Blutstammzell-Transplantation: Krebskrank - und jetzt 30 Jahre lang gesund

Prof. Anthony Ho wagte 1985 die erste Blutstammzell-Transplantation Deutschlands - Symposium fragt nach Fakten und Mythen

28.03.2016 UPDATE: 29.03.2016 06:00 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden

Prof. Anthony Ho (r.) mit Sebastian Gärtner, der die erste Blutstammzelltransplantation bekam. Foto: Uni

Von Birgit Sommer

Damals war es wie ein Wunder. Der Patient mit dem bösartigen Lymphdrüsenkrebs bekam vor 30 Jahren bei Anthony D. Ho im Heidelberger Universitätsklinikum die allererste Blutstammzelltransplantation in Deutschland. Bis dahin gab es nur Knochenmarktransplantationen, doch der 38-jährige Mann litt an einer Anomalie des Knochenmarks; für ihn kam das nicht infrage. Blutstammzellen aus dem zirkulierenden Blut zu gewinnen, hatte man zuvor nur bei Tieren versucht. Die nächste Sensation: Der ehemalige Patient ist heute - mit nun 69 Jahren - noch bei bester Gesundheit. Sebastian Gärtner aus Neustadt wird Gast sein beim wissenschaftlichen Symposium des Uniklinikums zur Stammzelltherapie am 31. März.

Das Symposium führt weltweit tätige Stammzellforscher zusammen und klärt über Fakten und Mythen zum Thema auf. Für Prof. Anthony Ho, den Ärztlichen Direktor der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie in der Medizinischen Klinik der Universität, wird es auch ein bisschen seine Lebensleistung einige Monate vor seiner Emeritierung würdigen. Die Mobilisierung von Blutstammzellen mithilfe einer speziellen Blutwäsche (Leukapherese) ist inzwischen perfektioniert. Sie erspart den Patienten nicht nur die große Operation zur Knochenmarkentnahme, sie erholen sich auch viel schneller. Inzwischen finden in Heidelberg jährlich rund 700 solcher Leukapheresen statt. Stammzellen werden dazu aus patienteneigenem oder aus dem Blut fremder Spender gewonnen. Heilend wirkt hier die Reaktion des neuen Immunsystems des Empfängers gegen die Leukämie- oder Lymphdrüsenkrebs-Zellen.

Mit Stammzellen hat sich Ho, der aus Hongkong stammt und seit seinem Medizinstudium in Deutschland arbeitet, ein Leben lang beschäftigt. Er forschte nicht an den umstrittenen embryonalen, sondern an so genannten adulten Stammzellen, die sich nach der Geburt im menschlichen Organismus befinden. Diese produzieren täglich Milliarden von Körperzellen - ohne sie würde ein Mensch nicht lange überleben. Die Wissenschaftler haben gelernt, wie aus normalen Stammzellen Krebszellen werden und wie sich Stammzellen ewig jung halten. Sie wissen einigermaßen Bescheid über die Wechselwirkungen der Blutstammzellen mit ihrer Umgebung, der Knochenmarknische, und über Botenstoffe, die die Stammzellen aus ihrer Nische heraus mobilisieren, so dass sie im Blut zirkulieren. Es gibt Ideen, wie man Leukämiezellen aus ihrer Nische heraustreiben und sie dann abtöten könnte, ehe man ein neues blutbildendes System in den Körper des Patienten einpflanzt. Zudem untersuchen die Forscher um Ho zusammen mit dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg Veränderungen in Blutstammzellen und Knochenmarknischen im Laufe des Alterungsprozesses. Ho: "Wir sind weltweit die einzige Gruppe, die Blutstammzellen und Knochenmarknischenzellen verschiedenen Alters gesammelt hat." Daraus könne man vielleicht etwas über die Rolle der Antioxidantien lernen, die die Zellen vor freien Radikalen und damit vor Krebs schützen.

Ganz aktuell setzt Prof. Anthony Ho auf die T-Zell-Therapie, für die weltweit erste gute Erfolge verzeichnet wurden. Dabei werden dem Patienten körpereigene und im Labor - durch Einschleusung von Genen, die Antikörper gegen Tumorzellen produzieren - veränderte Zellen zugeführt. Er und Prof. Michael Schmitt haben mit dem Baylor College of Medicine in Houston/Texas eine Zusammenarbeit begonnen, um die zielgerichtete CAR-T-Zell-Therapie auch für Leukämie- und Lymphompatienten in Heidelberg verfügbar zu machen. Anfang 2017, vermutet Prof. Anthony Ho, könnte es so weit sein.

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