Wenn ein Ex-Bestatter ein Buch übers Sterben schreibt
Peter Wilhelm aus Edingen-Neckarhausen ist Fachmann für den Tod und schreibt unter anderem Bücher übers Sterben. Kabarett macht er auch. Der Titel seines Programms lautet "Totgelacht ist halb gewonnen".

Peter Wilhelm kennt sich in der Bestatter-Szene aus. Dem sonst so todernsten und immer noch tabuisierten Thema "Sterben" begegnet er mit einem Augenzwinkern. Foto: Pilz
Von Nicoline Pilz
Edingen-Neckarhausen. Er ist wohl Deutschlands bekanntester Fachmann rund ums Sterben: Peter Wilhelm aus Edingen-Neckarhausen war früher selbst jahrelang in der Bestattungsbranche tätig, ist Betreiber eines Bestatterweblogs (www.bestatterweblog.de), Autor von fünf Büchern sowie unzähliger Artikel und Geschichten, die sich mit dem Tod befassen.
Allein in Polen erschienen zwei seiner Bücher, die Titel tragen wie "Gestatten, Bestatter" oder "Darf ich meine Oma selbst verbrennen?". Wilhelm schildert darin mal mit leiser, mal mit lauterer Ironie, aber immer mit sehr viel Einfühlungsvermögen, seine Erlebnisse in der Branche - anonymisiert und somit stets pietätvoll.
Doch noch mal zurück zu Polen: Angesichts des nach wie vor stark ausgeprägten Katholizismus’ dort, findet Wilhelm die Begeisterung für seine Bücher ein wenig erstaunlich, obgleich sie ihn natürlich freut. Sogar als Hardcover ist eines seiner Werke in Polen erschienen: "Weltweit das erste mit Blumenduft. Das hält zwei Jahre, ich hab‘ es selbst überprüft", meint er trocken im Gespräch.
In seinem Solo-Kabarettprogramm "Totgelacht ist halb gewonnen" geht er unter anderem der Frage nach, weshalb der Gelbrandkäfer dem Homo Sapiens weitaus überlegen ist; er greift witzige Bestattungsriten auf und beleuchtet seltsame Methoden, mit denen sich Menschen ums Leben bringen.
Seit Anfang dieses Jahres ist Wilhelm Chefredakteur der alle zwei Wochen erscheinenden Fachpublikation "Bestatter heute" mit werbefreien Informationen für die Branche.
Zum Beispiel, ob man mit dem Leichenwagen durch den Drive Inn am Schnellrestaurant fahren oder das Gefährt auch an Hippies verkaufen sollte. Bei allem Augenzwinkern, mit dem Wilhelm dem sonst so todernsten und nach wie vor tabuisierten Thema "Sterben" begegnet, legt er eine aufmerksame Ernsthaftigkeit an den Tag, was Veränderungen in der Branche und in der Bestattungskultur angeht.
"Zwei Dinge haben sich im Vergleich zu früher geändert", stellt er fest. So habe zum einen der Trend zur anonymen Bestattung zugenommen, eine Alternative seien hier für viele Menschen die Bestattungswälder.
Verschiedene Unternehmen wie zum Beispiel "Ruheforst" betten in gepachteten Wäldern, die vor Ablauf von 100 Jahren nicht gefällt werden dürfen, Menschen zur letzten Ruhe. "Das ist sehr teuer", kommentiert Wilhelm. Nicht Wenige würden sich daher für einen Gemeinschaftsbaum entscheiden, wo ihre sterblichen Reste genauso anonym wie auf einem Friedhof möglich, begraben werden.
"Gerade die Deutschen haben ja eine ausgeprägte Affinität zum Wald, mit dem sie, im Gegensatz zum umfriedeten Friedhof, woraus sich das Wort ja ableitet, Freiheit assoziieren", sagt Wilhelm. Oft seien es Kostengründe, die entscheidend für eine anonyme Bestattung seien, fährt er fort. Zudem seien Familien heutzutage so zersiedelt, dass eine zeitaufwendige Grabpflege gescheut werde. Wenn Sterbende den Wunsch nach möglichst wenig Aufwand äußern, um Angehörige nach dem Tod nicht zu belasten, hake er immer nach: "Nicht selten wünschen sie sich dann doch eigentlich eine schöne Beerdigung mit einem Grabstein, wo die Kinder hingehen können." Und auch später gebe es immer wieder Angehörige, die eine anonyme Bestattung rückgängig machen wollen. Kann man? "Nein. Beigesetzt ist beigesetzt", erklärt Wilhelm.
Menschen wollen immer noch einen Platz zum Trauern
Sicher gebe es besondere Angebote, doch das mache noch keine Trends aus. "Letzten Endes will der weitaus größte Teil eine traditionelle Bestattung." Das habe sich aus jahrtausendealter Art und Weise entwickelt und spiegele den Wunsch der Menschen wider, einen Platz zu haben, wo man trauern kann.
Aber, fügt er an, geändert habe sich auch der Ablauf der Trauerfeiern. "Und zwar ganz wesentlich. Das ist heute viel flexibler als früher." Viele würden heute kirchenferner leben und sich deshalb für freie Trauerredner entscheiden. "Es gibt Trauerfeiern ganz in Weiß oder Fußballbestattungen in den Vereinsfarben." Die Individualität bei Trauerfeiern sei gewachsen: "Da werden dem Verstorbenen Bilder, Briefe oder auch Musikinstrumente mitgegeben." Er selbst empfiehlt übrigens eine Urnenbeerdigung, das sei ihm selbst einmal lieber so.
Der ungewöhnlichste Bestattungswunsch, der je an ihn herangetragen wurde, war der einer Himmelsbestattung. In Tibet wird dabei der Körper des Verstorbenen zerstückelt und an angelockte Geier verfüttert. Die Vögel tragen ihn dann ins "Bardo"; einem Zustand zwischen einem Leben und dem nächsten.
Der Bitte eines Anhängers der Freikörperkultur, er möge eines Tages nackt bestattet werden, war da leichter zu entsprechen.