde Menschen erreichen die Hilfsangebote erst gar nicht", lautete eine Antwort.

Und so wurde eine Info-Postkarte in gut erkennbarem, kräftigen Gelb, entwickelt, die sowohl in einfacher Sprache als auch mit Piktogrammen, Informationen in Braille-Schrift sowie dem Symbol für Schwerhörige und Gehörlose kompakt und an alle Zielgruppen gerichtet auf die Beratungsangebote aufmerksam macht.

Dass Frauen mit einer Behinderung deutlich häufiger häuslicher und sexueller Gewalt ausgesetzt sind, macht Projektleiterin Annette Heneka vom FIZ hauptsächlich daran fest, dass die Betroffenen viel stärker in Abhängigkeitsstrukturen verhaftet und auf Hilfe angewiesen sind. So kämen die Täter häufig aus dem Familien- und Verwandtenkreis, den Reihen des Pflegepersonals sowie der Mitbewohner in Betreuungseinrichtungen.

Die Betroffenen können sich oft nicht entsprechend artikulieren oder trauen sich nicht, etwas zu sagen. Daher sei es wichtig, dass Fachkräfte aus der Behindertenhilfe sowie den Frauenunterstützungseinrichtungen in möglichst engem Austausch stehen, um erste Anzeichen und versteckte Hilferufe zu erkennen. "Gehörlose Frauen sind besonders häufig von sexuellen Übergriffen betroffen", bestätigen Gaby Pettermann vom Frauenhaus und Gabi Suchan vom Vis-a-Vis Studio für Gebärdensprache übereinstimmend. "Sie sind es aufgrund ihrer Behinderung grundsätzlich gewohnt, dass sie angefasst werden. Gleichzeitig mangelt es ihnen an Mitteilungsmöglichkeiten", sagt Suchan, dass Grenzüberschreitungen kaum artikuliert werden können. Daher schlägt das Netzwerk neben dem Einsatz von Frauenbeauftragten in den Einrichtungen der Behindertenhilfe eine spezielle Sozialberatungsstelle für gehörlose Frauen vor.

"Wir sind hier in Mannheim insgesamt auf einem guten Weg", bedankt sich Schöning-Kalender beim Behindertenbeauftragten Klaus Dollmann für die Aufnahme der Frauenunterstützungseinrichtungen in den Ratgeber für Menschen mit Behinderung der Stadt sowie bei Eva Schaab vom Frauenbüro für die Zusammenarbeit.

Für die Zukunft gelte es, auch baulich Barrierefreiheit zu allen relevanten Beratungsstellen zu schaffen und den Zugang zu den entsprechenden Informationen zu ebnen. Hier sei die Politik mit in der Verantwortung und müsse entsprechende Mittel bereitstellen.

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