Universitätsklinik Heidelberg

Runder Tisch soll Personal-Problem lösen

Uniklinik nimmt Klage der Pflegekräfte ernst - In der Neurochirurgie sind "besonders sensible Mitarbeiter" gefordert

17.04.2017 UPDATE: 18.04.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Die Uniklinik Heidelberg. Foto: dpa

Von Birgit Sommer

Viele Krankenpfleger im Uniklinikum mag die Erkältungswelle erwischt haben - für die Personalräte des Klinikums ist dennoch klar: Es gibt einfach zu wenige examinierte Pflegekräfte, besonders in der Kopfklinik, in der Neurochirurgie: "Da herrscht seit einem Jahr Personalmangel, auf der Intensivstation arbeiten Leiharbeitskräfte", betonte Gaby Oppenheimer, Personalratsvorsitzende des Klinikums und Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft Verdi, im RNZ-Gespräch und forderte im Ernstfall eine kurzfristige Schließung von Betten.

Pflegedirektor Edgar Reisch hat sich den Fall angeschaut. "Es fehlen Pflegekräfte in der Neurochirurgie", stimmt er zu. Mitarbeiter aus einem Springer-Pool seien eingesetzt worden, dazu noch Leiharbeitskräfte. Arbeitnehmerüberlassung sei ein Riesenmarkt im Klinikbereich. "Es sind Pflegekräfte mit hoher fachlicher Reputation, die sich aber nicht an einen Arbeitgeber binden wollen", ergänzte Anja König, Mitglied im Personalratsvorstand und in der Akademie für Gesundheitsberufe für Fort- und Weiterbildungen zuständig.

Die Klagen der Mitarbeiter nimmt der Pflegedirektor ernst. Man habe nun in der Neurochirurgie einen Runden Tisch eingerichtet, bei dem vom Chefarzt über die Pflegedienstleitung bis hin zu Mitarbeitern täglich Probleme besprochen werden könnten. "Außerdem überprüfen wir den Personalschlüssel", kündigte Edgar Reisch an. Zur Überbrückung sollen vorerst mehr Mitarbeiter aus dem 37-köpfigen Springer-Pool eingesetzt werden. Die Neurochirurgie braucht in seinen Augen sowieso besonders sensibles Personal. "Wir haben dort oft instabile Patienten und solche, die aufgrund der Eingriffe vorübergehend an Persönlichkeitsveränderungen leiden können", unterstrich auch Anja König.

Dass examinierte Pflegekräfte fehlen - laut Verdi-Gewerkschaftssekretärin Monika Neuner werden bundesweit 70.000 gesucht -, hat viele Gründe: "Die Arbeitsbelastung ist zu hoch, die Anforderungen sind gestiegen", sagt Regina Albrecht, Vertrauensfrau der Gewerkschaft im Uniklinikum. Zur Initiative des Pflegedirektors meinte sie jetzt: "Das Problem wurde erkannt. Wir werden schauen, was sich verändert."

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Die Expertinnen aus dem Heidelberger Klinikum schätzen sehr wohl, dass in den vergangenen Jahren vieles versucht wurde, die Arbeit der examinierten Kräfte zu erleichtern. Service-Assistentinnen wurden eingestellt, Verwaltungsarbeiten verlagert, ein Patiententransportdienst aufgebaut. Doch das bedeutet auch Arbeitsverdichtung: Wenn die Krankenschwester Patienten nicht mehr das Essen reicht, sondern eng getaktet fachliche Tätigkeiten ausführt, fehlen ihr auch ein paar Minuten Auszeit für den Kopf und Augenblicke der Entspannung.

Dem Uniklinikum sind die Arbeitsbedingungen seines Pflegepersonals nicht gleichgültig. Im September 2016 wurden die Ergebnisse einer Untersuchung des Heidelberger Max-Weber-Institutes für Soziologie veröffentlicht. Mitarbeiter aller Arbeitsbereiche beklagen demnach vor allem die Menge der Arbeit, viele auch die mangelnde Vereinbarkeit des Berufs mit Familie und Freizeit. Die meisten Klagen kamen tatsächlich aus den Intensivstationen. Über mögliche Veränderungen soll nun in Gesundheitszirkeln gesprochen werden. Auch in Tarifverträgen, lobte Vertrauensmann Silvio Härtling, wurden schon Arbeitszeitkonten, Begrenzungen von Überstunden, Auszeiten und Altersteilzeit vereinbart: "Aber wir brauchen auch zeitgemäße Möglichkeiten zur Eingruppierung."

Um mehr Geld zur Finanzierung des Klinikums - Land und Krankenkassen sind dafür zuständig - kämpft der Pflegedirektor gerne mit. Dieses Jahr nimmt Edgar Reisch auch sieben Millionen Euro mehr in die Hand, um Pflegekräfte einzustellen. Die Summe reicht für 30 Vollkräfte. Bis Ende 2016 beschäftigte er 2458 Vollkräfte; da auch in Teilzeit gearbeitet wird, sind es natürlich mehr Personen. Die normale Fluktuation im Pflegedienst bezifferte er mit sieben Prozent. Das bedeutet: Er muss sowieso jedes Jahr 250 neue Pflegekräfte finden. Die Hälfte kann er aus den eigenen Krankenpflegeschulen als frisch examinierte Kräfte übernehmen.

Die andere Hälfte muss von draußen kommen. Dafür hat das Klinikum soeben eine Werbe-Aktion "Du wirst wachsen" gestartet, das Interessenten Leben, Arbeit und Karriereoptionen in Heidelberg schmackhaft machen soll. Die Mitarbeiter selbst sind die Gesichter der Kampagne. Die Vielfalt der Entwicklungsmöglichkeiten durch kostenlose Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen sieht auch Anja König ein bisschen als Alleinstellungsmerkmal des Universitätsklinikums.

Dazu werde noch anderes geboten, etwa höhere Vergütung durch den Tarifvertrag der Unikliniken mit dem Land, Kinderbetreuung und Gesundheitsprojekte. Jetzt schon, erklärte Reisch zudem, sei das Verhältnis zwischen Pflegekräften und Patienten in Heidelberg besser als von der Gewerkschaft Verdi gefordert, nämlich 1:2 im Intensivbereich, 1:6 im Frühdienst, 1:8 im Spätdienst und 1:18 im Nachtdienst.

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