Erfundene Vergewaltigung in Mannheim: Eine Lüge und ihre Folgen

Das vermeintliche Verbrechen am Wasserturm vor einem Jahr löste eine Sicherheitsdebatte aus. Nun soll bald die Videoüberwachung kommen.

17.01.2017 UPDATE: 18.01.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 57 Sekunden

Nach 2007 blieben bis heute lediglich drei Kameras in Betrieb: Sie überwachen den Vorplatz am Mannheimer Hauptbahnhof. Foto: Gerold

Von Julie Dutkowski

Mannheim. Am heutigen Mittwoch vor genau einem Jahr erscheint eine 41-Jährige bei der Polizei. Sie erzählt, dass ein arabisch aussehender Mann sie am Vorabend gegen 20 Uhr in den Wasserturmarkaden mit einem Messer bedroht und auf einer Parkbank vergewaltigt habe. Ermittlungen der Polizei ergaben später, dass die Geschichte erfunden war. Der Fall erschütterte die Mannheimer tief. Und er löste eine Sicherheitsdebatte aus, die die Stadt das gesamte Jahr über beschäftigten sollte - und auch dieses Jahr noch beschäftigen wird.

Oberbürgermeister Kurz forderte kurz darauf die Wiedereinführung der Videoüberwachung in der Innenstadt. Die Kameras, die von 2001 bis 2007 zwischen Schloss, Marktplatz und Kurpfalzbrücke installiert waren, mussten 2008 abgeschaltet werden, weil die Kriminalitätszahlen so stark zurückgegangen waren, dass das Gesetz eine Überwachung nicht mehr zuließ.

Im Frühjahr meldete das Polizeipräsidium Mannheim einen deutlichen Anstieg der Straßenkriminalität für 2015 gegenüber zum Vorjahr. In der Innenstadt gab es nach Angaben der Polizei sogar eine 17-fach höhere Belastung im Bereich der Straßen- und Drogenkriminalität als in anderen Stadtteilen. Die Beamten sprechen von einem Anstieg der Fälle um 12,7 Prozent, knapp 900 mehr als 2014.

Im vergangen Herbst werden die Pläne zur Videoüberwachung konkreter: Die Verwaltung will Kameras auf der Breiten Straße zwischen Paradeplatz und Neckartor sowie auf den Planken installieren. Die aktuellen Kriminalitätszahlen machten das möglich, heißt es in einer Vorlage an den Gemeinderat.

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Die Stadt setzt im Kampf gegen die Kriminalität auf moderne Technik. Eine algorithmenbasierte genannte Videoüberwachung beschränkt sich nicht auf die Erfassung und Speicherung von Filmsequenzen, sondern verarbeitet diese mit Hilfe einer Bildauswertungssoftware.

Das System vergleicht dann die Daten mit vorgegebenen Mustern. So schlägt es Alarm, wenn etwa ein Koffer länger nicht bewegt wurde, oder eine Person am Boden liegt. Der Vorteil dieses Systems: Der Polizeibeamte muss nicht ständig selbst am Bildschirm sitzen.

Die Pläne sieht Thomas Köber, Präsident des Mannheimer Polizeipräsidiums kritisch. Er gibt zu bedenken, dass man sich dafür "acht bis neun Leute aus den Rippen schneiden müsse", die auf die Bildschirme schauen. Ansonsten seien die Kameras eine Mogelpackung.

Zudem ist der Einsatz der "intelligenten Videoüberwachung" nicht ohne eine Gesetzesänderung möglich. Außerdem, so Köber, könnte zwei Jahre später die als Voraussetzung notwendige "besondere Kriminalitätsbelastung" nicht mehr gegeben sein. Dann müssten "die für teueres Geld erworbenen Kameras wieder abgebaut werden".

Der CDU geht das hingegen nicht schnell genug. Stadtrat und CDU-Chef Nikolas Löbel fordert, übergangsweise die alte Form der Videoüberwachung wieder einzuführen. Diese wird von Personal live an den Bildschirmen überwacht und gesteuert. Diese Maßnahme soll solange greifen, bis das Land Baden-Württemberg die gesetzlichen Grundlagen geschaffen hat, die intelligente Videoüberwachungssysteme einzusetzen, teilte Löbel gestern mit.

Noch in diesem Quartal soll es eine Beschlussvorlage für den Gemeinderat zur Wiedereinführung der Videoüberwachung geben. Wie sicher sich die Mannheimer in ihrer Stadt noch fühlen, wird sich im Februar zeigen. Gerade führte die Stadt zum zweiten Mal nach 2012 eine Sicherheitsbefragung unter 10.000 Mannheimern ab 14 Jahren durch. Die Ergebnisse werden derzeit ausgewertet, bestätigte eine Sprecherin der Stadt.

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