Heilbronn erlebt Händels Oper "Orlando" unter Michael Form

Barocke Klänge und dynamische Szenenwechsel: Dirigent Michael Form, der den "Winter in Schwetzingen" mit Vivaldi zum Renner machte, wurde nun für die Zusammenarbeit von Württembergischem Kammerorchester, Theater Heilbronn und der Hochschule für Musik in Stuttgart gewonnen.

07.03.2017 UPDATE: 08.03.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 48 Sekunden

Countertenor Owen Willett überzeugte als Orlando in Heilbronn. Foto: Braun

Von Matthias Roth

Zu Beginn des Dritten Akts ist klar: Manchmal hilft nur noch Schnaps. Dorinda liebt Medoro, aber dieser wird auch von Angelica angehimmelt, die wiederum eigentlich die Braut von Orlando ist (glaubt der). Zu allem Überfluss verliebt sich Medoro tatsächlich in Angelica - und die sind wenigstens glücklich.

So trifft die enttäuschte Dorinda (Johanna Pommranz singt sie mit expressiven Soprankoloraturen und feinem Piano auch in extremen Höhen) vor dem schon etwas heruntergekommenen "Gloria Hotel" auf den gedemütigten Orlando (Countertenor Owen Willetts gibt ihm besonders in seiner großen Racheszene kämpferisches Profil). Der will aus Liebeskummer nur noch sterben (und singt zuvor noch schnell ein paar hochvirtuose Koloraturen), überlegt es sich dann aber anders und will schließlich lieber alle anderen umbringen: Als "Rasender Roland" ging er in die Literaturgeschichte ein. Aber auch dieser Plan hält nicht lange vor, und so macht er - nach besagtem Schnapsgenuss - spontan der verzweifelten Dorinda einen Liebesantrag. Als diese ihrem Erstaunen mit virtuosen Läufen Luft macht, kehrt Orlando zu seinem alten Plan zurück: Er sucht nun doch wieder Angelica, um sie endgültig zu ermorden. Zeit für die Götter, nun endlich einzugreifen, und der Hotelier Zoroastro (mit fulminantem Bass: Konstantin Krimmel) führt zum Happy End.

Händels Oper "Orlando" (1733) ist eine Schatzkiste voll betörender Musik: Nicht nur das wunderbare Terzett am Ende des Ersten Akts ist ein Juwel. Im Theater Heilbronn kann man sie nun hören: Der Dirigent Michael Form, der den "Winter in Schwetzingen" mit Vivaldi zum Renner machte, wurde nun für die Zusammenarbeit von Württembergischem Kammerorchester, Theater Heilbronn und der Hochschule für Musik in Stuttgart gewonnen - und nicht nur das Publikum profitiert davon. Denn der Experte für die Aufführung alter Musik auch auf neueren Instrumenten weiß die Unterschiede zur modernen Spielweise offenbar blendend zu vermitteln. Sowohl die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne als auch die Instrumentalisten im Graben musizierten - unterstützt von einer spezialisierten Continuogruppe - historisch bewusst und fantasievoll. Der Klang der Streicher war hell und transparent und präsentierte sich durchaus "barock". Alle Achtung!

Intendant Axel Vornam inszenierte stringent im Bühnenbild von Tom Musch, der die Hotelvorderseite auf die Drehbühne stellte, die von hinten Foyer und Rezeption zeigt: Innen und Außen sind hier nur einen kurzen, lautlosen Dreh voneinander entfernt und ermöglichen schnelle Szenenwechsel. Freilich hätte die Kriegssituation, in der diese Liebeskomödie spielt, konsequenter in den Vordergrund treten dürfen, aber andererseits genügen ja doch Andeutungen - und des Gemetzels ist es oft auch zu viel.

Zu den Protagonisten der Aufführung zählen noch die Sopranistin Sara-Maria Saalmann, die mit hoch flexibler Stimme eine kesse Angelica singt, während Lisbeth Rasmussen Juel ihre Hosenrolle des Medoro sängerisch eher gediegen auffasste und starke Gefühle im Ausdruck mied.

Info: Aufführungen am 10., 14., 18. und 23. März sowie im April und Mai. Karten unter 07131/563000.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.