Spontane Klein-Demo

Wenige sagten in Mannheim offen "Nein" zu Erdogan

Nur ein Dutzend demonstrierte gegen das Türkei-Referendum - Organisator Emrah Durkal: "Widersacher werden eingeschüchtert"

18.04.2017 UPDATE: 19.04.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 49 Sekunden

Bei der spontanen Protestaktion vor dem Mannheimer Hauptbahnhof waren die Polizisten in der Überzahl. Für den Organisator ist die Debatte um das Referendum in der Türkei deswegen trotzdem noch lange nicht zu Ende. Foto: masterpress

Von Wolf H. Goldschmitt

Mannheim. Spontane Demonstrationen können daneben gehen: Diese Erfahrung hat gestern Emrah Durkal machen müssen. Nur ein gutes Dutzend versammelt sich friedlich vor dem Hauptbahnhof, um Widerstand gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und sein Ermächtigungsgesetz anzukündigen. Für diesen Termin gilt das römische Sprichwort: Auch wenn die Kräfte schwach sind, der Wille ist zu loben.

Dass die Zahl der in Mannschaftswagen angerückten Polizisten am Willy-Brandt-Platz ebenso groß ist wie die der Demonstranten mit "Nein"-Schildchen, sorgt für ein merkwürdiges Ambiente bei der Protestaktion. Doch Veranstalter Durkal kennt laut eigener Aussage den Grund, warum das Häuflein Aufrechter so überschaubar ist. "Auch in Mannheim werden die Erdogans Widersacher eingeschüchtert, beleidigt und aufs Übelste angefeindet."

Er will sich jedoch nicht entmutigen lassen. "Die nächste Demo ist bereits für diese Woche geplant", sagt er trotzig und fügt an: "In diese Türkei möchte ich nicht mehr."

Das Referendum zur Änderung der türkischen Verfassung ist für ihn längst nicht gelaufen, die Debatte darüber auch noch nicht. Die Unterstützer hätten den umstrittenen Präsidenten zwar mit knapper Mehrheit ermächtigt, ein neues Herrschaftssystem mit fast diktatorischer Macht auf den Weg zu bringen. Allerdings hegt der von seinen Landsleuten enttäuschte Durkal größte Zweifel, ob bei der Auszählung alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Auch der Vorsitzende der türkischen Oppositionspartei CHP in Baden-Württemberg, der Mannheimer Kazim Kaya, hat die vielen Ja-Stimmen aus Deutschland für ein Präsidialsystem in der Türkei als Enttäuschung bezeichnet. "Wenn ich die Vorteile eines Rechtsstaats genieße, möchte ich doch normalerweise, dass dies auch anderswo gilt", sagte der Politiker.

Er könne zwar verstehen, dass etwa Menschen in Anatolien - woher er selbst stamme - mangels objektiver Informationen für die Pläne des türkischen Präsidenten Erdogan stimmen. "Aber wer in Deutschland lebt und die Chance zum Vergleich hat und trotzdem für eine Alleinherrschaft von Erdogan stimmt - das ist schmerzlich und unerklärbar", so der 62-Jährige.

Nach seinen Erkenntnissen seien 2,5 Millionen Stimmzettel durch Umstempeln manipuliert worden. "Ich hoffe, dass die türkischen Behörden unsere Beschwerden nicht ignorieren."

Angesichts von fast 28.000 Mannheimern mit türkischem Hintergrund fällt das Jubeln über den knappen Erfolg Erdogans am Wahlabend recht bescheiden aus. Obwohl auch hierzulande die Mehrheit für das Referendum gestimmt hatte, zählte die Polizei beim Autokorso in der Mannheimer Innenstadt nur rund 100 Menschen, die abends mit Türkei-Fahnen unterwegs waren.

Auch eine gestrige Umfrage unter Firmen der Metropolregion, die in türkischem Besitz sind, führt nach dem äußerst knappen Wahlergebnis das Ausmaß der gesellschaftlichen Spaltung vor Augen. Niemand vom Management will ein klares Statement über die Folgen dieser Abstimmung abgeben. Die Unternehmer wissen, dass sie dadurch Kunden verlieren könnten.

Einer der Händler artikuliert eine zusätzliche Sorge der erfolgreichen Unternehmer: "Wir machen schließlich auch Geschäfte in der Türkei."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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