Buchen bekommt vorerst keinen Betonmüll aus Obrigheim

Umweltminister Untersteller will offene Fragen geklärt sehen - Er sieht den Bund in der Pflicht - Dr. Ginter: Das kann lange dauern

29.06.2016 UPDATE: 30.06.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden

Gestoppt sind vorerst geplante Anlieferungen mit Betonmüll vom rückgebauten Kernkraftwerk Obrigheim nach Buchen auf die Deponie "Sansenhecken". Foto: Heiko Schattauer

Buchen. (Wd) Weil es im Zuge der Lieferung von freigemessenem Material von rückgebauten Kernkraftwerken noch offene Fragen gibt, hat Umweltminister Franz Untersteller angekündigt, bis auf Weiteres keine freigemessenen Abfälle aus dem Rückbau von Atomkraftwerken oder anderen atomaren Einrichtungen auf die Deponie "Froschgraben" (Landkreis Ludwigsburg) und andere Deponien in Baden-Württemberg verbringen zu lassen. Diesbezüglichen Anträgen werde das Umweltministerium vorerst nicht zustimmen. Das bedeutet auch, dass vorläufig mit einer Anlieferung von freigemessenem Betonmüll aus dem rückgebauten Kernkraftwerk Obrigheim auf die Buchener Kreisdeponie "Sansenhecken" nicht zu rechnen ist.

So sieht das auch der Geschäftsführer der kreiseigenen Abfallwirtschaftsgesellschaft, Dr. Mathias Ginter, auf Nachfrage der RNZ. Es gehe um die Frage der Nachnutzung von Deponien. Hier habe jede Deponie ihr eigenes Konzept. Für Sansenhecken sei die Aufforstung mit Wald vorgesehen. Über die aktuelle Entwicklung sei er "nicht unglücklich". Dr. Ginter sieht nun das Bundesumweltministerium am Zug. Und diese Prüfung könne "lange, lange dauern". In naher Zukunft sei deshalb mit keiner Anlieferung zu rechnen.

Hintergrund

Für frei gemessene Abfälle gilt das so genannte 10-Mikrosievert-Kriterium. Dieses Kriterium muss auch bei der Nachnutzung einer Deponie eingehalten werden. Dieses der Freigaberegelung zu Grunde liegende Konzept geht davon aus, dass eine Freigabe von Stoffen,

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Für frei gemessene Abfälle gilt das so genannte 10-Mikrosievert-Kriterium. Dieses Kriterium muss auch bei der Nachnutzung einer Deponie eingehalten werden. Dieses der Freigaberegelung zu Grunde liegende Konzept geht davon aus, dass eine Freigabe von Stoffen, die zum Beispiel beim Betrieb eines Kernkraftwerks angefallen sind und für die eine Deponierung vorgesehen ist, dann verantwortet werden kann, wenn dies maximal zu einer zusätzlichen Strahlenbelastung führt, die im Bereich von 10 Mikrosievert (10 Mikrosievert = 0,01 Millisievert) für die effektive Dosis von Einzelpersonen im Jahr liegt. Diese Dosis gilt als unbedenklich, sie liegt bei etwa 0,5 Prozent der natürlichen Strahlenbelastung.

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Arno Scheuermann von der Buchener Bürgerinitiative Bigmueg sieht die bisherigen Bedenken der Gruppe bestätigt. Durch die Zusammenarbeit der Bürgerinitiativen "Bigmueg" Buchen und "Froschgraben" Schwieberdingen sei es gelungen, den Druck auf das Umweltministerium zu erhöhen und gezielt Fragen zu stellen, so dass sich Minister Franz Untersteller zu diesem Schritt gezwungen gesehen habe, so Scheuermann.

Auf den Deponien Schwieberdingen und Horrheim sollen die freigemessenen Abfälle aus dem Kernkraftwerk Neckarwestheim ab 2017 eingelagert werden. Für Buchen waren nach RNZ-Recherchen die Anlieferungen in der zweiten Jahreshälfte erwartet worden. "Dieser Teilerfolg bedeutet lediglich ein Durchatmen für die Bürgerinitiativen, denn der Widerstand gegen die Ablagerung geht weiter", so Arno Scheuermann. Nächster Schritt sei ein gemeinsamer Termin der Bürgerinitiativen beim Umweltministerium in Stuttgart.

Es gibt vor allem offene Fragen zur Nachnutzung der Deponie Froschgraben im Landkreis Ludwigsburg. Minister Untersteller: "Die vor Ort geplante landwirtschaftliche Nachnutzung der Deponie ist strahlenschutzrechtlich unklar. Bis zur Beantwortung der offenen Fragen setzen wir die Lieferung freigemessener Abfälle auf Deponien in Baden-Württemberg aus."

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Zuerst, so Untersteller, müsse das Bundesumweltministerium Klarheit schaffen bezüglich einer eventuellen landwirtschaftlichen Nachnutzung von Deponieflächen.

"Die Strahlenschutzkommission geht davon aus, dass Deponieflächen, auf denen freigemessene Abfälle lagern, nach Schließung der Deponie nicht landwirtschaftlich genutzt werden. Der Bund hat es aber unterlassen, den Nachweis für die Unbedenklichkeit zu erbringen oder bestimmte Nachnutzungen strahlenschutzrechtlich auszuschließen. Deshalb gibt es Klärungsbedarf. Es entspricht der höchsten Vorsorge, bis dahin die Ablagerung auszusetzen," so der Minister in einer Presseerklärung.

Auf der Deponie Froschgraben werde dieser Bedarf offensichtlich. Denn laut Planfeststellungsbeschluss sei dort genau das eines Tages vorgesehen: eine landwirtschaftliche Nachnutzung, möglicherweise auch zur Nahrungsmittelproduktion.

"Das können wir jetzt nicht einfach so hinnehmen", erklärte Untersteller. "Wie für die deponierten Abfälle selbst, die freigemessen und deshalb vollkommen unbedenklich sind, muss ganz konkret auch für die landwirtschaftliche Nachnutzung nachgewiesen sein, dass alle Sicherheitsgrenzwerte für radioaktive Strahlung auf der Deponiefläche eingehalten werden."

Das müsse radiologisch bewertet werden. "Hier sehe ich das Bundesumweltministerium in der Pflicht. Es geht um eine Berechnung, die weit in die Zukunft blickt, und gewährleistet, dass auch in Jahrzehnten noch keine radiologische Gefährdung der Bevölkerung zu befürchten ist. Das würde ich gerne berechnet haben und wissen."

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