Weinheim: Zweiter Platz in Berlin für Jungredakteure der "Schiffsschraube"
Jungredakteure des Heisenberg-Gymnasiums haben es bis nach Berlin zur Auszeichnung der "Jugendpresse" Deutschland geschafft

Von Philipp Weber
Weinheim. In der Ecke blubbert die Kaffeemaschine. Die Fenster sind weit geöffnet. Die 16 Redakteure sitzen im Halbkreis beisammen. Sitzungsleiter Cornelius Baumann ergreift das Wort. Willkommen - in der Redaktionskonferenz der Schiffsschraube, der Schülerzeitung am Werner-Heisenberg-Gymnasium (WHG).
Das WHG ist zur Zeit ziemlich stolz auf seine Schülerredaktion: Mehrfach hat die Initiative "Jugendpresse Deutschland" die Weinheimer im vergangenen Schuljahr ausgezeichnet. Zuletzt war die "Schiffsschraube" auch auf Bundesebene erfolgreich. Die Redaktion schaffte den zweiten Platz in der Rubrik "EinSatz für eine bessere Gesellschaft" (wir haben berichtet).
Eine Jury aus Ländervertretern, Schülern und Journalisten hatte eigenen Angaben zufolge Hunderte (Schüler-)Zeitungsseiten gewälzt - und schließlich 32 Produkte prämiert. Die Weinheimer "Schiffsschraube" überzeugte mit einer Themenausgabe unter dem Titel "Sexualitäten - Spezialitäten. Alles, was das Herz begehrt".
Ein Blick in die Zeitung, die eigentlich ein Magazin ist: Im ersten Beitrag klärt Redakteurin Rosa Weber über Begrifflichkeiten wie Homo-, Hetero- und Transsexualität sowie Travestie auf - durchaus mit Tiefgang, aber auch schülergerecht. Es folgen Artikel über die rechtliche und gesellschaftliche Situation Homosexueller im Verlauf der letzten eineinhalb Jahrhunderte.
Ein Kommentar setzt sich auseinander mit dem Begriff "schwul", der unter Schülern als ziemlich krude Mischung aus Schimpf- und Modewort die Runde macht. Und ein Lehrer erläutert im Gastbeitrag, warum er den Begriff "Toleranz" weiter fasst, als es dessen ursprüngliche Bedeutung ("Duldung") eigentlich zulässt. Es folgen anonymisierte Beiträge homosexueller Schüler sowie weitere Artikel zum Thema.
Eine andere Ausgabe befasst sich mit dem Thema Asylbewerber - eine Reportage aus einer Unterkunft des Rhein-Neckar-Kreises eingeschlossen. Der Sitzungsleiter und mittlerweile Abiturient Cornelius Baumann übertreibt keineswegs, wenn er sagt: "Wir greifen Themen auf, die gesellschaftlich relevant sind und Schüler betreffen."
Betroffen sind Schüler allerdings auch von ihrer Schule und den Lehrern - die denn auch ziemlich regelmäßig vorkommen in der "Schiffsschraube". Und deren Verhalten und Werdegänge in durchaus, nun, provokanter Diktion thematisiert werden: "Ausgemustert, geflohen, verschollen. Lehrer - wo seid Ihr geblieben", so der Anreißer zu einem Stück, das sich um das Leben ehemaliger WHG-Pädagogen dreht.
An anderer Stelle beschäftigt sich die Nachwuchsredaktion mit Lehrertypen. Die schreibenden Schüler haben unter anderem "Kindergärtner", "Bevorzuger", oder "den mit der Moral" identifiziert. Reizt dieser Ton nicht den einen oder anderen Gymnasiallehrer? "Diskutiert wird im Kollegium schon", so die betreuende Lehrerin Iris Lasch-Petersmann. Grundsätzlich infrage habe die "Schiffsschraube" aber nie gestanden.
Die Pädagogin ist bei den Redaktionskonferenzen dabei. Sie greift nach eigenen Angaben aber ausschließlich dann ein, wenn die Sitzungen ins Stocken geraten: "Auf die Berichterstattung oder die Artikel übe ich keinen Einfluss aus." Beim Korrektorat hilft sie aus, beantwortet Fragen zu Rechtschreibung und Grammatik.
Vielleicht ist das der Grund, weshalb die Nachwuchszeitung mit erstaunlich wenig sprachlichen "Stolperern" auskommt. Während man sich - mal staunend, mal schmunzelnd - den AG-Raum und die dort ausgestellten Beiträge ansieht, nimmt die Konferenz ihren Lauf.
Die "Schiffsschraube" erscheint fünf Mal pro Schuljahr, stets in Magazinform. Mit digital angeschnittenen Bildmotiven, Zwischentiteln und sehr ordentlichen Fotos. Jetzt werden Arbeitsaufträge vergeben, Abgabefristen gesetzt, Zeitpläne durchgegangen. Die jüngeren Redaktionsmitglieder bekommen Recherchetipps, die "älteren" erklären, wie lange sie noch mitmachen können, ehe es an die Vorbereitung des Abiturs geht.
Dabei lernen die Schüler auch, was so mancher Profijournalist ein Berufsleben lang nie tun muss: Grafiken erzeugen. Und Anzeigen eintreiben. Für die Aufmachung der "Schiffsschraube" zuständig ist Schülerin Nadine Asfour. Auch sie vergibt Aufträge an Kollegen, die sich daheim darum kümmern. Sie selbst nimmt eine Art "Schlussredaktion" vor.
Apropos Profis: Wollen die Schüler später mal in den bezahlten Journalismus? Cornelius Baumann möchte das mit Sicherheit - nicht. Bei dem einen oder anderen seiner Redaktionskollegen hebt sich jedoch, fast ein wenig zögerlich, der Finger. Nur Mut: Die "Schiffsschraube" wäre nicht der schlechteste Einstieg.