Hintergrund Pflanzenarten Ochsenkopf

21.06.2019 UPDATE: 21.06.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Ochsenkopfwiese: Hier wachsen über 200 Pflanzenarten

Kann eine Wiese, die eigentlich eine Gewerbefläche ist, ökologisch wertvoll sein? Nach Ansicht des Naturschutzbundes (NABU) Heidelberg schon: "Die Ochsenkopfwiese ist ein vielfältiger und wertvoller Lebensraum für wilde Blumen und Gräser, für Insekten und Vögel. Diesen zu erhalten, ist ein Mosaikstein auf dem Weg, dem Insektensterben, dem Verlust an biologischer Vielfalt hier vor Ort zu begegnen", sagt Pressereferentin Cornelia Wiethaler.

Bereits vor zwei Jahren begannen die Botaniker des NABU, die Pflanzenvielfalt dort zu untersuchen - und sie fanden insgesamt 203 Arten. Eine fünfseitige Liste zählt die Arten auf, die hier entdeckt wurden - von A wie der "Acker-Kratzdistel" bis Z wie dem "Zweiknotigen Krähenfuß". Wiethaler sagt aber auch: "Vom Aussterben bedrohte, sogenannte Rote-Liste-Arten, wurden bisher nicht gefunden." Für Wiethaler ist das Areal "mehr als eine Wiese", nämlich ein "vielseitiges Ökosystem" - und zwar aus vier Gründen:

> Die Struktur: Bäume, Hecken, Gebüsche, Feldgehölze, Böschungen sowie unbefestigte Erd- und Graswege, die es hier gibt, erfüllen ökologische Funktionen und sind wichtige Lebensräume für Insekten und Vögel. An Bäumen leben bis zu 400 Insektenarten. Diese wiederum bieten Futtergrundlage für Vögel. Auch in den Hecken und Gebüschen finden Vögel Nahrung und Rückzugsräume. Sie können Nester bauen und ihre Kleinen aufziehen - ungestört von Katzen und Raubvögeln. Hasen oder Kaninchen verstecken sich in den Büschen, und im zentralen Gehölz singt die Nachtigall. Bäume, Hecken und Gebüsche bieten Wind- und Sonnenschutz.

> Die Bewirtschaftung: Das Besondere ist, dass die Wiese eigentlich nicht bewirtschaftet wird - es gibt also keine "chemische Keule" gegen Unkraut; und das Areal wird auch nicht gedüngt; es wird eben nur maximal zweimal im Jahr gemäht. Das nennt man eine Magerwiese, die als besonders artenreich gilt. Sie ist im Grunde eine "typische" Wiese, wie es sie früher gab, bevor das Gras gedüngt wurde; heute gibt es vor allem in der Landwirtschaft Fettwiesen, die gedüngt werden.

> Die Artenvielfalt: Es sind eben die 203 Pflanzenarten, die man fand - und die deshalb hier wachsen, weil der Mensch so wenig eingreift. Sie sind eine Mischung aus spontaner Vegetation auf einer Brachfläche und verwilderten Kulturpflanzen ehemaliger Gärten. Das Landwirtschaftliche Zentrum Baden-Württemberg bestätigte 15 der auf der Ochsenkopfwiese vorgefundenen Arten als Kennarten für artenreiches Grünland. Da jede Blühpflanze im Schnitt zehn Insektenarten Nahrung und Lebensraum bietet - Bäume sogar ein Vielfaches - ist dieses Areal auch so wichtig für die Kleinlebewesen.

> Das Klima: Hier entsteht, so der NABU, nicht nur Kaltluft, was in den heißen Sommernächten in der Nähe der Wärmeinseln Bergheim, Bahnstadt und dem Industriegebiet Pfaffengrund wohltut. Auch die rund 200, teils stattlichen Bäume kühlen die Luft, indem sie Wasser verdunsten und die Hitze um zwei bis fünf Grad lindern; ein Baum, so der NABU, kann in etwa so viel kühlen wie zehn Klimaanlagen. Mehr noch: Die Wiese ist auch eine CO2-Senke. In der Wurzelmasse unter Grünland ist der Humusgehalt deutlich größer als unter Ackerland. Je höher der Humusgehalt von Wiesenböden, desto mehr des Klimakillers CO2 wird gebunden, also in die Erde zurückgeholt.

> Wie ist das alles einzuordnen? Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg hat eine Liste gefährdeter Biotop-Typen herausgegeben. Die Ochsenkopfwiese mit ihrer gesamten Struktur- und Artenvielfalt fällt in die Kategorie B. Das bedeutet, sie ist schwer regenerierbar. Kurzfristig, in einem Zeitraum bis 15 Jahren, könne ein ähnlicher Zustand an anderer Stelle nicht erreicht werden. Alles in allem, so Umweltexpertin Wiethaler: "Die Ochsenkopfwiese ist ein schützenswertes Biotop aber kein Naturschutzgebiet, das nicht betreten werden darf. Vielmehr lädt es Menschen ein, Vögeln zu lauschen, Bienen zu beobachten und frische Luft zu atmen, an Ostern Eier zu suchen oder Picknick zu machen und respektvoll eine Mischung aus Natur- und Kulturlandschaft zu erleben. Es ist ein freundliches Öko-System, dem sich offensichtlich viele Menschen verbunden fühlen." (hö)