Flüchtlinge in Patrick-Henry-Village: Würzner bezeichnet Brantners Vorwürfe als "absurd"

OB Würzner wehrt sich gegen den Satz der grünen Abgeordneten Franziska Brantner, Heidelberg solle sich angesichts der Flüchtlingsströme "nicht wegducken".

12.05.2015 UPDATE: 13.05.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

In Patrick Henry Village wohnten einst rund 8000 Amerikaner. Momentan bietet es Unterschlupf für Flüchtlinge. Foto: Bima

Von Micha Hörnle

Heidelberg. Es deutete sich schon länger an: Zwischen OB Eckart Würzner und dem Land beziehungsweise den Grünen kommt es zu einem offenen Konflikt. Die Streitfrage ist, ob Würzner nicht schon immer gewusst habe, dass das Patrick-Henry-Village (PHV) mehr als ein zeitlich befristetes Winternotquartier für Flüchtlinge, nämlich eine Dauereinrichtung ist - was der OB bestreitet. Für ihn handelt es sich nur um eine Notlösung.

Nun platzte dem OB der Kragen, als er am Montag, 11. Mai, in der RNZ las, dass die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner forderte, Heidelberg dürfe sich angesichts hoher und sogar steigender Flüchtlingszahlen nicht wegducken und solle PHV möglichst lang nutzen - schließlich habe das Land hier vier Millionen Euro nicht nur für einen Winter investiert. Im Interview macht er sich jetzt Luft.

Foto: Rothe

Wie lange soll PHV Flüchtlingsunterkunft sein? Was ist Verhandlungsstand?

Das Land hatte im November ein befristetes Winternotquartier im PHV eingerichtet. Dem hatten wir im Gemeinderat zugestimmt. Der Winter ist vorbei. Jetzt möchte das Land die Einrichtung mindestens bis Frühjahr 2016 betreiben mit der Möglichkeit zu immer weiteren Verlängerungen. Wir als Stadt sind bereit, weiterhin zu helfen. Wir drängen jedoch darauf, dass ein verbindliches Enddatum vereinbart wird, etwa der 30. April 2016. Das brauchen wir für die weitere Planung dieser riesigen Entwicklungsfläche.

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Und das sind alle Beteiligten auch den Menschen in Heidelbergs Südwesten schuldig, die die Einrichtung im Vertrauen auf eine befristete Lösung bislang akzeptiert haben. In vielen weiteren Punkten sind wir uns mit dem Land einig. Wir erarbeiten derzeit einen Vertragsentwurf, den wir dem Gemeinderat am 20. Mai in öffentlicher Sitzung zur Entscheidung vorlegen.

Wenn PHV zeitlich begrenzt bleibt, duckt sich Heidelberg dann nicht weg, wie Franziska Brantner kritisiert?

Dieser Vorwurf ist absurd. Das stellt die Tatsachen auf den Kopf. Wir haben mehr Flüchtlinge aufgenommen und betreuen sie weit intensiver, als dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Hunderte Bürger helfen uns, diesen Weg zu gehen. Uns jetzt ein Wegducken vorzuwerfen, ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich um eine echte Integration bemühen.

Hintergrund

Flüchtlingsunterbringung im Patrick Henry Village

Das Thema Flüchtlinge im Patrick Henry Village (PHV) war am Dienstag auch Thema bei der Kabinettsitzung der Landesregierung. Dort erhielt das Integrationsministerium den offiziellen Auftrag, mit der

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Flüchtlingsunterbringung im Patrick Henry Village

Das Thema Flüchtlinge im Patrick Henry Village (PHV) war am Dienstag auch Thema bei der Kabinettsitzung der Landesregierung. Dort erhielt das Integrationsministerium den offiziellen Auftrag, mit der Stadt eine für beide Seiten akzeptable Lösung für die bedarfsorientierte Landeserstaufnahmeeinrichtung (BEA) im PHV zu finden. Nach Angaben des Integrationsministeriums will man relativ zügig mit der Stadt sprechen.

Im Kabinett wurde auch ein Bericht über die aktuelle Entwicklung gegeben: Laut Prognosen rechnet die Landesregierung in diesem Jahr mit 52.000 Menschen, die zum ersten Mal einen Asylantrag stellen, im vergangenen Jahr waren es 26.000. "Es gab die Zusage, dass das PHV keine langfristige BEA werden soll", berichtet die Landtagsabgeordnete und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). Man gehe aber davon aus, dass man landesweit alle vorhandenen Kapazitäten benötige. "Ich habe darauf hingewiesen, dass die Kapazitäten im gesamten Land ausgeweitet werden müssen", so Bauer. Sie habe das legitime und sinnvolle Interesse der Stadt für ein "PHV"-Projekt im Zuge der Internationalen Bauausstellung (IBA) im Kabinett deutlich gemacht. "Ich sehe aber keine Probleme darin, das IBA-Projekt und die BEA zeitweise parallel zu betreiben", so Bauer.

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Besteht die Gefahr, dass sich andere Städte wegducken, wenn Heidelberg mit PHV die Last für andere übernimmt?

Das steht zu befürchten. Heidelberg soll noch bis 2016 so viele Menschen zur Erstaufnahme bekommen wie alle Städte in den Regierungspräsidien Stuttgart und Tübingen zusammen. Und der gesamte Regierungsbezirk Freiburg stellt derzeit überhaupt keinen Platz zur Verfügung.

Warum hat die Landesregierung im vergangenen Monat mit Hinweis auf sinkende Flüchtlingszahlen sogar die Einrichtungen in Sigmaringen und Villingen geschlossen? Warum wird Tübingen nicht wie geplant weiter verfolgt und das Engagement an anderen Standorten zurückgefahren? Diese Logik durchschaue ich nicht. Das hat mit Integration und fairer Aufgabenverteilung nichts zu tun.

Ist es nicht problematisch, wenn Fragen der Flüchtlingsunterkunft zum Politikum werden?

Flüchtlingspolitik ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben der Gegenwart. Wir zeigen in Heidelberg, welche Chance in einer gelungenen Integrationsarbeit liegt. Eine öffentliche Diskussion hierzu ist notwendig. Aber sie muss fair geführt werden. Ich kann es nicht stehen lassen, wenn der Stadt unterstellt wird, sie habe von vornherein gewusst, dass die Unterkunft auf PHV länger laufen soll als öffentlich kommuniziert wurde. Ich hatte hierzu das Wort der Ministerin Bauer und des Leiters der Staatskanzlei. Wer den Betrieb der Einrichtung in einem anderen Verständnis als einem befristeten Notquartier für den zurückliegenden Winter aufgenommen hat, der soll das bitte sagen.

PHV wurde als Winternotquartier für 1000 Menschen vom Land angekündigt. Jetzt sollen es bis zu 2000 Menschen für mindestens eineinhalb Jahre werden. Wurde die Stadt über den Tisch gezogen?

Es ist keine schöne Erfahrung, wenn man im Gegensatz zu vielen anderen Städten einem Partner in der Not die Hand reicht und dann nach einem halben Jahr zum Dank den Vorwurf bekommt, man mache nicht genug. Das ist schon irrwitzig, gerade angesichts der Situation, dass wir ja durchaus bereit sind, auch weiterhin zu helfen. Wir brauchen nur einen verlässlichen Rahmen.

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