Heidelberger Zoo gibt die Orang-Utan-Haltung auf

Die Anlage müsste aufwendig ausgebaut werden, doch dafür fehlt das Geld - Wohin die Tiere gehen, ist noch unklar.

14.09.2016 UPDATE: 15.09.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Obwohl die junge Mutter "Sari" (links) und "Puan" nicht miteinander verwandt sind, vertragen sie sich gut. "Puan" darf sich teilweise sorgar um den Nachwuchs "Berani" (vor "Sari") kümmern. Das ist bei Orang-Utans sehr selten. Foto: Heidrun Knigge/Zoo Heidelberg

Von Timo Teufert

Heidelberg. Im Moment gehört "Berani", der kleine Orang-Utan-Junge, der im März geboren wurde, zu den Stars im Heidelberger Zoo. Wie lange das noch so sein wird, ist aber ungewiss. Denn die vier Tiere - neben "Berani" leben seine Mutter "Sari", Vater "Ujian" und Tante "Puan" auf der Anlage - werden Heidelberg verlassen, vielleicht schon im nächsten Jahr. Der Grund: Der Tiergarten gibt die Orang-Utan-Haltung auf, weil für eine artgerechte Haltung zahlreiche Umbauten nötig wären, die sich der Zoo finanziell nicht leisten kann und für die schlichtweg auch kein Platz ist.

"Wenn man Orang-Utans richtig gut halten will, braucht man viel Platz für mehrere Innen- und Außengehege. Wenn man nur wenig Platz hat wie wir, kostet das richtig viel Geld", berichtet Zoodirektor Klaus Wünnemann im RNZ-Gespräch. Die vielen Gehege sind wegen der besonderen Sozialstruktur der Orang-Utans nötig: Die Weibchen müssen die Möglichkeit haben, sich zu entscheiden, ob sie beim Männchen sein wollen oder nicht.

Hintergrund

> Das Menschenaffenhaus im Zoo wurde 1988 eingeweiht, der Spatenstich war im April 1985. Geplant hat es der Heidelberger Architekt Hans-Peter Pollich. Grund für den Neubau waren die geänderten Mindestanforderungen für die Haltung von Säugetieren. Damals

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> Das Menschenaffenhaus im Zoo wurde 1988 eingeweiht, der Spatenstich war im April 1985. Geplant hat es der Heidelberger Architekt Hans-Peter Pollich. Grund für den Neubau waren die geänderten Mindestanforderungen für die Haltung von Säugetieren. Damals hatte die Orang-Utans - die in freier Wildbahn stark gefährdet sind - im heutigen kleinen Affenhaus nur ein etwa 13 Quadratmeter großes Außengehege, das sich sieben Tiere teilten. Gefordert waren 1981 aber schon 20 Quadratmeter. Im neuen Haus standen 120 Quadratmeter zur Verfügung.

Heute werden mindestens 720 Kubikmeter bzw. 120 Quadratmeter für vier erwachsene Tiere, die sich gut vertragen, gefordert. Als Gehegehöhe werden sechs Meter vorgeschrieben, 1981 waren es drei Meter. Hinzu kommen heute im Innenbereich mindestens 960 Kubikmeter bzw. 160 Quadratmeter für vier erwachsene Tiere. Für die Finanzierung wurde 1981 eine Lotterie gestartet, um das Vier-Millionen-Mark-Projekt - rund zwei Millionen Euro - zu unterstützen.

Allein 470.000 Euro kostete 2011 der Umbau des Außengeheges der Schimpansen. Vor der Sicherung mit Stahlnetzen durften die Tiere nicht auf die Außenanlage, weil sie vor Jahren schon einmal ausgebrochen waren. tt

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Die Aufgabe der Haltung ist die Konsequenz aus einer Zukunftsplanung, die der Zoo vor zwei Jahren angestellt hat. "Uns war bewusst, dass wir bei der Orang-Utan-Haltung hinten dran sind", sagt Wünnemann. Grundlage für die Planung war auch das neue Säugetiergutachten der Bundesregierung, in dem 2015 neue Mindestanforderungen für die Haltung von Säugetieren vorgeschrieben wurden.

"Wir haben uns die Frage gestellt, was wir tun müssen, wenn die Tiere hier bleiben würden. Denn es gibt zwar die Mindestanforderungen, aber natürlich bauen wir immer lieber etwas, was noch darüber hinaus geht", erklärt der Zoochef. Doch der enorme Investitionsbedarf für eine neue Anlage - die Wilhelma in Stuttgart hat für ein neues Bonobo- und Orang-Utan-Haus rund 22 Millionen Euro ausgegeben, im Frankfurter Zoo kostete das neue Menschenaffenhaus 14,5 Millionen Euro - sei in einem überschaubaren Zeitraum nicht umzusetzen, so der Zoodirektor.

Beim Europäischen Erhaltungszuchtprogramm hat der Zoo bereits angemeldet, dass man die Gruppe abgeben möchte. Zuchtbuchführer Clemens Becker aus dem Karlsruher Zoo sucht jetzt nach einer Einrichtung, in der die Gruppe umziehen kann. Hinter der Entscheidung stehe die gesamte Mannschaft, auch die Gesellschafterversammlung sei informiert.

"Es ist leider der einzig gangbare Weg. Wir sind traurig, und es tut uns auch allen sehr weh", sagt Wünnemann offen. Vor allem, weil sich aus der Gruppe mittlerweile eine gute Zuchtgruppe entwickelt und sich Nachwuchs eingestellt hat. Doch das Tierwohl stehe über allen anderen Interessen. "Schließlich wollen wir unseren Tieren bessere Bedingungen zu Verfügung stellen", betont Wünnemann.

So habe man schon viele Tiere abgegeben, denn als Wünnemann seinen Posten in Heidelberg 1998 antrat, lebten sieben Orang-Utans gleichzeitig auf der Anlage. "In den letzten 15 Jahren haben wir aber auch viele andere Tiere wie Wölfe, Geparden, Hochlandrinder und Seehunde abgegeben", sagt Wünnemann. Er hofft nun, dass man durch Investitionen an anderen Stellen den Wegfall der Orang-Utans in den Augen der Besucher ausgleichen kann.

Publikumsliebling "Nogger" lebte von 1973 bis zu seinem Tod 2007 im Zoo. Foto: Zoo

"Nogger" war Publikumsliebling

tt. Die ersten Orang-Utans kamen am 6. September 1973 nach Heidelberg. Weil beide Tiere in freier Wildbahn auf der Insel Sumatra gefangenen wurden, konnte ihr Alter nur geschätzt werden. Publikumsliebling "Nogger" wurde demnach 1962 geboren, "Munna" 1970. Beide lebten damals noch im heutigen kleinen Affenhaus. Sie bekamen 1975 mit "Josefine" das erste von sieben Jungtieren. Die heute noch im Zoo lebende "Puan" wurde 1989 als letztes Jungtier des erfolgreichen Zuchtpaares geboren, ihr Zwillingsbruder "Enche" zog nach Berlin und starb dort am 30. Mai 2016. Das Muttertier "Munna" starb 1989, "Nogger" im Jahr 2007.

Der heutige Chef der Gruppe, "Ujian", wurde 1994 in Zürich geboren und kam im Oktober 2005 aus Hamburg nach Heidelberg. Die junge Mutter "Sari" kam 2003 in Moskau zur Welt und zog 2011 in den Tiergarten am Neckar. Sie ist die Tochter eines Heidelberger Orang-Utans: "Sandokan", der im September 1981 geboren und im Juni 1999 nach Moskau abgegeben wurde.

Im März 2016 wurde "Berani" geboren - was im afrikanischen so viel wie "Der Mutige" heißt. Der Name ist aber auch eine Erinnerung an den langjährigen Leiter des Affenreviers, Bernd Kowalsky, der im Jahr 2012 überraschend verstorben war.

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