ACR-Telecom-Prozess: Steuerberater kam so manches "komisch" vor

Gestern stand der 45-jährige Buchener im Prozess wegen Veruntreuung in Millionenhöhe als Zeuge vor Gericht

04.08.2015 UPDATE: 05.08.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 53 Sekunden

Die Räume des Unternehmens in Buchen. Foto: Archiv

Von Wolf H. Goldschmitt

Mannheim. Der Angeklagte gibt sich bestens gelaunt: Beim Betreten des Sitzungssaals C im Mannheimer Landgericht ruft er dem wartenden Zeugen locker zu: "Bist du gestresst? Kein Grund, geht schnell vorbei". Doch der 45-jährige Steuerberater, der mehr Licht ins Dunkel der Finanzmachenschaften bringen soll, bleibt nervös. Immerhin vertritt er lange Jahre jene Buchener Handy-Liga, die ihren Spielbetrieb inzwischen eingestellt hat, bei den Finanzbehörden. Und der 42-jährige Buchener Geschäftsführer des Telefonunternehmens sitzt nun wegen des Vorwurfes der Untreue in Untersuchungshaft: Gut und gern drei Millionen Euro soll er mit Luftbuchungen über die kroatische Firma seines Cousins steuerfrei auf die Seite geschafft haben, um sich ein Luxusleben zu leisten, sagt die Staatsanwaltschaft.

Aufgeregt gesprächig gibt der Steuerberater gestern zunächst eine Erklärung ab: Er habe entgegen anderer Behauptungen sein Mandat für die Firma ACR Telecom GmbH bereits im September 2014 niedergelegt. Zu viele unklare Rechnungen aus Kroatien über sechsstellige Beträge hätten es ihm unmöglich gemacht, eine Bilanz zu erstellen. "Diese ganzen Überweisungen kamen mit komisch vor", so der Zeuge. Zwar habe er mehrfach versucht, mit einem der beiden Manager ein klärendes Gespräch zu führen, doch ohne Erfolg. Weder der Angeklagte, den er seit über 15 Jahren privat kennt, noch dessen gleichberechtigter Geschäftsführer seien auf sein Angebot eingegangen.

"Ich habe ihnen meine Unterlagen auf Sticks gezogen, und dann war für mich Schluss", so seine Aussage. Unklar sei auch die Rollenverteilung in der Firma gewesen. Eines aber stehe für ihn fest: "Schaffer vor dem Herrn waren alle beide nicht". Sie hätten lieber das Leben in vollen Zügen genossen.

"Mit dem Geld sollte sein aufwendiger Lebensstil und der seiner Familie finanziert werden", schreibt auch die Staatsanwältin in ihrer Anklageschrift. Nach ihren Ermittlungen fährt der Lebemann einen geleasten Ferrari und trägt teure Uhren in sechsstelligem Wert. Diese Großmannssucht "musste zwingend zur Zahlungsunfähigkeit führen", heißt es weiter. Und mehr noch: Er habe die Insolvenz der Firma "von Anfang an geplant", denn im vergangenen November hatte das Amtsgericht Mosbach das Insolvenzverfahren eröffnet.

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Zum Angeklagten selbst erklärt der Buchener Steuerberater: "Buchhaltung war bestimmt nicht seine Welt". Dafür habe er fast ständig telefoniert und irgendwelche Deals abgewickelt. Besonders die Art und Weise, alle Buchungen über die Verrechnungskonten der Firma laufen zu lassen, hätten ihn mächtig verärgert. Millionensummen seien ohne Inventur und ohne Kontrollfunktion ein- und ausgegangen. Mal gab es wegen dieser Pi-mal-Daumen-Aktionen Überzahlungen, mal bis zu sechs Seiten lange "ungeklärte Positionen", berichtet der Buchener weiter.

Bei seiner letzten Bilanz für das Unternehmen sei einem Umsatz von 160 Millionen Euro ein Gewinn von rund 200 000 Euro gegenüber gestanden, erklärt er auf Nachfrage des Gerichts. Als ob er eine Bestätigung für seine Anschuldigungen bräuchte, wirft der 45-Jährige während seiner Vernehmung mehrfach einen unsicheren Blick auf den Angeklagten und fragt sogar einmal: "Ist das richtig?". Der Richter quittiert das Verhalten mit ungläubigem Kopfschütteln.

Der Prozess wird fortgesetzt. Das Urteil soll dem Vernehmen nach am 20. Oktober gesprochen werden.

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