Pur in Weinheim: Viel mehr als eine Partyband (plus Fotogalerie)
Rund 8000 Fans feierten in Weinheim die Musiker von Pur und Hartmut Englers persönliche und politische Ansagen

Für jede Lebenslage ein Song: Die Fans lieben Hartmut Engler (auf dem Steg ins Publikum) und Pur nicht zuletzt für ihre Texte. In Weinheim war das nicht anders. Foto: Dorn
Von Philipp Weber
Weinheim. Der letzte Song ist gespielt, Hartmut Engler dankt dem Publikum. Aber jeder weiß: Mit dem Pur-Konzert am Samstagabend im Weinheimer Schlosspark ist noch lange nicht Schluss. Die einen klatschen, die anderen rufen "Zugabe!" Hier und da sind "Oh, wie ist das schön"-Gesänge zu hören. Aber hier kann sich nur ein Lied durchsetzen: Der Pur-Geburtstagssong "Ein graues Haar", die Zugabe schlechthin. Aber die spart sich Engler auf, bis wirklich (fast) Schluss ist. Die erste Zugabe: "Drachen müssen fliegen". 8000 Handytaschenlampen leuchten auf.
Es ist beileibe kein einfacher Job, eine Konzertkritik über Pur zu verfassen. Denn was gäbe es Neues zu sagen? Neben einigen aktuellen Stücken gehören Gassenhauer wie "Lena", "Ich lieb’ Dich" und "Abenteuerland" - der wohl gelungenste Song der Deutsch-Pop-Band - fest ins Repertoire. Wer diese Hits nicht kennt, muss ein militanter Radio- und Fernsehverweigerer sein. Und die Stimmung bei diesem, aber auch anderen Pur-Konzerten ist ohnehin: unbeschreiblich.
Vielleich verhält es sich so: Die Musik von Pur liebt man - oder man hasst sie. Und wer die Songs von Engler und Co. liebt, muss sich im Weinheimer Schlosspark einfach wohlfühlen an diesem lauen Sommerabend: Das Publikum steht und sitzt wie in einem riesigen, von der Natur geschaffenen Amphitheater.
Rechts und links von den Zuhörern ragen die Zweige der Parkbäume in die Konzertarena hinein, hinten heben sich die Farne steil bergauf in Richtung Exotenwald. Und vorne ragt die Bühne auf - größer als je zuvor. Sogar ein Steg ins Publikum wird aufgeboten. Schon anhand der vielen verschiedenen Pur-T-Shirts, die die Fans am Leib tragen, ist die große Zahl der Tourneen abzulesen. "Die etwas in die Jahre gekommene Schülerband", wie Hartmut Engler es selbstironisch ausdrückt, hat längst Musikgeschichte geschrieben. Aktuell läuft die "Achtung"-Tour 2016.
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Vor dem Konzertgelände können sich die Fans mit dem neuesten T-Shirt eindecken, im Park warten Partyfotografen mit einem "Pur 2016"-Bildrahmen, die Konterfeis der Bandmitglieder schmücken selbst die Bierbecher.
In Sachen Merchandising kann Pur längst mit den Größten der Branche mithalten. Und doch ist Pur viel mehr als eine Partyband - jedenfalls empfinden es die Fans so. "Pur ist eine tolle Mischung aus Persönlichem und Politischem", sagt Sandra Fay, die mit Ehemann Harald aus Heiligkreuzsteinach angereist ist: "Es sind Texte, über die man nachdenkt." Ein Zuhörer aus Grünstadt (Pfalz), der sich als "Rainer" vorstellt, formuliert es so: "Die Jungs bringen rüber, was Leben ist."
Tatsächlich kommt die gesellschaftliche Botschaft nicht zu kurz: Nach dem Song "Neue Brücken" ruft Engler dazu auf, Ängste zu überwinden, Fremde trotz aller Schwierigkeiten willkommen zu heißen. Der Song war 1993 erschienen - damals führte Deutschland ebenfalls eine Asyldebatte. Sichtlich bewegt ist Engler nach dem Hit "Wenn sie diesen Tango hört", den die Band 1991 ihrer heimatvertriebenen Elterngeneration gewidmet hatte. Unter großem Applaus grüßt er das Publikum von seiner 91 Jahre alten Mutter. Dann kommen die nächsten Hits - und wieder wird gesungen, geklatscht, gejubelt, geweint.
Ach ja: Trotz verschärfter Kontrollen lief der Einlass sehr entspannt ab.

















