Ärger über Flüchtlingsverteilung: "Hardheim ist nicht unendlich belastbar"

Bürgermeister, Gemeinderat und viele Hardheimer machten ihrem Unmut über die Belegung der Kaserne mit Flüchtlingen deutlich

18.09.2015 UPDATE: 19.09.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden

Das Interesse an der Bürgerversammlung zur Asylsituation am Donnerstag in der Erftalhalle war riesengroß. Alle Fotos: R. Busch

Von Rüdiger Busch

Hardheim. Der Informationsbedarf war riesengroß: Knapp 450 Hardheimer waren am Donnerstagabend in die Erftalhalle gekommen, um Neues über die bedarfsorientierte Erstaufnahmestelle des Landes (BEA) zu erfahren, von deren Einrichtung die Gemeinde am Wochenende quasi überrollt wurde. Was die Bürger aber fast drei Stunden lang zu hören bekamen, dürfte kaum jemand gefallen haben: Zu den 300 Flüchtlingen werden voraussichtlich in zwei Wochen 350 weitere hinzukommen. Und auf die wichtigste Frage gab es ebenfalls nicht die erhoffte Antwort: Der Vertreter der Landesregierung konnte nicht ausschließen, dass mittelfristig sogar die komplette Kaserne für die Unterbringung von Asylsuchenden genutzt wird ...

In der auf Anregung des Gemeinderats von der Verwaltung organisierten Bürgerversammlung wurde schnell deutlich, dass das Thema die Menschen bewegt. Laute Unmutsbekundungen und Pfiffe zeigten, dass viele Bürger sich bei der aktuellen Entwicklung von der Politik verlassen fühlen. Trotzdem blieben verbale Ausfälle zum Glück aus: Der Zorn richtete sich nicht gegen die Flüchtlinge, sondern gegen die politischen Entscheidungen. Dass die Diskussion nicht aus dem Ruder lief, daran hatte auch SWR-4-Moderatorin Friederike Kroitzsch großen Anteil.

Sie achtete auch darauf, dass die Redner ihre zugedachten Zeiten nicht überschritten. Neben Bürgermeister Volker Rohm und Landrat Dr. Achim Brötel gaben Dr. Rainer Schäfer (Integrationsministerium) und Dr. Martin Steffens (Regierungspräsidium Karlsruhe, zuständig für die Erstaufnahme) kurze Statements ab. Das Podium wurde komplettiert von den Abgeordneten Alois Gerig, Peter Hauk, Margaret Horb (alle CDU), Georg Nelius und Dr. Dorothee Schlegel (SPD), Seckachs Bürgermeister Thomas Ludwig (Kreisvorsitzender des Gemeindetags), Thomas Lindecke vom Polizeipräsidium Heilbronn und Pfarrer Markus Keller.

Bürgermeister Volker Rohm kritisierte die Informationspolitik des Landes scharf: Nach der Begehung Ende August sei man davon ausgegangen, dass die Kaserne nicht genutzt wird. Innerhalb von 72 Stunden sei die BEA dann einzurichten gewesen, was dank des Einsatzes der Bundeswehr und der ehrenamtlichen Helfer - allen voran des DRK - gelungen sei. Er hoffe, dass die Hilfsbereitschaft der Bürger lange anhalte, verschwieg aber nicht, dass es für die Einheimischen nicht einfach sei, Menschen aus anderen Kulturkreisen aufzunehmen, deren Verhalten mitunter auch Missfallen errege. Er forderte vom Land Dolmetscher, um den Gästen Regeln und Verhaltensweisen aufzuzeigen.

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"Hardheim ist nicht unendlich belastbar", sagte Rohm unter großem Beifall. "Das Wohl der Bürger soll Gradmesser für die Zuteilung von Flüchtlingen sein - und nicht die Zahl freier Betten in einer Kaserne!"

"Wir wurden aus heiterem Himmel überrollt", meinte auch Landrat Dr. Achim Brötel. Das Land lasse die Kommunen mit den Problemen allein. "Jetzt ist aber nicht die Zeit für Schuldzuweisungen - wir wollen im Neckar-Odenwald-Kreis Herz zeigen", verwies der Landrat auf die Kampagne des Kreises.

Dr. Steffens zeigte auf, dass die Zahl der Flüchtlinge, die pro Tag nach Baden-Württemberg kommen, zwischen 740 und 1400 liegt. Dies seien so viel, wie 2007 im ganzen Jahr gezählt worden seien. In Hardheim würden auf Grund der guten räumlichen Voraussetzungen überwiegend Familien untergebracht.

"Es ist nicht mit weniger Flüchtlingen zu rechnen", sagte Dr. Schäfer vom Integrationsministerium. Der Bund habe dem Land die Kaserne angeboten, und auf Grund des guten Zustands der Gebäude sei dort eine schnelle Nutzung möglich. Derzeit sei vorgesehen, dass die Maximalbelegung der Kaserne bei vier Gebäuden und 650 Personen liege. Eine mögliche Komplettbelegung der Kaserne konnte er auf Nachfrage nicht ausschließen: "Wenn die Bundeswehr weitere Blöcke zur Verfügung stellt und weiter Bedarf besteht ...".

Im Gespräch mit der RNZ sicherte Dr. Schäfer aber zu, dass die besondere Belastung Hardheims - knapp 1000 Flüchtlinge bei 4600 Einwohnern - berücksichtigt werde, wenn geplante neue Kapazitäten in Städten wie Freiburg zur Verfügung stehen. Eine Umwandlung der BEA zu einer festen Landeserstaufnahme schloss er - Stand jetzt - aus.