Landrat Brötels Weihnachtsbrief: "Es gibt viel Positives über das Jahr 2016 festzuhalten"

Ein turbulentes Jahr: "In der Hochphase des Flüchtlingszustroms haben Monat für Monat bis zu 300 Menschen bei uns Schutz und Zuflucht gefunden"

23.12.2016 UPDATE: 24.12.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 48 Sekunden

Der flächendeckende Ausbau des Breitbandnetzes schreitet im Kreis zügig voran. Landrat Brötel hebt das schnelle Internet als positiven Aspekt hervor. Foto: Heiko Schattauer

Landrat Dr. Achim Brötel schreibt in seinem Weihnachtsbrief an die Bevölkerung: "In wenigen Tagen ist das Jahr 2016 schon wieder Geschichte. Irgendwie scheint sich die Lebensuhr immer schneller zu drehen. Schon George Orwell hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zeit gar nicht schneller vergeht als früher. Es liegt vielmehr an uns selbst: Wir laufen nämlich eiliger an ihr vorbei.

Jetzt über die Feiertage und zwischen den Jahren wird aber hoffentlich auch etwas Muße sein, um einfach einmal die Seele baumeln zu lassen und Bilanz zu ziehen. Was hat es uns gebracht, dieses Jahr 2016? Privat, in der Familie, im Beruf, in unserem Umfeld, aber auch im Neckar-Odenwald-Kreis insgesamt?

Der turbulente Jahresbeginn ist vielen von uns sicher noch gut in Erinnerung. In der Hochphase des Flüchtlingszustroms haben Monat für Monat bis zu 300 Menschen bei uns Schutz und Zuflucht gefunden. Was wir dabei erleben durften, war eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft und der mitmenschlichen Solidarität. Einigkeit für Recht und Freiheit. Der kleine Neckar-Odenwald-Kreis hat wirklich Herz gezeigt. Kein zweiter Landkreis in ganz Baden-Württemberg hat jedenfalls bezogen auf seine Einwohnerzahl mehr Flüchtlinge aufgenommen als wir. Das ist nur gegangen, weil so viele auf wirklich bewundernswerte Weise mitgezogen haben und auch weiterhin mitziehen - im Hauptamt und im Ehrenamt. Für diese riesige Gemeinschaftsleistung sage ich allen Beteiligten deshalb vielen herzlichen Dank.

Die eigentliche Herausforderung liegt aber erst noch vor uns, wenn es nämlich darum geht, den entwurzelten Menschen dabei zu helfen, neue und vor allem nach-haltig wirkende Wurzeln zu schlagen. Sprachliche, berufliche und gesellschaftliche Integration. Sicher eine Herkulesaufgabe. Aber: Es tut gut zu sehen, wie viel Kraft in uns steckt, wenn wir zusammenstehen. Und: Ich hoffe sehr, dass wir uns diesen Zusammenhalt auch künftig bewahren - jetzt sogar erst recht, wo es manche offenbar gezielt darauf anlegen, zu spalten anstatt zu einen.

Solidarität war auch Ende Mai und Anfang Juni gefragt, als heftige Unwetter über Teile unseres Kreisgebiets hinweggezogen sind und Schäden in einem bisher nicht gekannten Ausmaß hinterlassen haben. Gott sei Dank sind wir zwar von Todesfällen verschont geblieben. Manche haben aber ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Dass trotzdem letztlich noch Schlimmeres verhindert werden konnte, haben wir insbesondere der bedingungslosen Einsatzbereitschaft und Professionalität unserer Feuerwehren und der anderen Hilfsorganisationen zu verdanken. Dafür spreche ich allen, die mit im aktiven Einsatz waren, ausdrücklich meinen Respekt und meine Anerkennung aus.

Es gibt aber auch viel Positives über dieses Jahr 2016 festzuhalten. So schreitet insbesondere unser ehrgeiziges Breitbandprojekt mit großen Schritten voran. Schnelles Internet für fast alle. Die Telekom gräbt sich wie ein Maulwurf systematisch durch das gesamte Kreisgebiet. Mosbach und Obrigheim profitieren schon davon. Die anderen Städte und Gemeinden werden jetzt in kurzen Abständen folgen.

Die Bundeswehr kehrt nach Hardheim zurück. Ein wunderbares Weihnachtsgeschenk für die ganze Region, aber auch ein Sieg der Vernunft. Schließlich ist die Carl-Schurz-Kaserne vor noch gar nicht allzu langer Zeit für viel Geld in einen Topzustand versetzt worden und bietet mit dem größten Truppenübungsplatz in den alten Bundesländern zudem einen weiteren unschlagbaren Standortvorteil. Wir freuen uns deshalb jetzt auf die neuen Soldatinnen und Soldaten und werden natürlich alles dafür tun, dass die Bundeswehr nie mehr über eine Standortschließung nachdenkt.

In finanzieller Hinsicht profitieren wir derzeit von der nach wie vor guten Konjunkturlage. Das ist jetzt vor allem bei der einstimmigen Verabschiedung des Kreishaushalts 2017 noch einmal sehr deutlich geworden. Rund 170 Millionen Euro umfasst das Zahlenwerk insgesamt. Zum ersten Mal seit 15 Jahren übrigens ohne eine Neuaufnahme von Krediten. Und: Nach wie vor geht mehr als jeder zweite Euro in den sozialen Bereich. Gerade die Schwachen brauchen starke Fürsprecher. Ich bin dem Kreistag sehr dankbar, dass er das genauso sieht.

Die Neckar-Odenwald-Kliniken behaupten sich in einem zunehmend schwieriger werdenden Umfeld mit stabilen, ja sogar leicht steigenden Patientenzahlen. Das zeigt einmal mehr, wie unverzichtbar unsere Kliniken, aber auch das kommunale Belegkrankenhaus in Hardheim für die Menschen vor Ort sind. Andere haben angesichts der Rahmenbedingungen, die es kleinen Krankenhäusern im Ländlichen Raum nahezu unmöglich machen zu überleben, bereits kapituliert: Lindenfels, Möckmühl, Brackenheim, Künzelsau. Wenn wir unsere Kliniken dauerhaft erhalten wollen, ist auch hier die Solidarität aller gefragt.

Mit Minister Peter Hauk stellen wir seit der Landtagswahl wieder ein Mitglied der Landesregierung. Das stärkt unsere Position. Gemeinsam mit Georg Nelius, der ebenfalls erneut in das Parlament eingezogen ist, sind wir dort weiter mit zwei einflussreichen und engagierten Abgeordneten aus dem Kreisgebiet vertreten. Ihnen, aber auch unserem vierblättrigen Kleeblatt im Deutschen Bundestag mit Alois Gerig, Dr. Dorothee Schlegel, Margaret Horb und Nina Warken danke ich für ihren großen persönlichen Einsatz.

Ihnen allen und Ihren Familien wünsche ich von Herzen ein frohes Weihnachtsfest, Gottes Segen und einen guten Start in ein hoffentlich gesundes, glückliches und friedvolles neues Jahr 2017. Ich will das tun mit einem Gedicht von Edeltraud Eckert, deren Werke mich in besonderer Weise faszinieren, obwohl sie heute leider weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Die Dichterin ist 1950 im Alter von nur 20 Jahren wegen der Verteilung regimekritischer Flugblätter in der ehemaligen DDR verhaftet und zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Im Zuchthaus Hoheneck, dem größten Frauengefängnis der DDR, hat sie im März 1954 etwa ein Jahr vor ihrem viel zu frühen Tod folgende Zeilen geschrieben: "Eines weiß ich, dass ich warten werde, wenn der Frühling auch vergeht, wenn auch über warme Erde längst ein kühler Herbstwind weht. Eines glaub ich: Du wirst kommen, eh es Winter wird und Nacht, eh der letzte Schein verglommen, von dem Glanz, den du entfacht. Eines hoff ich: Du wirst bleiben. Ich bin ganz für dich bereit, und in Schnee und Wolkentreiben ist für uns doch Frühlingszeit". Ich finde, diese Worte strahlen ähnlich wie bei Dietrich Bonhoeffer eine geradezu unglaubliche Kraft und Zuversicht aus. Genau diese Kraft und diese Zuversicht wünsche ich Ihnen deshalb auch für das neue Jahr 2017. Von Herzen alles Gute für Sie!

Auf Weihnachtskarten oder Geschenke haben wir erneut verzichtet und den entsprechenden Betrag in diesem Jahr statt dessen dem Förderverein Psychosoziale Notfallversorgung im Neckar-Odenwald-Kreis zur Verfügung gestellt."

Ihr Dr. Achim Brötel, Landrat

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