Moschee im Pfaffengrund

Verhindert die Stadt Heidelberg den Neubau?

Muslime planen im Pfaffengrund seit 2013 neues Gotteshaus – Der Stadt geht es offiziell darum, den Gewerbestandort zu sichern

21.04.2017 UPDATE: 22.04.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 38 Sekunden

In der Straße "Im Klingenbühl" befindet sich die "Moschee Heidelberg" (im Anbau des dreistöckigen Gebäudes) für die Arabisch sprechenden Muslime der Stadt. Der "Verein für Muslime" möchte sie gerne neu bauen, doch dagegen sprechen die Bauvorschriften. Foto: Rothe

Von Timo Teufert

Soll das Industriegebiet Pfaffengrund als Gewerbestandort gesichert oder den Plänen von Salafisten Einhalt geboten werden? Ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan, den der Gemeinderat im Februar gefasst hat, wirft diese Frage auf. Demnach soll das 12,9 Hektar große Areal zwischen Friedrich-Schott-Straße im Norden, Kurpfalzring im Osten, Eppelheimer Straße im Süden und der Autobahn A 5 im Westen nach offizieller Lesart als wichtige Flächenreserve für Gewerbe und Industrie in der Stadt gesichert werden. Doch mitten im Geltungsbereich liegt auch die Moschee des "Vereins für Muslime in Heidelberg", der dort seit 2013 versucht, eine neue Moschee zu bauen.

Hintergrund

Die Moschee des Vereins für Muslime in Heidelberg ist einer von vier Gebetsräumen für Muslime in der Stadt oder der näheren Umgebung. Im Gewerbe- und Industriegebiet Pfaffengrund kommen die Arabisch sprechenden Muslime zusammen.

Der Türkisch Islamische Kulturverein

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Die Moschee des Vereins für Muslime in Heidelberg ist einer von vier Gebetsräumen für Muslime in der Stadt oder der näheren Umgebung. Im Gewerbe- und Industriegebiet Pfaffengrund kommen die Arabisch sprechenden Muslime zusammen.

Der Türkisch Islamische Kulturverein Heidelberg betreibt im Industriegebiet Rohrbach-Süd die "Yavuz Sultan Selim Camii"-Moschee für die türkischstämmigen Muslime der Stadt. Im Gegensatz zur Moschee des Vereins für Muslime verfügt sie über ein Minarett. Der Kulturverein gehört der Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) an.

Die Aleviten sind seit Januar 2012 im Verein "Alevi-Bektasi Gemeinde Heidelberg" organisiert. Der Verein richtet sich an Menschen sunnitischen wie auch christlichen Glaubens. Ihren Treffpunkt haben die Aleviten im Welthaus am Heidelberger Hauptbahnhof.

Die islamische Reformgemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat hat ihre Gebetsräume in Eppelheim. Die rund 500 Mitglieder stammen zum größten Teil aus Pakistan. tt

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Der Verein ist seit den 1980er Jahren stetig gewachsen, zur Gemeinde gehören viele Familien, Studenten, Patienten des Uniklinikums und eine große Zahl von Flüchtlingen. "Seit einigen Jahren hat sich abgezeichnet, dass die momentan vorhandenen Räumlichkeiten nicht mehr ausreichen. Davon abgesehen empfinden wir ein altes Fabrikgebäude am Stadtrand nicht als angemessenes Gotteshaus für unsere Gemeindemitglieder", heißt es in einer Stellungnahme des Moscheevorstands. Viele Gläubige fänden freitags keinen Platz in der Moschee, so dass sie im Winter wie im Sommer im Freien am Gottesdienst teilnehmen müssen. "Der geplante Neubau soll endlich eine den Bedürfnissen entsprechende Moschee ermöglichen", so der Vorstand. "Die Situation vor Ort ist in der Tat grenzwertig, teilweise sitzen die Menschen auf dem Hof", bestätigt Integrationsbürgermeister Wolfgang Erichson. Er bewertet auch die Parksituation als kritisch.

Über den Verein berichtet er: "Die Verantwortlichen nehmen am interreligiösen Dialog der Stadt teil und sind auch bei Gesprächen zwischen Rhein-Neckar-Kreis, Polizei und den Imamen der Gemeinden dabei." Allerdings tauchte der Verein 2013 im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht auf. Grund dafür war der Besuch des saudischen Islamgelehrten Muhammad Al-Arifi am 1. Januar 2013 beim Mittagsgebet in der Moschee. "Hier waren alle führenden Protagonisten des salafistischen Islam in Baden-Württemberg sowie hochrangige Aktivisten aus den benachbarten Bundesländern und dem gesamten Bundesgebiet zu Gast", schreibt das Landesamt für Verfassungsschutz. Der Salafismus ist eine ultrakonservative Strömung innerhalb des Islam. Offenbar befürchtet man bei der Stadt, dass durch die geplanten Übernachtungsmöglichkeiten ein salafistisches Ausbildungszentrum entstehen könnte.

Wohl nicht ohne Grund: Denn nach RNZ-Informationen ist der "Verein für Muslime" nur Mieter im Gebäude, das Grundstück gehört der Al-Nour-Stiftung mit Sitz in Heidelberg, die den offenen Dialog der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland mit anderen gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Gruppen fördern will. Im letzten Jahr soll diese Stiftung in Rotterdam als Käuferin für ein geplantes salafistisches Zentrum aufgetreten sein. Der Kaufpreis des 7000 Quadratmeter großen Areals in den Niederlanden soll bei 1,7 Millionen Euro gelegen haben. In Heidelberg tritt allerdings nicht die Stiftung als Bauherr für das "islamische Kulturhaus mit Tiefgarage" auf, sondern ihr Mieter, der "Verein für Muslime".

Die neue Moschee soll Platz für 800 bis 1000 Gläubige bieten, über eine Tiefgarage und eine Wohnung für den Imam und weitere Übernachtungsmöglichkeiten verfügen. Dagegen gab es allerdings im Bauantragsverfahren Einwendungen der Nachbarn. "Wohnen ist im Gewerbegebiet nicht zulässig", erklärt Erichson. Die Stadt befürchtet, dass in Bezug auf Lärm Probleme entstehen, wenn die Interessen des produzierenden Gewerbes den Interessen der anderen Nutzer an Lärmschutz entgegenstehen. Außerdem liege auf dem Grundstück eine Baulast aus dem Jahr 1971. Demnach muss eine Zufahrt zum dahinterliegenden Grundstück gewährleistet und zwischen acht und zwölf Meter Abstand zu den Nachbargrundstücken eingehalten werden.

Weil die Stadt zudem Eigentümerin eines der Nachbargrundstücke ist, gab sie das Verfahren Mitte 2016 an das Regierungspräsidium (RP) ab. "Die Kommunikation mit dem RP war offen und positiv, wir standen vor einer für alle Seiten akzeptablen Lösung", erklärt der Moscheevorstand. Doch bevor es zu einer Entscheidung seitens des RP gekommen sei, habe die Stadt ihre Einwände zurückgezogen und der Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen. Mit ihm soll das Gebiet dauerhaft als Industrie- und Gewerbestandort gesichert werden, heißt es in der Verwaltungsvorlage. Mögliche Einschränkungen für die Entwicklung der Unternehmen sollen verhindert und größtmögliche Entwicklungsperspektiven geboten werden. Der Gemeinderat hat die Verwaltung aber auf Antrag der Grünen beauftragt, mit den nicht-gewerblichen Nutzern des Gebietes - also auch dem "Verein für Muslime" - Gespräche aufzunehmen, um gemeinsam nach Alternativlösungen zu suchen.